Re: Pflegeheime und Demenz - Erfahrungen
Liebe Forumsmitglieder,
nachdem es mir wieder etwas besser geht, will ich kurz über das Gespräch und die jüngsten Ereignisse berichten.
Beim Gespräch anwesend waren von Trägerseite der Geschäftsführer Deutschland, die Qualitätsbeauftragte H. und T., die Heimleitung, ein von mir alarmierter Kommunalpolitiker, eine weitere betroffene Angehörige, mein Sohn und ich.
Nachdem ich all die bitteren Erfahrungen und Mängel der letzten Monate vorgetragen hatte, schloss sich auch die andere Betroffene an. Es folgte eine angedeutete Entschuldigung seitens der Geschäftsführung mit Hinweis darauf, dass viele Mängel an der Aufbauphase (inzwischen 7 Monate)lägen und es bei meinem Vater in der Tat zu einer unglücklichen Ansammlung von Missgeschicken gekommen sei. Dies wolle man nun aber verbessern und meinen Vater besonders im Auge behalten. Die Qualitätsbeauftragte griff mich wegen der Email an meine Gemeinde ziemlich massiv an, sprach von Rufschädigung und möglichen Konsequenzen, verteidigte ihr Konzept und konnte sich nicht vorstellen, dass meine Schilderungen der Wahrheit entsprächen. Mein Eindruck war, dass sie selbst zwar sehr engagiert schien, aber zu oft und zu weit von der Praxis entfernt ist. Sie deutete immer wieder an, dass man mit dem Vertrauensverlust, der offenbar bei mir vorliege, nur noch schwer zusammen arbeiten könne...
Die Heimleitung verhielt sich eher still, warf nur hin und wieder eine wenig relevante Bemerkung ein. Der Politiker verhielt sich vermittelnd neutral, er hatte aber die Plattform zu diesem Gespräch geboten, was ich ihm hoch anrechne.
Die Runde ließ sich dann noch auf die von mir vorbereiteten Fragen zur Zukunft der Versorgung in dem Haus ein (Ich hatte jedem ein Arbeitspapier mit den Fragen vorbereitet) und hier ergaben sich durchaus gemeinsame Vorstellungen und es zeigten sich auch viele Berührungpunkte zwischen mir und der Qual.Beautragt., die mich vorher noch unsanft angegangen hatte.
Das Gespräch dauerte fast 4 Stunden und verlief insgesamt fair und friedlich.
In der Woche davor war auch ein Herr von der Heimaufsicht bei meinem Vater, allerdings auf Voranmeldung und wie mir von einer anwesenden Bekannten gesagt wurde, war mein Vater nie netter, sauberer, ansprechender zurecht gemacht, als an diesem Vormittag...dazu brauche ich sicher nichts zu kommentieren.
Trotzdem setzte ich Hoffnungen auf unser Gespräch und dachte, dass zumindest in den nächsten Wochen Ruhe herrschen würde...
Irrtum.
Als ich Vater gestern aufsuchte, war er wieder völlig am Ende, konnte nicht laufen (4 Tage vorher war noch alles o.k.!!!),war unfähig ein Glas zu halten und zum Mund zu führen, konnte nicht selbständig essen, brabbelte nur Unverständliches, selbst gerade sitzen war nicht drin, er kippte immer wieder um.
Mein Sohn und ich waren entsetzt. Inzwischen klüger geworden, hielten wir den Zustand diesmal bildlich fest. Ich fragte höflich, wo man die Ursachen für diese erneute Verschlechterung sähe (wie gesagt, 4 Tage vorher ging noch alles - Vater fand sogar in einem mitgebrachten Text mehrere Rechtschreibfehler und machte mich darauf aufmerksam!)und ob irgendetwas Besonderes vorgefallen sei. Das Personal gab sich hilflos und meinte, dies sei wohl krankheitsbedingt, sie könnten es sich auch nicht erklären...
Also tat ich wieder meinen Job - fütterte, flößte Tee,Wasser, Saft ein, massierte und redete bis ich Vater endlich soweit hatte (nach Stunden), dass wir ein paar Schritte zu dritt zur Terrasse gehen konnten - ein bisschen frische Luft, die ersten zusammenhängenden Sätze an diesem Tag, ganz langsam lüftete sich der Schleier.
Ich blieb auch noch zum Abendbrot, fütterte Vater wieder und man reichte mir die abendlichen Tabletten...tja, und da stellte ich fest, dass das entscheidende Medikament, das Antidementivum Exelon, nicht dabei war!!! Ich fragte sofort nach - Überraschung seitens des Personals, leichte Unruhe, Kruschpeln in den Unterlagen...hm..hm..
Offenbar waren die Medikamente für die gesamte Woche falsch zusammengestellt worden und keiner hatte es bemerkt. Vater hat sein wichtigstes Medikament über Tage nicht erhalten. Von Exelon ist bekannt, dass man es überhaupt nicht einfach absetzen darf, wenn überhaupt, muss es ausgeschlichen werden...des weiteren stellte sich heraus, dass Vater auch morgens seine Medikamente n i c h t bekommen hatte, weil er sie wieder ausgespuckt habe und man nicht gewusst habe, wie man sie ihm denn verabreichen könne...no comment!
Ich gab meinem Vater dann die Medikamente selbst, es erforderte Geduld, aber es war möglich. Einen Teil kann man sogar in Flüssigkeit auflösen.
Da war nun die Erklärung für die massive Verschlechterung seines Zustandes, aber es kam noch nicht mal eine Entschuldigung.
Wenig später fand ich dann in seinem (sehr schmuddeligen) Zimmer eine Stofftasche mit einem geöffneten und ausgelaufenen Fresubinpäckchen...es war abgesprochen, dass Vater wegen seines Untergewichtes täglich ein solches kontrolliert bekommt, also im Glas/Tasse serviert und unter Beisein eines Pflegers o.ä.
Bezahlt habe ich die 60 Päckchen, wer das Mittel kennt, weiß, es ist kostspielig. Wenn die Dinge dann so laufen, wie beschrieben, kostet es fast unmenschliche Kraft - nach allem was voraus gegangen ist - ruhig zu bleiben.
Ich heulte erst auf der Heimfahrt im Auto.
Ich bin seit 10 Tagen im Gespräch mit einer WG in einer nahen Kleinstadt und hoffe - auch wenn die Räumlichkeiten gewisse Mängel haben und auch wenn die Kosten etwas höher liegen - dass ich Anfang kommender Woche eine Zusage für Vater bekomme.
Dort, wo er ist,kann er nicht bleiben. Das wurde mir gestern nochmals drastisch klar. Es wird sich nichts ändern in diesem Haus, noch nicht einmal Grundpflege und Grundversorgung funktionieren, von den Bedürfnissen eines Demenzpatienten ganz zu schweigen.
Haltet mir die Daumen, dass ich eine Zusage bekomme und dass ich meine Restkräfte nochmal mobilisieren kann und das durchziehe und vor allem - dass es für Vater nochmal ein wenig besser wird.
Euch allen einen lieben Gruß
Leona