Einige Antworten für depri
Einige Antworten für depri
Hi depri,
nett von Dir, dass Du Dich so dezidiert mit meinem Problem befasst. Klar, ich muss ja nur auf blöde Kommentare verzichten und mir im übrigen ein dickes Fell anschaffen. Ich bin dabei, glaub es mir. Hin und wieder verliere ich einfach die Geduld, wie ich es auch bei meiner Tochter tue, wenn ich immer wieder über den Sinn von Vokabeltraining diskutieren muss. Irgendwann hab ich sowas mal satt, weil ich nicht verstehe, dass längst abgehandelte logische Dinge immer wieder zur Diskussion gestellt werden, obwohl mal Einsicht proklamiert wurde...
Du fragst:
"Wer redet Deiner Tochter ein, zu dick zu sein?"
Antwort: Die Medien, die Freundinnen, das gängige Schönheitsbild. So einfach (und bescheuert) ist das in der Pubertät. Ich find's doch auch blöd, dass die Mädels erst noch ein gesundes Körperbewusstsein entwickeln und mit den nun wachsenden weiblichen Formen zurecht kommen müssen, aber diese psychische Labilität ist normal in dem Alter. Ich versuche nach Leibeskräften dagegen zu halten. Gegen Vorbilder wie die Aguillera oder Britney Spears komm ich derzeit argumentativ nicht an. Ich bin ja nur die Mutter, wenn ich sage, sie sieht ganz normal aus, dann kriege ich immer zur Antwort "das musst Du ja sagen" und den resignierten Kommentar "ich fühle mich hässlich und XY sagt auch, mein Arsch ist viel zu fett". Was will man da noch sagen?
Du fragst:
"und was haben Deine Eltern damit zu tun?"
Die Antwort: Meine Eltern sind nach wie vor der Auffassung, dass mit FDH eine tolle Figur zu erreichen wäre und sagen meiner Tochter, wenn sie sich zu dick fühlt, dass soll sie halt weniger essen. Toll! Wie oft ich da schon getobt habe und denen erzählt habe, dass das gerade jetzt in dieser Entwicklungsphase die vielleicht blödeste Antwort ist, die man geben kann, kann ich gar nicht mehr sagen. Trotzdem wird dem Kind sein Lieblingsessen bereitet, wenn es - wie jeden Freitag - zum Mittagessen bei meinen Eltern aufkreuzt: Kartoffelklöße mit Speck und Zwiebeln und Mettwurst. Ich kriege zuviel!
Du schreibst:
"Vielleicht hast Du Deine schlechten Essgewohnheiten bei Deinen Eltern gelernt, aber jetzt bist Du erwachsen und Du bist verantwortlich dafür, umzulernen."
Das bestreite ich auch gar nicht. Ich mag aber nicht ständig gegen uralt Ratschläge aus vergangenen Ernährungszeiten ankämpfen, die meiner Tochter als Floh ins Ohr gesetzt werden. Es ist so schon schwierig genug, ihre beginnenden Probleme mit sich in den Griff zu bekommen. Da brauch ich die Unterstützung und den bewussten Umgang mit Ernährung und Körperbewusstsein auch auf der Seite meiner Eltern statt die mühsamen Erfolge ständig torpediert zu sehen. Ich weiß, wo ich Fehler mache und woher die stammen. Ich übernehme gern meine Verantwortung für mich und meinen Körper. Und es macht mich wütend, dass wieder einem Kind in dieser Familie das Leben unnötig schwer gemacht wird, weil sich die Ess- und Diätansichten einfach nicht geändert haben, obwohl das Ergebnis auf unseren Rippen und anhand der Krankheitsgeschichte meines Vaters klar auf der Hand liegt. Mit meiner Geschichte bin ich fertig. Es tut sich gerade ein neues Kapital im selben Buch auf, das ist, was mir Probleme macht.
Nein, soooo häufig essen wir nicht mehr zusammen. Schließlich habe ich als berufstätige Mutter auch noch was anderes zu tun, als mich bei meinen Eltern zum Essen einzunisten (zumal ich nicht so gern esse, was dort gekocht wird, weil es meist nicht meinen Vorstellungen von gesunder Ernährung entspricht). Im Prinzip hast Du natürlich Recht, wenn Du einen alten Konflikt hinter der Thematik vermutest.
Ich bekomme jedes Mal einen dicken Hals, wenn meine Mutter voller Stolz von den Diäterfolgen meiner Schwester (51) nebst ihrer Tochter (Anfang 20) erzählt, die eigentlich "alle Jahre wieder" ein Thema sind und schon von daher untermauern, dass solche Erfolge eigentlich Betrug an sich selbst sind. Ich mag nicht nahegelegt bekommen, mir bei meiner Schwester diese tolle neue Methode anzufordern, wie man nun wieder 10 oder 20 Kilo Gewicht abgebaut hat. Dieser nette Hinweis darauf, dass ich ebenfalls eine Diät nötig hätte nervt mich kollossal. Ich weiß, dass ich weder eine Traumfigur noch Idealgewicht aufweise. Ich arbeite gerade daran, meine Ernährung dauerhaft so umzustellen, dass ich eben nicht mittels Diät in kurzer Zeit die angepeilten 10 (oder wie auch immer) Kilo verliere. Solche Ambitionen werden mit nachsichtigem Lächeln quittiert nach dem Motto, da ist Deine Schwester aber erfolgreicher und kann bald wieder "alles essen" und meckert nicht über den Speiseplan meiner Eltern.
Verstehst Du die Komplexität des Themas? Ich mache niemanden für mein Übergewicht mehr verantwortlich als mich selbst. Aber ich mag auch nicht ständig vorgehalten bekommen, dass ich Diäten und schnelle Erfolge als kontraproduktiv betrachte und mir von gesunder Ernährung mehr verspreche. "Sei doch nicht so ungesellig", ist ein Satz, der mir nicht nur beim Essen total die Stimmung versaut. Alkoholiker kennen vielleicht das Problem massiver als ich, wenn Feste anstehen - aber es ist im Grunde die gleiche Problematik. Finde ich.
Grüße
Anke