Besonders schlimm ist für mich auch die Erkenntnis, dass, obwohl ich das Gespräch mit ihm gesucht habe, der Graben zwischen uns dadurch nicht kleiner geworden ist. Ich hätte mir gewünscht, dass wir nur einmal hätten (vernünftig und ruhig) reden müssen und dass damit alles bereinigt worden wäre. Aber statt dessen kam es zu immer weiteren Widersprüchen.
Bei seinen ersten Einsätzen vor mehreren Jahren schilderte er mir Mexiko so, dass es aus hoher Kriminalitätsrate und Frauen, die auf Europäer warten, besteht.
Als das Thema weibliche Bekannte nach anfänglichem Verschweigen im Januar zum ersten Mal auf den Tisch kam, meinte er dann, er hätte sie schon im Dezember kennengelernt, er hätte sich mit ihr gut über die Landesgeschichte unterhalten können, sei beeindruckt gewesen, dass er sich dafür interessiert. Sie hätte gesagt, mit ihm könne man viel besser reden als mit einheimischen Männern. Sie sei katholisch und geschieden und fertig mit Männern. Als ich ihn fragte, ob sie ihm nicht noch etwas zeigen kann, sagte er, er möchte sie nicht noch mal nach einem Ausflug fragen - sie müsse ja arbeiten, und nicht, dass sie noch denkt, er hätte andere Absichten. Die weiteren Ausflüge machte er dann allein.
Als dann im März das Bild auftauchte (und auch noch etliche Wochen danach), sagte er, er wisse nicht, was in Frauen vorgehe, wenn sie so etwas verschicken. Er stritt vehement ab, dass das Kussmund-Selfie Bände sprach, und beharrte darauf, dass es nur zur Aufmunterung wegen seiner Grippe kam. Gleichzeitig räumte er aber ein, sich geschmeichelt gefühlt und es deshalb ausgedruckt zu haben. So ein Bild habe er noch nie von jemandem erhalten.
In der Folgezeit bekam ich zu hören, dass das alles wohl nicht passiert wäre, wenn sein mexikanischer Kollege Zeit gehabt hätte, etwas mit ihm zu unternehmen.
Dann machte er einen Spanisch-Kurs - angeblich, damit er vor Ort bei künftigen Einsätzen niemanden mehr braucht, der ihm sprachliche Unterstützung bietet (inzwischen ist er aber mehrmals in dem Land gewesen, die ersten Male schlug er sich völlig ohne Sprachkenntnisse und Begleitungen durch). Der mexikanische Dozent bestätigte offenbar seine These, dass die Mexikaner anders ticken als wir. Es wurde mir so dargestellt, dass hinter dem Bild von der Frau nicht so viel steckt.
Letztes Wochenende erfuhr ich dann, dass er früher von Frauen nicht beachtet wurde, immer musste er seine Partnerinnen ansprechen. Diese Frau sei die erste gewesen, die ihn angequatscht und sich für ihn interessiert hat. Als dann das Bild kam, habe er gedacht, es ist nur eine flüchtige Bekannte, und sie schickt dir so ein Bild.
Nun ist für mich klar, dass er sich nicht erst von dem Bild geschmeichelt gefühlt hat, sondern schon beim ersten Kennenlernen und dass er sie aus diesem Grund gefragt hat, ob sie mit ihm den Ausflug macht. Damit, dass er bis vor wenigen Tagen so getan hat, als sei er ahnungslos, hat sich die Situation leider kein Stück verbessert. Kann man unter solchen Umständen tatsächlich glauben, dass die Entwicklung demnächst nicht ihren weiteren Lauf nimmt und dass er, wie er mal sagte, "keinen Unfug macht"? Ich weiß es einfach nicht...