Meine Geschichte II
Meine Geschichte II
Moin P.,
hatte ich das nie geschrieben, als Du hier gelesen hast? Mhh. Gut, Du sollst nicht dumm sterben...! ;-)
Davon, dass mein erster Versuch, Mutter zu werden, bereits nach 13 Wochen abrupt beendet war, hatte ich irgendwo erzählt. Ich hoffe, das hattest Du mitbekommen. Ich muss dazu sagen, dass dieser so je beendeten Schwangerschaft eine Reihe von Erkenntnissen voraus ging, die ein ungeahntes Handicap zutage förderten: ich bin mit einem herzförmigen Uterus ausgestattet, der von einem sogenannten Septum (einer festen Wand) in zwei ungleiche Hälften geteilt ist. Jeder dieser Uterusteile verfügt über einen funktionierenden Eierstock und einen separaten Muttermund. Mein Gynäkologe bestätigte die Entdeckung meines späteren Ehemannes, dass ich "zwei Scheidengänge" besaß. Die feste Scheidewand innerhalb der Gebärmutter setzte sich bis zum Scheidenausgang fort und teilte den Geburtskanal somit ebenfalls in zwei ungleiche Hälften. Damit erklärte sich auch, warum ich immer Probleme hatte mit der Monatshygiene und vor allem, warum der Geschlechtsverkehr an sich ein eher diffiziles Unterfangen blieb, obwohl mein Ex-Mann es interessant fand, "zweigleisig" fahren zu können. Die Besonderheit machte mich weiter unsicher und ich war froh, dass ich sie im Vorfeld unserer Fortpflanzungsaktion operativ entfernen lassen konnte - jedenfalls bis zum Uterus. Damals wurde mir nichts davon erzählt, dass auch der im Uterus befindliche Septum-Teil hätte entfernt werden können.
Von da an war klar, dass meine Gebärmutter sich nicht ausdehnen konnte, wie es normalerweise geschah. Mein Kind würde weniger Platz zur Verfügung haben. Das Risiko, dass sich die befruchtete Eizelle ausgerechnet die kleinere Uterushälfte aussuchen würde, um sich einzunisten bestand genauso, wie die Möglichkeit, dass sie sich an der Scheidewand niederließ, was auch nicht optimal gewesen wäre. Warum letztlich mein erstes Kind seinen 3. Lebensmonat nicht erreicht hat, kann heute keiner mehr sagen. Ich bekam einen Übelkeitsanfall am Strand von Sylt, wo wir auf dem Westerlander Standesamt unsere "wilde Ehe" beenden wollten. Meine Gynäkologin hat sich nach meiner Rückkehr (mit Trauschein, aber ohne Kind) heftig gegen die Unterstellung ihres Sylter Kollegen gewehrt, man habe mich unmöglich als Risikoschwangere in ein Reizklima fahren lassen können (was den Vorwurf der Mitschuld in sich trug) und er bezweifele, dass da tatsächlich einmal ein entsprechend entwickelter Embryo gewesen sei ("jedenfalls ist jetzt nichts mehr davon übrig"). Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Ich hatte Aufnahmen vom Ultraschall meines Kindes gesehen, meine Ärztin hatte bestätigt, dass das Herz schlug, bevor ich in die Flitterwochen aufbrach und jetzt sollte das alles gar nicht da gewesen oder bereits "zerfallen" sein? Die Ausschabung wurde unter Narkose gemacht, ich bin heulend eingeschlafen - und auf einer Neugeborenenstation in der Klinik auf Sylt aufgewacht. In mir war alles tot und nebenan brüllten die Säuglinge nach ihren Müttern. Ich heule schon wieder, wenn ich daran denke. Es war die furchtbarste Erfahrung, die ich je gemacht habe.
Zum Hochzeitstermin wurde ich mit der Auflage entlassen, mich umgehend nach der Trauung wieder ins Bett zu legen. So hatte ich mir meine Hochzeit nicht vorgestellt. Einige Zeit lang echote in meinem Kopf der Gedanke an einen Wink des Schicksals, obwohl mein Ex-Mann mir versicherte, wir könnten es ja später noch einmal versuchen. Dass er nicht den Hochzeitstermin abgesagt hat, hat mich einen Moment lang glauben lassen, dass könnte ihm sogar wirklich ein Wunsch gewesen sein. Er hat das später - nachdem ich dann wirklich mit Lisa schwanger war - endgültig klargestellt. Wörtlich hatte er mir gesagt, er habe solche Angst vor einem behinderten Kind gehabt, dass seine Tränen am Tag der Fehlgeburt eher aus Erleichterung geflossen sind als aus Trauer - und in Wahrheit hatt er gehofft, die Sache hätte mich endgültig vom Kinderwunsch geheilt.
Die Schwangerschaft mit Lisa war natürlich mit den gleichen Risiken verbunden wie die erste. Diesmal hatte ich nicht nur die Sorge um den erneuten Verlust meines Kindes zu tragen, sondern auch einen Ehemann, der bei jeder auftretenden Schwierigkeit (und davon gab es einige im Verlauf der Schwangerschaft) Vorwürfe auf den Lippen hatte. Diese gipfelten letztlich in der Aussage, er habe sich blöderweise dazu breitschlagen lassen, mich zu schwängern, obwohl er wusste, dass er nicht zugunsten eines Kindes auf "sein Leben" verzichten wollte, und er bereue das. Zumal ich ja - als ich endlich ein gesundes Baby hatte - mich dann als genau die unfähige Frau entpuppte, als die er mich immer angesehen hatte. Seiner Meinung nach war ich mit dieser Aufgabe völlig überfordert und "selbst Schuld", dass ich kaum noch wusste, wo mir der Kopf stand.
Lisa hatte bis zur vorgesehenen Zeit keine Anstalten gemacht, die normale Geburtslage einzunehmen (mit dem Kopf voran). Stattdessen hing sie mir mit ihrem Kopf unter dem linken Rippenbogen - ihre Stirn sah später entsprechend deformiert aus, was sich aber einwandfrei zurückgebildet hat, als würde sie immer möglichst nah an meinem Herzen sein wollen. Meine Ärztin regte ein Gespräch mit dem Chefarzt der Klinik an, weil ein geplanter Kaiserschnitt unter den gegebenen Umständen aus ihrer Sicht am besten war. Ich hatte bis dahin gehofft, wenigstens eine normale Entbindung zu haben, wenn ich schon bis dahin keine normale Schwangerschaft zustande brachte (in der man vor Glück strahlt - beobachte mal schwangere Frauen!). Ich war nur noch fertig. Und ich wollte nie, niemals wieder in eine solche Lage geraten. Ich habe mich dafür verflucht, nicht auf mein Schicksal gehört zu haben und wollte diesem leidigen Vermehrungsgerede endgültig einen Riegel vorschieben. Also habe ich mit dem Chefarzt gleich auch die Steri besprochen. Es hat mich über eine Stunde Überzeugungsarbeit gekostet, aber schließlich gab der Arzt nach und ich bekam meine Steri und meinen Kaiserschnitt. Ich hatte gute Argumente. Schließlich war die unversehrte Gebärmutter ja schon zu klein für dieses Kind. Wie sollte das mit einer vernarbten sein, die sich noch weniger mitdehnen konnte? Eine Fehlgeburt und eine Risikoschwangerschaft hatten mir absolut gereicht. Mit diesem Partner waren solche riskanten Sachen nicht zu machen. Dass mir nochmals einfiele, auf Partnersuche zu gehen, wenn wir kein Paar mehr sein würden (was ich damals nur unter dem Aspekt eines Todesfalles behandelte), konnte ich mir nicht vorstellen (als "frigide" Frau mit einem Kind von einem anderen, wäre ich nicht sonderlich attraktiv, dachte ich mir, meiner Erfahrung in dieser Partnerschaft zufolge). Und sollte dem Kind etwas passieren unter der Geburt oder danach, mein Gott, was sollte mich dann ermutigen, noch einmal ein Risiko einzugehen? Wahrscheinlich hätte man mir einen Platz in einer gepolsterten Zelle beschaffen müssen... Ich habe mit meiner Scheidung, mit meiner zweiten Ehe und vor allem mit diesem so gänzlich anderem Liebesleben überhaupt nicht gerechnet.
Und wie gesagt: die Steri ist vernünftig begründet, sonst wäre sie nicht gemacht worden. Ein Zurück wäre mit viel Aufwand irgendwie versuchbar gewesen, aber das Risiko wäre geblieben. Eines habe ich mir geschworen: ich werde mich nie wieder abhängig machen von einem Mann. Die Aussicht, womöglich auf die Rolle Hausfrau und Mutter reduziert zu sein, ohne je wieder im Beruf Fuß fassen zu können und sein eigenes Geld zu verdienen, ist mir ein Horror. Ich möchte jederzeit die Wahl haben, zu entscheiden, was für mich gut und richtig ist. Und da Geld nunmal die Grundlage für eine eigenständige Existenz ist, habe ich mich bereits kurz nach der Geburt meiner Tochter mit dem Ende meiner Träume von der treusorgenden Mutter abgefunden. Man kann nicht alles haben. Die Vorhaltungen meiner Mutter, für die meine Berufstätigkeit immer zu Lasten meiner Tochter ging, tun mir immer noch weh, aber es geht nicht anders. Vielleicht gewinnen wir mal im Lotto...
Lange Geschichte. Hoffentlich geht Dir nicht der Atem aus!
Grüße
A.