Moin
weil, man siehts ja bei euch, sogar
depressiv sein darf man nicht einmal, ohne pausenlos Bücher empfohlen zu kriegen, oder Tipps, wie man da wieder raus kommt.
Ich versteh ja, was Du meinst. Trotzdem empfinde ich die Formulierung doch etwas krass

:
Klar "darf" man depressiv sein - wenn das möchte. Nur: Wer
möchte denn schon wirklich gern depressiv sein? Angenehm fühlt sich das nicht an...
Das Blöde an so einer Depression ist doch: Es ist von allem etwas, und von allem nichts ganzes => Man will seine Ruhe, fühlt sich dabei aber auch nicht ganz wohl. Man möchte Medikamente, die die Symptome lindern, aber trotzdem - oder deshalb? - fühlt man sich benebelt. Man möchte eigentlich doch Kontakte und sich nicht isolieren, aber gleichzeitig sehnt man sich nach Ruhe.
Ich glaube seit heute Morgen, daß eine Depression sich vor allem deshalb so heftig anfühlen kann, weil wir Menschen i.d.R. recht absolut wahrnehmen, denken und erzogen werden: Das ist schlimm, das ist gut, usw. Nur darauf nimmt eine Depression keine Rücksicht - auf der einen Seite ist sie das Schlimmste, was zumindest mir bisher widerfahren ist. Auf der anderen Seite aber auch das Schwammigste und am schwersten zu Greifende: Wenn ich meine "depressiv" gelebten Augenblick auf winzigste Momente herunterbreche und betrachte (Mathematiker würde hier von infinitesimal kleinen Abschnitten reden), dann ist es eigentlich gar nicht soo schlimm; dann kann ich jeden einzelnen Moment super aushalten und freue mich und bin dankbar dafür, am Leben zu sein. Aber eine beliebige Summe solch kleiner Momente ist dann schon nicht mehr so "schön".
Ich will einfach darauf hinaus, daß diese ganzen Bücher und Tipps ebenfalls nichts absolutes sind, da ist nicht DER Geheimtipp dabei. Leider. Oder zum Glück?
Aber wir versuchen doch einfach, uns miteinander zu helfen, diese schwierige Phase zu überstehen. Dem einen hilft das, dem anderen jenes; und was früher geholfen hat, kann heute mal nicht funktionieren. Merke ich an mir selbst grad heute wieder :/ - aber dazu evtl. mehr in meinem eigenen Thread, wenn ich die Zeit finde.
Trotzdem denke ich, daß all die Bücher, Tipps oder was auch immer wertvolle Anker sein können in dieser Phase, in der alles aus den Fugen geraten ist. Wir Menschen brauchen Halt, und nicht mehr oder weniger versuchen wir hier, einander zu geben mit den ganzen Empfehlungen. Letzten Endes: Wer "zufrieden" damit wäre, depressiv zu sein, würde sich hier kaum melden, oder?
@Chibi:
Klar sollst und mußt Du hier nicht massiv ins Detail gehen, außer Du wolltest es.
Aber ich finde es positiv, daß Du die diversen potentiellen Ursachen in Deinem Lebenslauf identifizieren und sie hier sogar aussprechen kannst - das dürfte ein wichtiger Schritt zur Bewältigung der Probleme sein. Und das sind definitiv ein paar heftige Brocken! Ich kann jetzt auch besser verstehen, woher Dein pauschal schlechtes Gewissen kommt und der Glaube, an allem Schuld zu sein - kein Wunder... :/ Aber als Außenstehender kann ich Dir da nur sagen: All diese Dinge sind garantiert NICHT Deine Schuld gewesen! 100%ig
nicht!
ch hab es ausgehalten , wie immer !! Warum muss ich immer ALLES aushalten . Das ist Zwang , Druck was auch immer was dahinter steht das ich eben nicht die Flucht ergreife . Nie kann ich flüchten ! Ich bins leid ..
Ich kann verstehen, was Du meinst - ich empfinde das phasenweise genauso. Ich mache mir aber zwei Dinge immer wieder bewußt und hoffe, daß es irgendwann Wirkung zeigt:
1. Welche Alternative gibt es zum "aushalten"...? Wie schon früher mal erläutert, gibt es keine Garantie, daß mit dem Tod alles aus und "besser" ist. Und es gibt dann auch kein Zurück mehr - das ist eine Einbahnstraße, von der keiner genau weiß, wohin sie führt.
2. Ich bemühe mich, die Vokabel "aushalten" immer wieder zu relativieren und ihr den negativen Touch zu nehmen. Ich stelle gerade in den letzten Tagen, in denen es mir wieder etwas weniger gut geht, fest, daß etwas Wahres an den Achtsamkeitsübungen dran ist: Wie oben beschrieben, sind einzelne, kleine Momente für mich sehr gut "auszuhalten"; wenn ich meine Wahrnehmung auf einen einzelnen Sekundenbruchteil beschränke, spüre ich (fast) kein Leid in mir. Es ist das Bewußtsein für die Summe der Sekundenbruchteile, Sekunden, Minuten und Stunden, die bei mir die negativen Gedanken und ängstlichen Gefühle auslöst, das Bewußtsein über das Wissen, was war. Nur bekomme ich diese Lücke aktuell noch nicht richtig geschlossen, sprich die Ruhe und Zufriedenheit des Sekundenbruchteils auf die gesamte Zeit auszudehnen. Ich vermute aber ganz stark, daß hierin einer der wesentlichen Schlüssel verborgen liegt.
Ich weiß aber nicht, ob ich diese Vermutung und Bewußtsein jetzt schon erlangt hätte, wenn ich nicht meine Bücher gelesen, hier aus dem Forum und aus anderen Quellen Tipps erhalten hätte. Früher haben solche Funktionen ältere, "weise" Familienangehörige oder die Religionen übernommen, heutzutage sind in unseren modernen Industriegesellschaften diese Möglichkeiten für viele weggefallen. Bleiben also "nur" Bücher, Foren und Therapeuten.
Summa summarum muß jeder sehen, welches sein persönlicher Weg durch die Depression ist. Aber ich denke, Denkanstöße können nicht schaden, um das blockierende Denken etwas zu ordnen.
Auch Du, Chibi, wirst Deinen Weg finden. Davon bin ich fest überzeugt.
Und ich kann mich Tired nur anschließen: Wäre Dir wirklich schon alles zu 100% absolut wurscht und egal und nicht mehr zum aushalten, wäre Dir nicht daran gelegen, den "Rest" noch zu erledigen.
Halte durch!
