Re: Viele Worte, Viel Ratlosigkeit
[quote sonderbar]"Irgend was wirst Du auf jeden Fall von ihm gewollt haben, oder hattest Du etwa das eine gesagt und das andere gemeint???"
nein, daran lags nicht. ich hatte mir anfangs nicht so viel aus ihm gemacht, war noch nie richtig verliebt gewesen und habe mich über ihn und seine liebeserklärungen eher lustig gemacht (ein paar seiner schwulstig geschriebenen smsen las ich kichernd schwester und mutter vor). war da erst 18, verbrachte viel zeit mit lesen und tagebuchschreiben und eher wenig mit menschen... er hat mir später noch oft vorgeworfen, wie respektlos ich damals mit ihm umgegangen bin. jedenfalls habe ich ihn lange bloss als pausenclown betrachtet, und geschickt verdrängt, dass ich gefühle für ihn entwickel und seine aufmerksamkeit brauche. als wir schliesslich zusammenkamen und ich mich verliebt habe, gabs dafür dann nur noch ihn für mich... das war ein wandel wie tag und nacht. ich finde und fand es unschön, die eigene liebe zu zergliedern und analysieren. doch es gab sicher so manches defizit bei mir, für das er aufkommen musste. für mich war es in erster linie einfach eine überwältigende erfahrung, etwas so stark zu wollen. ich liebte ihn eben, über mittel und zweck machte ich mir keine gedanken, über zukunft oder veränderungen in seinem verhalten schon gar nicht.
was ich ihm genau so wie auch meinem zweiten freund vorwerfe, ist, dass diese männer mich ab einem bestimmten punkt in der beziehung zwar nicht mehr bei sich haben wollten, ohne jedoch die entschlossenheit und den mumm zu finden, mich zu verlassen. stattdessen musste ich eben am verhalten spüren, dass ich ihnen unwichtig geworden bin. mir fällt es schwer, etwas, woran mein ganzes herz hängt, "freiwillig" aufzugeben, diese schwäche hat mir monate und jahre unbefriedigender zweisamkeit beschert, bei der letzten endes irgendwie vor allem ich die blöde gewesen bin. ich möchte nun keinen weiteren mann mehr, der eine beziehung aus lauter bequemlichkeit weiterführt.
du lässt dich genau so von vergangenen erfahrungen leiten, wenn du sagts, dass du für keine mehr als krankenschwester herhalten willst. mag sein, dass die grübelei auf dauer nicht so wirklich spass macht, aber wenn du fehler an dir selber korrigieren willst, wirst du nicht darum herumkommen, dir zuerst einmal eingehend zu überlegen, was genau du anders machen solltest. ich persönlich habe ja ein wenig meine zweifel, ob du mit deiner wer-jammert-fliegt-raus-tour mehr erfolg haben wirst als ich mit meinen heiratsabsichten

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Hallo und guten Morgen, liebe Frau Wunderbar,
schön, dass Du in Deinem letzten Beitrag endlich mal so ein bißchen aus Dir heraus gehst.
Es war der 45. zu Deinem Thema.
Wenn ich mir jetzt vor Augen halte, wie Frauen und Männer sich z. B. in Kontaktanzeigen beschreiben, ihre Vorstellungen und ihre Wünsche (meist wie der andere unbedingt zu sein habe...), dann fällt mir auf, dass mindestens in jeder zweiten Beschreibung der eigenen Charaktereigenschaften von einer Frau der Begriff Ehrlichkeit auftaucht. Also als Grundbedingung vorausgesetzt wird, weil man selbstverständlich auch so ist. Wo kämen wir denn da hin, wenn...
Diese Vorstellungen von "Ehrlichkeit" (= Wahrheitstreue) gehen m. E. zumindest zum Teil auch schon in den Bereich des Schizophrenen. Denn das, was da als Ehrlichkeit und Wahrheitstreue gefordert wird, hängt meist nicht von nachweisbaren Belegen in Wort und Schrift ab, sondern entspringt offensichtlich ganz allein dem Gedankengut der jeweiligen Wahrnehmung von Beteiligten.
Ich habe das schon mal an anderer Stelle geschrieben. Irgend wo sind wir doch alle irgend wo ein bißchen Schizophren. Die einen etwas mehr, die anderen etwas weniger...
Und dann gibt es laut Dr. Riecke die Krankheit "Schizophrenie" gar nicht. Es gibt sie vermutlich immer nur als einmalige Erscheinung. Pro Beteiligtem.
Was ich in Deinem Beitrag weiterhin ganz dringend vermisst habe, ist der vom Elternhaus anerzogene Umgang mit intimen Dingen. Dazu gehört nach meinem Verständnis auch, dass man eine sehr persönliche SMS nicht zur allgemeinen Belustigung von Mutter und Schwester veröffentlicht. Deine Eltern haben Dir zumindest in diesem Bereich nicht oder nicht richtig vermittelt, dass auch die Mitmenschen einen Anspruch auf Wahrung ihrer Intimsphäre haben. Auch dann, wenn sie geistig nicht auf unserer Ebene stehen. Und völlig gleich, ob darüber oder darunter. Aber tröste Dich. Mir hatte man das auch nicht beigebracht. Das habe ich dann später selbst besorgt.
Das Beharren in einer Partnerschaft trotz zunehmender Erkenntnis, Probleme nicht lösen zu können (meist weil es der Andere gar nicht will, weil er die fraglichen Punkte in der Partnerschaft ganz einfach nicht so sieht oder sehen will), muss meiner Meinung nach nicht unbedingt etwas mit Bequemlichkeit zu tun haben. Es könnte sich da auch um den Willen zum Suchen nach Lösungen u. U. auch um Verantwortungsbewußtsein handeln, das bei der Einstellung des Partners aber überhaupt nicht gefragt ist.
Und vielleicht wäre es dann doch wirklich besser, man würde gleich die Tür aufhalten - oder selbst gehen. Mancher braucht dazu leider auch erst einen verbalen Tritt auf den Allerwertesten. Gleich auf welcher Seite.
Den Willen zum Suchen nach ehrlichen Lösungen stufe ich als Charakter ein. Aber ist der überhaupt erwünscht??? War das überhaupt von Dir erwünscht? Eine einseitige Suche ist nämlich keine ehrliche Suche, sondern leider auch die indirekte Aufforderung des sich nicht an der Suche Beteiligenden an den Partner, sich gefälligst unterzordnen.
Eine Aufforderung also an selbstgebackene Untergebene und geistige Kastraten, denen gepfiffen wird.
Deine Offenbarung ist so umfangreich, dass ich das nicht in einem einzigen Kommentar aufarbeiten kann. Vielleicht schreibe ich dazu noch das eine oder andere. Heute oder Morgen oder irgend wann.
Ich wünsche Dir einen wunderschönen Tag. Und vielleicht auch den einen oder anderen Blick, der Dich gedanklich begehrt und vielleicht schon auszieht. Samt Gedankenmüll. Schau nicht auf Deinen Müll, sondern in diese Augen! Und sei ehrlich. Vor allem mit den Augen, die Dich anschauen.
LG