Moin Naturefreak,
ich kann Tired da nur 100% zustimmen, ebenso wie auch Deiner Therapeutin:
Du hast ein echtes Problem damit, die Sache zu akzeptieren.
Da spielt in Deinem Fall natürlich vor allem auch die Selbständigkeit mit den Existenzängsten mit rein, wie Du selbst sagst.
Was Du dabei aber übersiehst, ist, daß Du Dir damit eine Endlosschleife kreierst, aus der Du nicht rauskommst.
Weiterhin - das schoß mir die Tage schonmal durch den Kopf, und daß Du es jetzt selbst wieder schreibst, paßt ganz gut:
Was auch noch reinspielt ist dann auch die Wut und Verzweiflung 8x abgesetzt zu haben und es einfach nicht auf die Reihe zu bringen endlich einmal die Tabletten hinter mir zu lassen.
8x !!
Du hast es im Laufe der letzten 16!! Jahre acht mal versucht - und es hat 8x nicht geklappt!
Weißt Du, was Wahnsinn ist?

=> Wenn man immer wieder das gleiche versucht, scheitert, und beim nächsten Mal trotzdem auf ein anderes Ergebnis hofft.
Damit will ich nicht sagen, daß Du wahnsinnig wärst, um Himmels Willen

- ich hoffe, Du verstehst da etwas Spaß
Aber ganz im Ernst:
HÖR AUF MIT DEM SCHEIß!!
DU BRAUCHST DAS ANTIDEPRESSIVUM!
Punkt.
Du
wirst da nicht mehr von wegkommen - genauso wenig wie ein Diabetiker vom Insulin oder ein Herzkranker von seinen Betablockern, ein schwerst Rheumatiker von seinen Schmerzmitteln...
Und je mehr Du Dich dagegen wehrst - je weniger Du akzeptierst, einmal am Tag diese blöde kleine Tablette zu schlucken - umso schlimmer wird es!
Was nicht heißen sollst, daß Du zur Untätigkeit verdammt wärst!
Aber auch hier kann ich mich nur wiederholen:
Such Dir einen zweiten Psychiater, schildere ihm Deine Probleme mit der Gewichtszunahme beim Cita und hol Dir ne Zweitmeinung bzgl. eines möglichen Medikamentenwechsels! Es muß doch auch nicht Fluoxetin sein - da wären noch Sertralin (ebenfalls 2./3. Generation), Fluvoxamin, Paroxetin, u.a.
Als ich mir 2015 einen anderen Psychiater für ne Zweitmeinung suchen wollte, meinte einer, er hielte Sertralin in meinem Fall für geeigneter statt Fluoxetin (wurde dann aber nix, weil er keine neuen Patienten mehr aufgenommen hat; war nur das erste Sondierungsgespräch).
=> Keine Therapie ist in Stein gemeißelt!
Und nochmal:
Ich kann Deine Verzweiflung absolut verstehen! 100%. Noch dazu, weil Du auch noch länger damit rummachst als ich. Natürlich macht einen das kirre.
Aber der Kniff besteht eben wirklich darin, das Katastrophendenken durch konstruktivere und positivere Formen des Denkens und des Umgangs damit auszutricksen, zu überschreiben, beiseite zu schieben etc. pp.
Das erreichst Du zum einen durch Akzeptanz als ganzes. Zum anderen aber auch durch einen für Dich geeigneten Perspektivenwechsel, der Dich dann bei der Akzeptanz auch unterstützt!
wenns mir richtig schlecht geht, dann ziehe ich mir Videos rein über erfolgreich überwundene Depressionen und Dokus darüber. Aber es hilft mir nicht, weil ich vermutlich den einfachen/raschen Weg erhoffe den es (anscheinend) nicht gibt.
Das hilft bei mir auch nicht (mehr). Ganz im Gegenteil kann Dich das sogar zusätzlich runterziehen, wenn Du liest, daß andere es schaffen und Du immer wieder daran scheiterst.
Nein.
Die Lösung
für mich bestand / besteht darin, mir Beispiele von Menschen zu suchen, die
TROTZ und
MIT Depressionen und Angststörungen jahrzehntelang leben gelernt haben, teils bis ins hohe Alter hinein, und das auch noch mehr oder minder erfolgreich.
Mit die prominentesten Beispiele, die mir da spontan immer wieder einfallen, sind Winston Churchill und Abraham Lincoln, sogar Konrad Adenauer und u.U. sogar Willy Brandt (bei letzterem gibt es verschiedene Ansichten): Alle mehr oder weniger (schwerst) depressiv; Winston Churchill soll sogar regelmäßig in Staatsmeetings in Tränen ausgebrochen sein; und trotzdem hatten sie alle mit die höchsten Führungspositionen inne und sind "damit" alt geworden (jetzt mal abgesehen von Lincoln, der erschossen wurde - aber immerhin war er da auch schon 56).
Audrey Hepburn ist damit 64 geworden, Marc Twain 75, Picasso 92 !!
Und ja: Sie alle hatten zwischendurch "rezidivierende", wiederkehrende heftige Phasen. Vor allem Churchill und Picasso.
Aber jetzt überleg mal, daß es zu deren Lebzeiten die Antidepressiva, die wir haben, teilweise noch gar nicht gab bzw. maximal erste Frühversionen davon, die lange nicht die heutige Wirksamkeit haben.
=> Und diese Menschen waren TROTZDEM erfolgreich!
Ja, natürlich gibt es auch die Menschen und Persönlichkeiten, die es nicht packen und am Ende sogar Selbstmord begehen. Richtig.
Und natürlich gibt es eben auch die Menschen, die ihre Depris komplett überwinden konnten und praktisch wieder vollständig genesen sind. Auch richtig.
Aber beides hilft uns nicht weiter!
=>
Ich habe gelernt, mir die Vorbilder zu suchen und denen nachzueifern, die meine Erfahrungen im weitesten Sinne teilen. Die, die es auch nie komplett losgeworden sind, aber gelernt haben, damit zu leben. Mal besser, mal schlechter - aber im Ganzen gut.
=> Nach 16 Jahren und 8 erfolglosen Absetzversuchen bringt es Dir absolut nichts, noch falschen Luftschlössern hinterherzujagen!
=> Beschäftige Dich mit Churchill. Mit Adenauer. Mit Picasso. Van Gogh. Goethe. Und wen es sonst noch so erwischt hat und der damit leben gelernt hat. Das ist positiver Input, der besser mit Deinen realen Erfahrungen übereinander paßt und Dich nicht deprimiert. Dazu kannst Du auf jeden Fall sehr viel leichter sagen "Ja, wenn die das alles geschafft haben, dann schaffe ich das auch - erst recht MIT Medikament!"
Eine weitere, mögliche Sichtweise ist - hab ich glaube ich auch schon mehrfach geschrieben -, diese Form der leichten und mittelgradigen Depressionen und Angststörungen eben weniger als besorgniserregende, chronische Krankheit zu sehen, sondern eben eher als eine natürliche und normale Schutzreaktion der Psyche als Antwort auf unsere modernen, stressigen Zeiten.
=> Du bist
NICHT krank im eigentlichen Sinne!!
Genausowenig wie ich.
=> Wir sind schlichtweg überfordert von der Komplexität des modernen Lebens, an das sich die Evolution des menschlichen Körpers und der Psyche zwangsläufig in der kurzen Zeit von ein paar Hundert Jahren (geschweige denn den letzten 30-50) zwangsläufig noch nicht anpassen konnte! Ein Schicksal, das wir mit immer mehr Menschen in unserer Zivilisation teilen - und es werden in den nächsten 20-50 Jahren weiterhin eher noch massiv mehr denn weniger.
Wenn man es denn als "Krankheit" bezeichnen möchte, dann noch am ehesten als "Zivilisationskrankheit", ähnlich wie Rückenschmerzen durch sitzende Tätigkeiten oder Gastritis durch Streß und zu schweres, fettiges Essen, etc. pp.
Aber am langen Ende werden Depressionen und Angststörungen (in der Masse heutzutage) nicht durch Viren, Bakterien oder Gendefekte ausgelöst, sondern sind eine Schutzreaktion infolge von zuviel Aufregung, Streß, schlechten Nachrichten, Zukunftsängsten - und durch zu wenig Ruhe, Entspannung und positive Nachrichten.
Du solltest umdenken!
Du läufst immer wieder in die gleichen, falschen Sackgassen, mit vollem Anlauf und "Begeisterung"

Erklärlich, weil Dein Gehirn und Dein Denken es in den letzten 16 Jahren so gelernt haben - der Weg ist eingefahren, sechsspurige Autobahn, geht schnell und einfach, wie von selbst.
Bringt Dich aber nicht weiter.
=> Du kommst nicht drum herum, Dir mit der Machete und unter Zuhilfenahme anderer Werkzeuge (eben bspw. des Medikaments) eine Schneise in den Dschungel neben der Autobahn zu schlagen und neue Wege des Umgangs zu suchen und zu finden.
Und das schaffst Du!
Das weiß ich, weil es endlose Menschen vor Dir und mir auch schon geschafft haben - siehe die genannten Beispiele oben. Und die hingen teilweise noch viel schlimmer drin und hatten eben keine Medikamente zur Verfügung => dann schaffst Du das auf einem etwas erträglicheren Level und mit SSRI locker auf jeden Fall, mit der Zeit. Also nicht heute, nicht morgen, nicht nächste Woche - aber jeden Tag ein kleines Stückchen mehr. Bis Du in zwei drei Monaten erste Fortschritte bemerkst und in einem halben Jahr schon ein ganz anderes Denken und einen anderen Umgang mit dem Thema entwickelt hast
DAS SCHAFFST DU!
Hab ich auch geschafft (bzw. bin noch dabei - aber hab eben da auch schon viel erreicht).
Und nochmal: Natürlich ist meine Situation als Angestellter nicht komplett mit Deiner als Selbständiger vergleichbar, absolut.
Aber deswegen eben auch: Such Dir im Netz Beispiele von Menschen, die eher zu Deiner Situation passen, und lies Dir durch, was die gemacht haben, wie die es hinbekommen haben, ihr Leben trotz Depressionen und Angststörungen einigermaßen zu wuppen. Und diese Beispiele gibt es.
Das wird Dir sehr viel mehr helfen als die Geschichten von halb-esoterischen Selbstverwirklichern/innen, die ihren Partner verlassen und den Job hingeschmissen haben, um auf einem Bio-Bauernhof in einer Kommune glücklich zu werden... womit ich solche Menschen nicht beleidigen oder ihre Erfahrungen schlechtreden möchte - ganz im Gegenteil: Hut ab, wer das möchte und das dann durchzieht und hinbekommt! Ernsthaft!
Aber das ist nicht
mein Weg - also nutzt es mir mittlerweile auch absolut nix mehr, mir solche Beispiele durchzulesen - das macht mich mittlerweile eher aggressiv, wenn Du verstehst, was ich meine
So, soll für den Moment erstmal wieder reichen - schon wieder ne gaaaanze Menge Text
Ich hoffe, es ist was dabei für Dich, was Dir weiterhilft.
GLG, Alex