Bin kein Paragraphenreiter
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Sexuelle Handlungen mit Kindern können auch bei Pädagogen auftreten, die sich derartig mit den Kindern identifizieren, dass sie die Erzieher- oder Lehrerrolle aufgeben und versuchen, ein gleichwertiges Mitglied der (kindlichen) Peergruppe zu werden. Dadurch verlieren sie ihre Verantwortlichkeit für das Wohl der Kinder aus dem Blick. Zunächst vielleicht unbewusste pädophile Neigungen können insofern dazu führen, dass gerade solche Berufe gewählt werden, in denen der Umgang mit Kindern um Mittelpunkt steht.
Sexueller Missbrauch an Schulen ist seit einigen Jahren schon wiederholt in den Medien thematisiert worden. Zur Anzeige gelangte Fälle gaben den Anlass für publikumswirksame Artikel in Zeitschriften. Das Vorkommen sexuellen Missbrauchs in Heimen und Pflegefamilien ist bislang noch kaum untersucht worden. Dennoch handelt es sich hierbei keineswegs nur um Einzelfälle, und die Problematik ist den im Jugendhilfebereich Arbeitenden sehr wohl bekannt.
In der Regel geht die Initiative - wie bei jedem Missbrauch - vom Erwachsenen aus; zum anderen haben gerade bereits innerhalb der Herkunftsfamilie sexuell Missbrauchte Kinder und Jugendliche häufig Verhaltensweisen gelernt, die von Erwachsenen als Herausforderung und Aufforderung zu sexuellen Handlungen verstanden werden können. Dies führt dazu, dass sexuell Missbrauchte Kinder ihre Erfahrungen immer wieder schmerzvoll wiederholen, weil Sexualität für sie das einzige Mittel geworden ist, sich körperliche Zuwendung und Zuneigung zu sichern. Allerdings rufen diese Kinder und Jugendlichen durch ihr provozierendes Verhalten häufig auch Abneigung bei Erziehern und anderen Bezugspersonen hervor, so dass nicht mehr nach den Ursachen ihres Verhaltens gefragt wird: sie bleiben so weiterem Missbrauch ausgesetzt, ohne den notwendigen, erhofften Halt und Schutz zu finden.
(aus: Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen; eine Informationsbroschüre der Senatsverwaltung für Jugend und Familie, Berlin 1992)