"dass die psychiatrische Facharztausbildung nicht einmal im Entferntesten die Kompetenzen vermittelt"
Da haben Sie völlig recht.
Ich habe gelegentlich in Fachartprüfungen eine sexualmedizinische Frage gestellt, die meistens recht unzulänglich beantwortet wurde. Aber besonders ärgerlich waren die Reaktionen der Mitprüfer aus dem Uni-Bereich, die allein schon die Frage als "unangemessen" und das Wissen dazu als "nicht notwendig" ansahen.
Ich habe mich seit über 20 Jahren mit der Sexualmedizin als Wissenschaftsfach beschäftigt, muss aber feststellen, dass einige Kollegen sich immer noch auf dem Stand von Masters und Johnson befinden.
Die Frage ist aber, wie sich das ändern lässt...
Das lässt sich in meinen Augen überhaupt nicht ändern. Die Ursache dafür liegt meiner Meinung nach in Struktur der modernen Medizin selbst. Wenn man mal ehrlich ist, dann ist Medizin doch nichts anderes als angewandte Physiologie.
Die medizinische Ausbildung besteht doch, wenn wir mal ehrlich sind, hauptsächlich aus dem Auswendiglernen und Anwenden von Algorithmen (Symptom A + Wert B = Diagnose C wird behandelt durch Therapie D). Die gesamte Medizin steht unter dem Dogma, dass nur solche Methoden angewendet werden sollen, deren Wirksamkeit "nachgewiesen" ist (der Therapieerfolg einer Methode muss also statistisch in Studien belegt worden sein damit diese Eingang in die medizinische Praxis finden kann).
"dass die psychiatrische Facharztausbildung nicht einmal im Entferntesten die Kompetenzen vermittelt"
Da haben Sie völlig recht.
Ich habe gelegentlich in Fachartprüfungen eine sexualmedizinische Frage gestellt, die meistens recht unzulänglich beantwortet wurde. Aber besonders ärgerlich waren die Reaktionen der Mitprüfer aus dem Uni-Bereich, die allein schon die Frage als "unangemessen" und das Wissen dazu als "nicht notwendig" ansahen.
Ich habe mich seit über 20 Jahren mit der Sexualmedizin als Wissenschaftsfach beschäftigt, muss aber feststellen, dass einige Kollegen sich immer noch auf dem Stand von Masters und Johnson befinden.
Die Frage ist aber, wie sich das ändern lässt...
Das lässt sich in meinen Augen überhaupt nicht ändern. Die Ursache dafür liegt meiner Meinung nach in Struktur der modernen Medizin selbst. Wenn man mal ehrlich ist, dann ist Medizin doch nichts anderes als angewandte Physiologie.
Die medizinische Ausbildung besteht doch, wenn wir mal ehrlich sind, hauptsächlich aus dem Auswendiglernen und Anwenden von Algorithmen (Symptom A + Wert B = Diagnose C wird behandelt durch Therapie D). Die gesamte Medizin steht unter dem Dogma, dass nur solche Methoden angewendet werden sollen, deren Wirksamkeit "nachgewiesen" ist (der Therapieerfolg einer Methode muss also statistisch in Studien belegt worden sein damit diese Eingang in die medizinische Praxis finden kann).
Man kann also prinzipiell sagen, dass die gesamte moderne Medizin durch und durch rationalisiert ist und sich im Grunde als angewandte Naturwissenschaft versteht. Diese Herangehensweise hat sich inzwischen auch in der Psychiatrie durchgesetzt. Ich habe mich selbst im Rahmen meiner Forschungstätigkeiten als Medizinstudent intensiv durch die Ergebnisse der aktuellen psychiatrischen Forschung gearbeitet. Und ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass dabei so wirklich ernsthaft fast ausschließlich an Projekten gearbeitet wird, bei denen es entweder darum geht die Wirksamkeit irgendeines Psychopharmakons zu evaluieren oder (aktuell auch sehr im Kommen) bei denen versucht wird, psychiatrische Erkrankungen mithilfe bildgebender Verfahren oder biochemischer/neurophysiologischer/genetischer Methoden zu diagnostizieren bzw. zu klassifizieren.
Dieser Trend hat dazu geführt, dass die pharmakologische Therapie von psychiatrischen Erkrankungen sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt hat, während die klassische dialogbasierte Gesprächs-Psychotherapie im Grunde still steht.
Nun aber zurück zur Sexualmedizin.
Eine Besonderheit der Sexualmedizin ist darin begründet, dass sie ein in sich sehr inhomogenes Gebiet darstellt. Inhomogen deswegen, weil ihr Gegenstand die Therapie von Pathologien ist, deren Ursachen sowohl physiologisch als auch psychogen sind.
Nach meinem Kenntnisstand lässt sich das Tätigkeitsfeld der modernen Sexualmedizin auf drei Bereiche eingrenzen.
1. Störungen der Sexualfunktion
2. Störungen der Sexualpräferenz
3. Störungen der Geschlechtsidentität
Die Antwort der Medizin sieht folgendermaßen aus.
Störungen der Sexualfunktion → i.d.R. Pharmakotherapie oder mechanische Erektionshilfen (fällt heute ins Tätigkeitsgebiet von Urologie bzw. Gynäkologie)
Störungen der Sexualpräferenz (in dieses Feld würde der in diesem Thread geschilderte Fall vermutlich am ehesten passen) → werden von der Medizin weitestgehend komplett ignoriert und haben allenfalls im forensischen Kontext überhaupt noch eine Bedeutung. Oder anders formuliert: Mit den aberranten Sexualpräferenzen beschäftigt sich die Medizin erst dann, wenn es bereits zu spät ist.
Störungen der Geschlechtsidentität → überfordern die Medizin komplett und sind wohl eines der besten Beispiele dafür wie kolossal die moderne evidenzbasierte Medizin trotz immer ausgefeilterer technischer Möglichkeiten und unendlicher Datenmengen, versagen kann.
In diesem Gebiet hat es die Psychiatrische Medizin mit ihrer grenzenlosen Inkompetenz sogar geschafft, dass sich mit "Gender Studies" eine komplett neue akademische Disziplin entwickeln musste, um eine Antwort auf eine Persönlichkeitsvariante zu finden, der die Medizin Jahrzehnte lang als Geschlechtsidentitätsstörung mit Psychopharmaka und Geschlechtsumwandlungen zu begegnen versuchte.
Mein Fazit: Seien Sie froh, dass Sie in einem Alter sind, das ihnen ermöglicht in absehbarer Zukunft nicht mehr auf ihre Tätigkeit als Mediziner angewiesen zu sein. Denn Algorithmen, Datenanalysen und Körperfunktionstests beherrschen Computer um Welten besser als jeder Mensch. Aus genau diesem Grund hat sich die Medizin durch ihren Quantifizierungswahn ihr eigenes Grab geschaufelt und wird höchstwahrscheinlich kurz- bis mittelfristig weitestgehend in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.