Liebe Kim,
danke für deine Worte!
Zeit ist wirklich relativ, wenn man sich solche Beziehungsentwicklungen ansieht (auch die Beziehung zu sich selbst). Ich hab eine liebe Freundin, die hatte eine ca. 1.5 Jahre dauernde Beziehung mit einem Mann, der sie dann aufs Bösartigste zu stalken begann. Sie hat sich tapfer gewehrt, hat sogar eine Petition zur Revision und Verschärfung des "Stalking-Gesetzes" eingereicht und war damit erfolgreich. Inzwischen hat sie eine Selbsthilfegruppe gegründet. Sie hat mit dem Typen vor über 7 Jahren Schluss gemacht, er hat sie etwa ein dreiviertel Jahr gestalkt und sie hatte seitdem keine Beziehung mehr, nicht mal einen richtigen Flirt. Sie hat eine tief verwurzelte Angst und Abscheu vor Männern entwickelt, die sie nicht mal in einer Therapie aufarbeiten konnte bisher. Sie spricht auch nicht drüber. Ihrer Selbsthilfegruppe und den Problemen ihrer Familienmitglieder widmet sie ihre ganze Empathie und Energie. Ich würde nie sagen, Frauen brauchen Männer zu ihrem Glück, aber ich kenne meine Freundin und weiß, dass sie eigentlich nicht gern eine liebevolle Beziehung hätte. So halb im Scherz kommen manchmal Sprüche von ihr darüber, wie lange sie schon keinen Sex mehr hatte, sie erinnere sich gar nicht mehr.
Ich war mit A. niemals wirklich "zusammen", wenn man von der kurzen gemeinsamen Zeit an der Uni mal absieht. Wie lange wird das wohl dauern, die Sache mit ihm aufzuarbeiten?
Er hat sich heute wieder gemeldet per chat. "Ich hoffe, du hattest schöne Ostertage bisher?!" und "Du bist und bleibst mein Leben" sowie ein paar rosa Herzchen. Auf eine Antwort meinerseits hat er gar nicht erst gewartet, ist direkt wieder abgetaucht.
Stimmt schon, dass die Begegnungen mit anderen Männern für mich sinnvolle Erfahrungen bieten.
Ich sag mal, mein Forschungsgegenstand ist der männliche Mensch im sexuellen bzw. Beziehungs-Kontext. Ich beobachte das Verhalten meines FG im Kontakt mit mir und mein Verhalten im Kontakt mit dem FG. Sicherlich lerne ich das ein oder andere über männliche Sexualität, aber ob die Kontakte mir helfen, A. zu verstehen, da bin ich mir nicht sicher. Der ist so schräg, da kommt keiner mit ;o)
Du hast recht, Geduld ist absolut nicht meine Stärke. Ich hab den Eindruck, ich stagniere bei allem, was ich tue. Der Kontakt mit Freunden, mit Kommilitonen fast ausschließlich über technische Medien ist so künstlich, manchmal bekomm ich Panik und denke, ich habe gar kein richtiges Netzwerk. (Dabei hab ich einen kleinen Journalistenjob gelandet über meinen Uni-email-Verteiler... also stimmt das auch nur teilweise. Und dieser Job gibt mir eigentlich gute Chancen zur weiteren Vernetzung!)
Natürlich nervt es auch, dass ich seit 3 Wochen auf einen Prüfungstermin warte.
Dieser Eindruck von Stillstand hat viel mit der physischen Isolation durch die Pandemie-Restriktionen zu tun. Ich sehe ja fast nur noch V. (abgesehen von den Männern, die sich zu realen Dates hintrauen, und einigen der Künstler:innen, die ich interviewe...ab und zu meine Freundin zum Lernen und gelegentlich meine andere Freundin zum Hundespaziergang... ähm... ;o)).
Ich wünsche mir oft, einfach ausziehen, einfach gehen zu können, ohne Haushalt und Ehe mit V. abwickeln zu müssen. (Ich könnte das auch tun, aber es wäre so krass unfair ggü V., ich glaube, das würde er mir nicht verzeihen.)
Stimmt, mir geht's nicht schnell genug. Wenn ich endlich entschieden habe, was ich will, dann will ich es sofort. Das war/ist in Bezug auf A. auch nicht anders. Und er konnte noch nie mit meinem Tempo mit... wenn ich dran denke, wie lange er gebraucht hat den Mut zu sammeln, mich privat außerhalb des Uni-Kontexts zu kontaktieren! Fast 3 Monate! Während ich SOFORT wußte, dass ich ihn will und höchstwahrscheinlich nehmen würde, böte er sich an (trotz der Tatsache, dass ich verheiratet war/bin, trotz der Tatsache, dass mir meine Ehe eigentlich noch sehr wichtig war zu dem Zeitpunkt!). Denn er gefiel mir von Anfang an sehr. Ich hab ihn im Seminar bei jeder Gelegenheit beobachtet, unauffällig natürlich ;o) Später hab ich auch leichte Flirtversuche unternommen, die er sehr schüchtern erwidert hat, aber er blieb zunächst weiterhin unverbindlich. (Ich ließ einen Stuhl neben mir frei, und er setzte sich dann immer zu mir - aber wenn ich ihn bei kleinen lebhaften Diskussionen wie zufällig mal berührte, erwiderte er diese Berührungen nie.) Dann wurde er Teil meiner Referatsgruppe, und so haben wir Telefonnummern ausgetauscht. Das hat er aber nie für Privates genutzt. Ich dachte mir, ok, er will vielleicht nichts von mir, auch gut (besser so...), und hab wieder in den Arbeitsmodus gewechselt. Dabei wollte er, aber hat sich halt nicht getraut. Ich denke, er will immer noch. Aber WTH... Wir sind keine Teenager mehr. Wo ich zu schnell bin, ist er zu langsam... finde ich! Will er warten, bis wir beide Rentner sind, bevor er mal ernsthaft "aktiv" wird?
Gut, dass ich so viel zu tun habe...
So, das war jetzt auch der reine Eskapismus. Bei mir ist heute irgendwie die Luft wieder raus nach einer nervigen Diskussion mit V. Es ging um Pandemie-Politik, hier und im Ausland - ich mag seine mMn dystopisch-paranoide Einstellung nicht, das zieht einen nur runter und bringt keinerlei Nutzen noch Erkenntnis. Und ich mag's auch nicht, wenn er mir erklärt, wie er zum "Pariah" wird wg. seiner politischen Haltung - denn genau so forciert er das auch tatsächlich noch. Ich kann's schon nicht mehr hören! (Anderes Publikum als mich hat er nicht.) Ich glaube, da steckt mehr dahinter, wenn er so mit mir redet, irgendwelche Ängste seinerseits kommen da ans Licht, und das fühlt sich wirklich sehr übel an und macht mich fertig. Damit kann ich mich (jetzt) gar nicht auseinandersetzen, schon wegen der Prüfung nicht. Ich kann ihn auch nicht aufheitern mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich ihn ja verlassen will. Ich hab auch keine Lust, sowas wie "Wir 2 gegen den Rest der Welt (und dann gegeneinander...)" zu simulieren. Ok, kein Wunder, dass mir übel ist, es sind nicht nur die Schoko-Ostereier...
Das ist halt Pandemie-Stress. Man hockt 24/7 aufeinander in der gleichen Wohnung, Sport wie gewohnt zum Abreagieren ist nicht möglich, Ablenkung = 0.
Schluss jetzt mit dem Roman... ich geh noch ne kurze Runde spazieren, bevor die Nacht hereinbricht...
Schönen Abend!
GLG, V