Hallo Dirk
Erstmal willkommen hier im Forum zum Thema Partnerschaft. Schön dass Du dich äußerst und deine Meinung und Sicht aufzeigst, Mit Interesse habe ich deine Links gelesen.
Allerdings habe ich eine in manchen Punkten etwas andere Sicht der Dinge......ich will mal versuchen, die Unterschiede zu erklären.
Den Inhalt der beiden Links erklärt die Welt der Partnerschaft ungefähr so: dass es Probleme gibt ist normal. Auch dass die Sexfrequenz und Leidenschaft nachlässt......aber dann müssen sich beide Partner redlich bemühen, an der Partnerschaft arbeiten, viel kommunizieren und dann wird das wieder......dann kommt Sex und Leidenschaft im "gewünschten Maße" zurück (was auch immer gewünscht ist?) ..... die "Weltsicht" in beiden links ist aus meiner Sicht das AMEFI-Prinzip - Alles Mit Einem/r Für Immer - das zu erstrebende Ideal.
Ich persönlich denke, dass dieses AMEFI-Prinzip als romantisch-verklärte Ideal-Vorstellung einer Partnerschaft immens das Denken unserer Gesellschaft prägt und jedwede Abweichung als ein "Versagen" eingestuft wird. Gleichzeitig denke ich, dass dieses romantisch verklärte Bild sehr viele Partnerschaften überfordert !!! Und dann werden gut laufende LEBENS-Partnerschaften aufgegeben/über Bord geworfen, "nur" weil man feststellt, dass vielleicht der Sex nicht mehr funktioniert, weil sich dort die Bedürfnisse auseinander entwickelt haben......
Ich persönlich halte es für legitim, dass ein Partner sagt, er hat einfach keine Lust mehr......warum muss er/sie an sich arbeiten und die Libido aufmotzen mit Gedankenspielchen, konkreten Rollenspielen, erotischen Gesprächen, Arbeit an der Partnerschaft, aphrosierender Ernährung oder vielleicht sogar noch medikamentös ??? Ist "einfach keine Lust haben pathologisch ???
Was ich in den Links lese deutet auf diese Sicht hin....."keine Lust haben" ist pathologisch und der meiste Inhalt beschäftigt sich mit Möglichkeiten dagegen "zu arbeiten",
Grundsätzlich finde ich es ja auch gut, wenn die Partner gegenseitig versuchen, sich gute Partner zu sein und dafür auch Zeit und etwas Mühe investieren. Aber genauso halte ich es für wichtig, dass ein Partner sagen darf keine Lust zu haben, OHNE dass das pathologisch eingestuft und damit eine gewisse Verpflichtung zur "Gegenarbeit" aufgebaut wird. Und dieses Verständnis vermisse ich in den Ausführungen der links. Warum fehlt das dort??
Gibt man dem Denken Raum, dass dieses "keine Lust haben" bei einem Partner legitim ist und keine Verpflichtung existiert, auf einen wie auch immer gearteten "gemeinsamen Nenner" zu kommen, dann hat das natürlich eine Konsequenz. Nämlich dass Partner unterschiedliche BEDÜRFNISSE (auch sexuelle) haben dürfen. Und wenn diese Bedürfnisse sehr unterschiedlich sind, dann können sich sich auch als Gegensätze gegenüber stehen.
Im AMEFI-Weltbild hat diese Partnerschaft dann keine mögliche Zukunft mehr......wenn es mit dem Partner nicht geht, weil die Bedürfnisse gegeneinander stehen UND auch ein paartherapeutisches Arbeiten zu keinem gemeinsamen Nenner führt - dann muss in letzter Konsequenz der AMEFI-Partner ausgetauscht werden und es folgt ein neuer Versuch.......
Ich persönlich halte Diskrepanzen bei den sexuellen Bedürfnissen in vielen Partnerschaften für eher die Regel als die Ausnahme. Es gibt in unserer Gesellschaft kaum Vorbehalte, bei Diskrepanzen in anderen Bereichen von Bedürfnissen, diese dann halt nicht mit AMEFI auszuleben - wenn ein Partner gerne Bergsport macht, der andere mit Bergen aber rein gar nichts anfangen kann, dann macht man halt seine Bergwoche mit Freunden und der Partner fährt inzwischen auf Wellness...... alles natürlich im partnerschaftlich abgesprochenem Rahmen - aber eben nicht AMEFI.
Wenn jetzt aber im sexuellen Bereich so gegeneinander stehende Bedürfnisse vorhanden sind oder sich vielleicht noch häufiger entwickeln.....dann darf bei der Lösung nicht an AMEFI gerüttelt werden......
Die Frage von Mela im ersten Beitrag - . Aber liegt es wirklich an verminderter Libido oder ist mein Verhalten trotzdem noch normal? - deutet genau solche Diskrepanzen an. Bin ich noch normal?? Da steckt doch die Frage dahinter "darf ich so sein wie ich bin - auch wenn mein Mann ganz anders ist"???
Und da will ich die Antwort geben: JA - in jedem Fall darfst Du so sein wie Du bist, liebe Mela.Selbstverständlich darfst Du deinen MAnn und Partner BESCHENKEN, in dem Du vielleicht doch das ein oder andere Mal mitmachst, auch wenn Du gerade keine große Lust hast.....oder du kannst ihn beschenken indem Du Tipps aufnimmst und versuchst etwas mehr Lust auf sexuelle Interaktion zu bekommen......ABER das ist Geschenk von dir. Und zu einem Geschenk kann man nicht verpflichtet sein.....Geschenk und Verpflichtung schließen sich per se aus,,,,,,, und sexuelle Interaktion sollte in meiner Sicht immer Geschenk sein !!! Wird sie "eingefordert" ist es eine Form von Gewalt. ....und gewaltsame sexuelle Interaktion lehne ich sowas von ab !!! Sexuelles Wohlbefinden kann ich also meinem Partner schenken - wenn unsere Bedürfnisse aber soweit auseinander gehen, dass ich es eben nicht schenken kann, dann ich bin aber eben nicht dazu verpflichtet.
Wenn ich da in meinem Weltbild weiterdenke, dann ist auch "sexuelle Exklusivität" (wie in AMEFI) eine Form von sexueller Interaktion und damit ein Geschenk. Die Partner KÖNNEN sich sexuelle Exklusivität gegenseitig schenken - sie sind aber grundsätzlich nicht "dazu verpflichtet".
Ich habe festgestellt, dass eine LEBENSPARTNERSCHAFT tiefer und entspannter werden kann, wenn man diesen AMEFI-Zwang ablegen kann. Lebenspartnerschaft ist soviel mehr als Sex. Und sexuelles Wohlbefinden ist trotzdem immens wichtig - für BEIDE...auch für den Partner ohne Lust, der sein Wohlbefinden halt aus "no sex" zieht.......
Grüße vom gucki