RE: Wechseljahre
LIEBSLUST und LIEBSFREUDE
Für viele Menschen in unserer Gesellschaft ist der Gedanke, dass ältere Menschen sexuell aktiv sind und lustvoll leben, noch immer ein Tabu. Natürlich unterliegen sowohl das sexuelle Erleben als auch die körperlichen Voraussetzungen mit zunehmendem Alter gewissen Veränderungen. Aber weder Männer noch Frauen verlieren ihre sexuellen Bedürfnisse oder Funktionen.
So sind die Wechseljahre der Frau zwar vom Verlust ihrer Fortpflanzungsfähigkeit, nicht jedoch vom Verlust ihrer Lust gekennzeichnet. Die Psychologen Rüdiger Dahlke und Thorwald Dethlefsen sehen in typischen Beschwerden des Klimakteriums wie Hitzewallungen sogar einen Ausdruck sexueller Hitze den Versuch zu zeigen, dass man noch eine "heiße Frau" ist. Der Körper der Frau zeigt an, wie sehr sexuelle Bedürfnisse gelebt werden wollen und sollten. Zärtlichkeit, liebevolle körperliche Zuwendung und sexuelle Aktivität regen die Genitalorgane an, sodass der lustvollen geschlechtlichen Betätigung auch in höherem Lebensalter nichts im Wege steht. Amerikanische Untersuchungen zeigen, dass klassische Wechseljahresbeschwerden bei Frauen, die regelmäßig Sex hatten, in weitaus geringerem Maße auftraten und ihr allgemeines Wohlbefinden gesteigert war.
Längere Pausen vermeiden
Während bei manchen Frauen mit den Wechseljahren das Verlangen nach Sexualität nachlässt, können sich andere während der Zeit des Klimakteriums und danach sogar ungehemmter der Lust hingeben. Tatsächlich wirken sich längere Unterbrechungen des Liebeslebens in der zweiten Lebenshälfte auf Dauer gesehen eher ungünstig aus. Denn hat der Körper die Produktion von Sexualhormonen erst einmal auf ein Minimum zurückgefahren, ist es schwierig, diese wieder in Gang zu bringen.
Der Wechsel beim Mann
Auch bei Männern um die 50 kündigen sich Veränderungen des sexuellen Erlebens an, die mit den Wechseljahren der Frau vergleichbar sind. Allerdings vollzieht sich dieser Wechsel eher schrittweise und stellt seltener einen so drastischen Einschnitt dar wie das weibliche Klimakterium. Oft brauchen Männer jetzt jedoch mehr Zeit bis zur Erektion.
Statt der Häufigkeit gewinnt für sie mit zunehmendem Alter meist die Qualität von Sex an Bedeutung.
Das Erleben verändert sich
In keiner Phase des Lebens beschränkt sich Sexualität auf den Geschlechtsakt allein. Deshalb muss ein mögliches Nachlassen der körperlichen Leistungsfähigkeit noch lange nicht den Genuss und die Lust am sexuellen Erleben einschränken. Ein 55jähriger berichtet von einem äußerst intensiven Liebesleben mit seiner Partnerin. "
Wir tun es fast täglich. Zwar ist die Zeit vorbei, in der ich drei Mal am Tag einen Orgasmus erreichen konnte. Doch mit zärtlichen Berührungen, ausgedehntem Streicheln, manueller und oraler Stimulation bereite ich meiner Partnerin viel Lust. Und ich genieße es, ihre Erregung zu spüren. Das kann ich heute sogar stärker empfinden als früher."
Den Körper des anderen zu liebkosen, zu schmusen und miteinander zu schlafen gehört für das sich liebende Paar zum Alltag.
Mehr Freiheit ohne Leistungsdruck
Nicht unbedingt ist der Orgasmus, das Sich-Ergießen und -Vergessen im anderen, das Ziel, das es unter allen Umständen zu erreichen gilt. Genauso erfüllend können Geborgenheit und Nähe sein und ganz natürlich nimmt in der Regel dieses Bedürfnis zu, während die Lust auf draufgängerischen Sex zurückgeht. Manche Männer halten diese Verlagerung von einem aggressiveren Sexualverhalten zu einem ruhigeren Stil für eine Schwäche. Um nach wie vor den jugendlichen Liebhaber zu mimen, setzen sie sich unter Druck. Doch diese Zwangsvorstellung kann leicht dazu führen, dass es mit der Potenz nicht mehr so gut klappt. Gerade die Abkehr von dem "Leistungsdruck", der oftmals die Sexualität jugendlicher Paare prägt, gewährt eine Freiheit, in der zärtliche Gefühle wachsen können. Und auch für die Leidenschaft entsteht so eine neue Basis.
... und innige Verbundenheit
Solche vehementen Ausbrüche von Lust und Leidenschaft sind sicher nicht die Regel, sondern gehören zu den außergewöhnlichen Höhepunkten im Liebesleben eines Paares. Meist kennen sich die Partner nach jahrelangem Zusammenleben bis in die intimsten Details. Die kribbelnde Spannung der frühen Verliebtheit ist einer tiefen Innigkeit gewichen. Dennoch bleibt ein erfülltes Sexualleben ein wichtiger Faktor für die Beziehung ,auch wenn dieser Aspekt vielleicht nicht mehr unbedingt an erster Stelle steht.
Zeit füreinander - und für die Liebe
Auch in einer langjährigen Partnerschaft muss das Liebesspiel keineswegs langweilig werden. Gerade nach der Aufbau- und Familienphase haben viele Paare wieder mehr Zeit füreinander. Häufig können sich die Partner jetzt auch ungehemmter einander hingeben: Die Kinder, die das Liebesspiel stören könnten, sind ,zumindest häufiger, aus dem Haus, und auch die Sorge um Verhütung hat sich erledigt.
Sexualität als Teil einer glücklichen Partnerschaft bedeutet, aufeinander zu- und auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen. Dazu gehört der Mut, eigene Wünsche zu äußern. Und vor allem auch der Mut, diese Wünsche, überhaupt das Bedürfnis nach Lust, zuzulassen. Denn Lust ist eine Hauptantriebskraft des Menschen. Natürlich beschränkt diese sich nicht allein auf Sexualität. Doch sie ist unverzichtbar, um Lebensfreude, Lebens- Lust eben, in ihrer ganzen Fülle erfahren zu können. Und das möglichst ein Leben lang.