Liebe Elektraa,
ich hab deinen Rat befolgt und war beim Friseur und später noch ne Runde im Wald. Hat gut getan, beides.
Auf dem Weg zum Friseur bin ich an meiner künftigen Bleibe vorbeigefahren und hab mir da die Umgegend genau angeschaut. Da ist ALLES, was ich an einer urbanen Umgebung schätze und liebe. Und der Wald ist auch von dort aus zu erreichen, sogar noch schneller als von da, wo ich jetzt wohne und wo es auch nur wenige Einkaufsmöglichkeiten gibt. Aber die paar Kilometer die Strasse hoch, wo ich nächste Woche hinziehe, da ist das Leben. Restaurants, Cafés, Bücherei, sogar ein Bioladen derselben Kette wie in meinem ehemaligen Stadtteil, wo ich mittwochs Studentenrabatt bekomme. Das ist wundervoll!
KF hat einfach zur Zeit Riesenpech mit seiner Arbeit. Da passieren ständig unvorhersehbare Dinge, Schäden treten auf, es kommt hier zu Verzögerungen und da zu Mehrarbeit. Und er hat derzeit keinen Lehrling, der ihm kompetent helfen könnte. Heute hat er bis 20 Uhr gearbeitet und morgen muss er nochmal ran. Wir sehen uns aber morgen Abend. Ich komme ihm entgegen.
V. hat sich heute ruhig verhalten. Ich hoffe, ihm geht's soweit gut, mir tut es einfach leid, dass ich ihm so einen Stress mache, weil ich ihn verlasse. Jetzt, wo er in Ruhestand geht. So viel Veränderung auf einmal, das ist für jeden hart, und er hasst Veränderungen. Für ihn ist das wirklich schwer.
Lieber Leo,
ich denke viel nach, aber ich fühle noch viel mehr.
Wenn du dir die andere Seite meiner Lage anschaust, dann gibt es genügend Unsicherheiten, um emotionale Instabilität zu begünstigen. Ich fühlte mich plötzlich bei KF potenziell unwillkommen, oder so auf Armeslänge Abstand gehalten nach dem Motto: "du gehörst hier nicht hin. Lass mich in Ruhe. Du störst." Ich fühl mich ja (noch) nirgendwo und bei niemandem zuhause, und das schon lange. Das ist anstrengend.)
Ich fühl(t)e mich gestern sehr verunsichert, weil V. meinte, KF würde mich bestimmt bald viel zu anstrengend finden, er wäre ja nur mit mir zusammen, weil er nur die guten Seiten mitbekommt. Leider finden solche verbalen Spitzen wie die von V. bei mir immer ein Ziel. Und wenn KF dann - zwar aus nem völlig anderen Grund - unser Treffen verschiebt, dann kommt der Kommentar von V. erst richt zum Tragen und auch meine bösen Erfahrungen mit A., der mir auch immer geradezu den Boden unter den Füßen weggezogen hat mit seinen last-minute-Absagen. Weil ich das bei ihm immer schon ahnte und befürchtete und er mir damit immer wieder um die Ohren gehauen hat, wie wenig er wirklich ein Leben mit mir will und wie wenig Respekt er vor mir hat (auch wenn er immer was anderes behauptet hat).
KF ist nicht V. und nicht A., aber der Mensch (ich also auch) bezieht sich eben immer (unbewußt) und zunächst auch relativ undifferenziert auf Erfahrungswerte. Da kommt dann erstmal ein blödes Gefühl auf.
KF hat mich jedoch bisher nie belogen, er hat mich nie versetzt, er hat mich nie mit sarkastischen Bemerkungen verletzt o.ä. Dass er manchmal in düstere Stimmung gerät, hat mich anfangs irritiert (und würde es je nach meiner Tagesform auch wieder tun). Aber ich mache mir insgesamt deshalb keine Sorgen mehr, denn er ist offenbar auch in der Lage ist, sich daraus wieder zu befreien bzw. mich dann doch noch an sich ran zu lassen, um ihm dabei zu helfen. Seltsame Stimmungen kenne ich von mir selber zur Genüge. Und seine wie meine haben dann letztlich doch ganz "normale" Gründe. Wir brauchen beide manchmal eine Weile, um zu reflektieren, das ist eigentlich alles.
Ich bin insgesamt ein sehr gefühlsbetonter Mensch (ist bestimmt gar nicht aufgefallen bisher ;o)), bei mir ist das Denken auch gefühlsgeleitet. V. konnte das noch nie verstehen. Viele haben deshalb meine Intelligenz angezweifelt, mehr oder weniger offen, nicht nur V. (Das hat mich früher übrigens auch stark belastet, erst durch mein Studium komme ich darüber hinweg.) Dabei unterscheide ich sehr wohl zwischen Affekten und Emotionen und dem "Denken-Fühlen", was ich so betreibe. Ich beobachte und verfolge meine Gedanken und Gefühle und im besten Falle komme ich mir auf die Spur, in solchen Momenten verstehe ich mich und "die Welt" bzw. mich mit der Welt ;o).
Weil ich so "bin", konnte ich V. auch nicht erklären, warum ich ganz schnell weg musste von ihm. Ich hab's wirklich getan, weil ich sonst meine Prüfungen nicht geschafft hätte, aber auch, weil ich leider seine physische Nähe nicht mehr ausgehalten habe. Das war eine "Ganzkörperentscheidung" meinerseits, die war nicht primär intellektuell. Sowas kann er nicht verstehen. Ich erwarte das auch nicht, er ist halt nicht ich. Ich kann mich in so ziemlich jede/n hineinversetzen, mal mehr, mal weniger gut (tagesformabhängig, natürlich), V. hat andere Talente.
KF ist ziemlich einfühlsam, hab ich so mitbekommen. Von seinen sozialen Fähigkeiten bin ich ziemlich überzeugt bisher.
So, ich glaube, der Tag ist gelaufen und für mich zum zufriedenstellenden Abschluss gekommen- gute Nacht Ihr Lieben!
Süße Träume
Schönes WE!!!
GLG
V