Hallo Frozen93,
ich kenne solche Probleme, wie Du sie in Deinem anderen Thread beschreibst, auch ansatzweise: Es kommt einem ein Gedanke, man bekommt ein schlechtes Gewissen, fängt an zu grübeln, es wird einem mulmig bis ängstlich, usw.
Gute Nachricht:
Das kannst Du mit der Zeit und Entschlossenheit in den Griff bekommen.
Wie?
Der Trick besteht darin zu lernen, nachsichtig mit Dir zu sein!
LERNE, daß Du Deine Gedanken nicht bekämpfen und unterdrücken mußt.
LERNE, daß Deine Gedanken trotzdem immer da sein dürfen, Du ihnen aber nicht glauben mußt.
LERNE, Dich nicht für Deine Gedanken zu verurteilen.
DU bist NICHT Deine Gedanken!
Nach meinem Eindruck identifizierst Du Dich zu sehr mit Deinen Gedanken; ein Problem, daß ich aus meiner Vergangenheit und auch heute noch oft genug gut kenne.
Ich hab das im Laufe der letzten Monate und Jahre dadurch besser in den Griff bekommen, daß ich mich u.a. mit Achtsamkeit und der buddhistischen Lehre etwas beschäftigt habe. Und eine der wesentlichen Säulen für ein erfülltes und zufriedenes Leben ist der, nachsichtig mit sich selbst zu sein und sich selbst immer wieder zu vergeben.
Die ganzen Gedanken, Grübeleien, Sorgen und Ängste haben wir nur deshalb, weil wir im Laufe unserer Kindheit und Jugend von unseren Eltern (unabsichtlich und womöglich absolut wohlmeinend) entsprechend konditioniert worden sind: "Paß auf Dich auf; gib acht; mach das so; mach das nicht so; " usw. Das prägt sich tief ein. Was Du innerlich als Vorbild hörst, wenn Du an der Geschirrspülmaschine stehst, ist wahrscheinlich eine Stimme Deiner Mutter, die in ähnlichen Situation so etwas zu Dir gesagt hat.
Solange wir unbewußt und unachtsam leben, besteht die Gefahr, daß sich dieses Muster im Laufe der Jahrzehnte verstärkt und zunehmend verselbständigt.
Meiner Meinung und persönlichen Erfahrung nach führen folgende Schritte mit der Zeit aus diesem Irrweg raus:
1. Erkennen & Bewußtwerden:
Es ist schonmal sehr gut, daß Du die Situationen, in denen Dir so etwas passiert, bewußt entdecken und formulieren kannst.
2. Das Warum ergründen:
Innerlich nachforschen, warum Du in diesen Situationen so denkst. Welche Erinnerungen und Erfahrungen aus Deinem bisherigen Lebens triggern Dich bzw. Deine Gedanken und Ängste in solchen Momenten? (Ermahnungen der Eltern; Überbehütung durch die Mutter; übermäßige Strenge bei der Erziehung; Schelte wegen Nichtigkeiten; Hänseleien in der Schule; usw.)
Sobald Du das weißt, weißt Du auch, welcher Mechanismus da in Dir abläuft und warum.
3. Vergangenheit und Gegenwart trennen:
Mache Dir schließlich bewußt, daß die Vergangenheit Vergangenheit ist und Du jetzt in der Gegenwart lebst! Deine Gedanken und Handlungsweisen in der Vergangenheit waren wertvolle Strategien, um Dich damals durch's Leben zu führen und zu (be)schützen. Aber heute bist Du lange erwachsen, und kein Mensch auf der Welt kann und hat noch das Recht dazu, Dir zu sagen, wie Du leben, was Du denken und was Du machen sollst bzw. mußt. Ratschläge sind natürlich immer willkommen. Aber Du hast keinen Zwang mehr, diesen zu folgen.
4. Vergebung und Nachsicht:
Zur Trennung von Vergangenheit und Gegenwart gehört für mich auch, sich selbst zu vergeben. Vergib Dir selbst, wie Du früher gehandelt und gedacht hast bzw. einfach handeln mußtest, weil die Umstände so waren, wie sie waren. Es nutzt nichts, sich ewig selbst Vorwürfe und Schuldzuweisungen zu machen und somit sein schlechtes Gewissen zu "pflegen" - das macht, wie Du selbst erlebst, nur unzufrieden. Lerne daher, nachsichtig mit Dir zu sein! : Du bist ein guter, wertvoller und liebenswerter Mensch. Du machst im Rahmen Deiner Möglichkeiten alles richtig - und wisse, daß immer mehrere Wege zum Ziel führen: Weder ist Dein Weg der einzig Richtige, noch der eines anderen! Alles, was einen vorwärts bringt, ist richtig
Was mir bei diesem Weg wie gesagt sehr geholfen hat war die Beschäftigung mit den buddhistischen Lehren.
Darüber hinaus meditiere ich seit einem halben Jahr immer mal wieder, hatte zuletzt noch einen mehrtägigen Meditations- und Stille-Retreat. Diese Ruhe und Stille in diesen Meditationen hilft mir enorm, mich auf das Hier und Jetzt zu besinnen, Ängste loszulassen und mich besser mit meinem Inneren auseinanderzusetzen, so daß Einsichten und Erkenntnisse wesentlich besser auch ins Gefühl kommen und nicht nur irgendwo im logischen Verstand haften bleiben. Damit sind sie nachhaltiger und überzeugender, insbesondere auch, je öfter Du dieselben Einsichten und Erkenntnisse dann machst.
Meditation und Achtsamkeit kann ich Dir also auch nur wärmstens empfehlen.
Strategien wie "Stopp" u.ä. und koginitive Verhaltenstherapien sind auch für mich wertvolle, wichtige Ansätze gewesen damals. Sie gehen aber zumeist nur rein über den Verstand und haben es zumindest bei mir nur schwer bis gar nicht ins Gefühl geschafft.
Mit Meditationen bekomme ich diesen Übergang definitiv besser hin
In jedem Fall: Du brauchst Ruhe, Zeit, Geduld und Entschlossenheit.
Der neue Lernprozeß ist wahrscheinlich nicht in ein paar Tagen oder Wochen abgeschlossen - worauf Du Dein bisheriges Leben lang konditioniert wurdest, ist nicht über Nacht gelöscht und überschrieben.
Aber: Ja, unser Gehirn ist extrem anpassungsfähig, und ebenso sind es unsere Gedanken, Gefühle und Verhaltensmuster.
Wenn Du da entschlossen genug am Ball bleibst, verspreche ich Dir im Laufe der nächsten Monate große Fortschritte und Erleichterungen
LG,
Alex