Danke für das Kompliment und Deine Mühe

Aber zum einen gibt's da nicht viel zu bewundern - Du hast ja dann selbst gelesen, wie lange sich das hingezogen hat. Und dann auch noch der Rückfall im Sommer...
Und zum anderen brauchst Du Dir das nicht (nur) zu wünschen, Du kannst das auch!
Ich geb Dir hier mal einen kleinen, typischen Einblick in meine inneren Dialoge zwischen der "hellen" und der "dunklen" Seite der Macht in meinen Gedanken und Gefühlen. Dabei steht "N" für die negativen Gedanken und Gefühle, und "P" für die positiven, mit denen ich versuche gegenzuhalten und umzusteuen.
Situation: Morgens aufstehen, bspw. heute Früh. Wach geworden nach grad mal sechs Stunden Schlaf, Wecker klingelt um sechs. Und...
N: "Ich hab Null Bock aufzustehen. Uäääh... Schon wieder der gleiche Trott... :-/"
P: "Ach, komm, so schlimm ist es nicht."
N: "Doch, ist es. Wünschte, ich könnte noch was länger im Bett liegenbleiben. Überhaupt... so richtig fühl ich mich auch nicht. Scheiß Depression."
P: "Übertreib nicht! Ja, da mag auch die Depression sein. Aber ich bin schlicht müde, weil ich so wenig geschlafen habe."
N: "Ja, selbst Schuld... wäre ich mal gestern Abend früher ins Bett gegangen. Aber ich mußte ja mit aller Gewalt noch Computer daddeln. War doch klar, daß das nicht funktioniert. Und außerdem ist das bestimmt nicht nur Schlafmangel - das ist auch die Depression. Spät ins Bett gehen hat mich doch früher nicht so depimiert."
P: "Quatsch, natürlich funktioniert das. Hat die letzten Male, wenn es mir so ging, auch funktioniert. Ich muß mich nur mal aufraffen aus dem Bett aufzustehen. Und überhaupt war ich auch früher häufig genug groggy. Ja, klar, die Depri wirkt da sicher noch als Katalysator. Deswegen sollte ich ja eigentlich auch früher ins Bett gehen. Aber eigentlich geht es mir ganz gut, und so schlimm ist es wirklich nicht. Das ist hauptsächlich jetzt beim Aufwachen die Restmüdigkeit."
N: "Hab aber keinen Bock. Ich bleib liegen. Wenn ich aufstehe... erstmal Tabletten nehmen, Kaffee kochen, duschen, anziehen, Sohnemann fertigmachen... Und knapp wird's auch noch - eigentlich müßte ich schon seit ner halben Stunde auf sein. Kann ich eigentlich auch gleich liegenbleiben."
P: "Joo, was es aber nicht besser macht. Los, raus jetzt!"
N: "Puuuuh uäääh neeeh."
P: "Doch, ich stehe jetzt auf, das geht, das schaffe ich. Langsam und in Ruhe." => Ich schlage endlich die Bettdecke zur Seite.
P: "So, und jetzt aufstehen - ohne die Decke ist es eh nicht mehr so gemütlich."
N: "Jepp, aber ich könnt mir die Decke ja auch einfach wieder schnappen." => Ich zögere, will mich wieder zudecken.
P: "So, Schluß jetzt, raus!!" => Ich schwinge mich endlich auf und bemühe mich sogar um ein Lächeln dabei.
P: "Und jetzt geh ich erstmal in Ruhe die Treppe runter und nehme meine Medikamente. Alles halb so wild. Und wenn ich erstmal einen Kaffee getrunken und etwas gefrühstückt habe, geht es mir erfahrungsgemäß auch schon etwas besser. Das wird ein guter Tag. Das wird ein schöner Tag. Das wird ein erfolgreicher Tag! Auf!" => Und dann geht's wirklich langsam los.
Ich erspare Dir den Rest - Fakt ist nur, daß mein N-Stimmchen natürlich auch danach noch nicht immer gleich still ist. Es muckt immer wieder auf, versucht mich in den Depri-Sog, in dem einem alles egal ist, zu ziehen. Aber ich halte mit meiner käftigen P-Stimme permanent dagegen. Solange, bis die N-Stimme immer leiser wird und sich irgendwann dann endlich mal (zeitweise) zurückzieht. Sie kommt natürlich bei einer anderen Gelegenheit zurück - 5 Minuten, 2 Stunden, einen halben Tag später... so what - ich weiß mittlerweile, daß sie auch wieder geht
Das hört sich jetzt alles vielleicht ein wenig nach innerem Kampf an. Und anfangs ist es das sicher auch - in meiner Klinikzeit und vor allem im vergangenen November hat das kaum angeschlagen. Aber mit der Zeit bekommt man darin Übung und schafft es, der N-Stimme klarzumachen, wer hier "Herr" bzw. Frau im eigenen Kopf ist!
Und das schaffst Du auch! Du mußt Deinen negativen Stimmen "nur" (das soll keine Untertreibung sein) mal so richtig die Meinung geigen und sie wegdrängeln - das geht. Bring sie zum Verstummen, indem Du sie mit sehr bestimmten, entschiedenen P-Argumenten in ihre Schranken weist.
Ich kann Deinen Wunsch absolut verstehen, die Gedanken sofort loswerden zu wollen. Geht mir heute noch so, daß ich mir häufig genug wünsche, das ganze Depri-Gedöns ginge von heute auf morgen komplett weg als wäre nie was gewesen.
Ich hab aber mittlerweile zweierlei begriffen:
1. Das wird (leider) nicht passieren... :/
2. Das ist aber auch nicht nötig, weil es mit der Zeit passiert, je besser ich lerne, mit der Situation umzugehen und gegenzuhalten.
Ich kann mich da nur nochmal wiederholen: Die ersten Tage und 1-2 Wochen sind da anstrengend. Aber es geht, und es geht mit jedem Tag leichter.
Chibi, FANG AN!
Schreib doch für's erste Mal nur einen positiv formulierten Satz auf. Einen. Sie es als Lernaufgabe, wie das Fahrrad oder Auto fahren lernen. Als Teil der Therapie, um da rauszukommen. Es geht nicht darum, daß Du mit einem oder zwei Sätzen ratz-fatz ne 180°-Wendung machst und ein neuer, fröhlicher Mensch wirst - obwohl ich es Dir wünschen würde. Es geht darum, daß Du mal wieder ein Gefühl dafür bekommst, etwas positiv auszudrücken! Und das kannst Du!
Ein positiver Satz, Chibi, nur ein einziger. Am besten etwas relativ banales wie bspw. über das schöne Wetter oder auch die Tatsache, daß Du am Leben bist! Und dann lasse diesen Satz mal auf Dich wirken. Scheuche negative Gedanken, die da hochkommen, um Dich zu quälen und vom Pfad abzubringen, weg. Ähnlich, wie ich es oben beschrieben habe. Das geht! Sie haben kein Recht, über Dich und Dein Leben derart zu bestimmen. Mach Dir und ihnen das klar, hau sie weg, gib ihnen was auf die Schnauze! DU hast das sagen!
Und Du bestimmst, was Du langfristig denken und sagen und machen möchtest.
Also: Fang mit einem einzigen positiven Satz an!

In aller Ruhe.
