Hallo Christin,
nochmal - alles wieder als Denkanstoß und vor allem wirklich gut und lieb

gemeinter 'Tritt in den Hintern' gemeint:
Du wirst nicht drum herum kommen, mit etwas zu beginnen!!
Ich kann Deine Situation absolut nachvollziehen, 100%, 1000%! Ich habe im Sommer 2014 mal die Metapher entwickelt, daß ich eigentlich alle möglichen Legosteine zusammenhatte - alle Puzzlestücke gewissermaßen. Aber niemand hat mir gesagt, wie das Bauwerk am Ende aussehen soll geschweige denn mir eine Bauanleitung dazugegeben.
Genau so klingt das, was Du hier sagst und wiederholst, auf mich:
Du hast im Prinzip alle Legosteine, Puzzlestück, Werkzeuge oder wie auch immer Du es für Dich bezeichnen magst, erhalten, siehst das fertige Bild aber noch nicht vor Dir.
Nur: Mehr, als Dir die Legosteine zu geben, können wir nicht für Dich machen. Denn in der Tat paßt die Metapher mit den Legos für mich noch viel besser als die Puzzlestücke. Warum...? :
Nun, Puzzlestücke passen immer nur für ein konkretes Bild. Hat bzw. kennt man dieses Bild nicht, oder hat man die Puzzlestücke zweier verschiedener Puzzles erhalten, weiß man in der Tat nicht, wo man anfangen soll oder wie das alles zusammenpassen soll.
Mit Legos sieht das anders aus: Auch ohne Bauanleitung kannst Du mit den Steinen drauflos bauen - Autos, Häuser, Schiffe, Flugzeuge, Raumschiffe, Abschleppwagen, LKW's ... ... ... Man kann zwar Anleitungen benutzen, aber im Prinzip ist es genausowenig vorgegeben. Du kannst aus Legos
alles bauen, was Deine Phantasie hergibt!
Beobachte Deine Kinder mal dabei - das wird Dir die Augen öffnen, was ich meine.
Ich für meinen Teil bin immer wieder baff erstaunt darüber, was unser 5jähriger ohne Anleitung rein aus der Beobachtung und Phantasie heraus alles zusammenbaut. Ohne Berührungsängste, Hemmungen, Zweifel, "soll ich oder soll ich nicht...", etc. - er baut einfach und ist glücklich.
Und genau diese Haltung ist es, die wir psychisch Erkrankten meiner Meinung und Erfahrung nach wiederentdecken müssen: Berührungsängste und Hemmungen beiseiteschieben, einfach loslegen. Und gucken, was passiert.
Mir scheint, der entscheidende Unterschied zwischen uns beiden - Dir und mir - ist der folgende:
Ich hab Tired, Crashdog, Dr. Riecke und anderen hier zwar ebenfalls wochen- und monatelang immer wieder und immer wieder in den Ohren gelegen, es ginge nicht vorwärts, es würde nicht besser, das ginge ewig so weiter, ich hätte Sorge da nie wieder rauszukommen, etc. - die gleiche Litanei mit Ängsten, Symptomen und Befürchtungen wie bei Dir. (Ohne das übrigens herabwürdigen zu wollen! Ich drücke es nur absichtlich etwas laxer aus, weil ich eben gelernt habe, die Dinge auch etwas laxer zu sehen.)
Aber im Gegensatz zu Dir habe ich trotzdem mit etwas begonnen - wenn auch zu Beginn noch sicherlich mit wenig Antrieb, Motivation und Überzeugung. Aber ich habe mit etwas angefangen! :
- Ich
habe mir
Laufschuhe besorgt und bin 2-4 Mal die Woche abends joggen gegangen. Langsam zwar, aber zunehmend flotter und ausdauernder.
- Ich
habe mich irgendwann mal wieder auf mein
Fahrrad geschwungen und bin gefahren. Anfangs kleine Runden zwar, aber auch hier wieder zunehmend ausdauernder.
- Ich
habe mich mit meinen
Hobbies weiter beschäftigt, u.a. meinem PC, und mir dabei immer wieder gesagt, daß mir das früher Spaß gemacht und auch weiterhin Spaß macht; daß es eben nur an der Krankheit liegt, daß ich da zeitweilig mit weniger Elan zugange bin. Und der Spaß kam in der Tat zurück.
- Ich
habe mir diverse
Bücher zu dem Thema zugelegt - bessere, wie schlechtere. Und die besseren habe ich nicht nur einfach gelesen, sondern ganz bewußt versucht zu verinnerlichen, was da geschrieben steht und empfohlen wird.
- Ich
habe vor allem die
Freundschaft zu meinem Trauzeugen - einem meiner besten Freunde, wenn nicht gar der Beste, der aber 100km weit entfernt wohnt - massiv reaktiviert. Wir telefonieren nun regelmäßig und treffen uns sehr viel häufiger, mind. 1x im Monat.
- Ich
bin der Empfehlung besagten Trauzeugen gefolgt und habe mir eine Mitgliedskarte von Sunpoint geholt, um in der düsteren Jahreszeit auch mal auf die
Sonnenbank zu gehen und Energie und Licht zu tanken. Was mir jedesmal ungemein guttut und bis in die letzten Nervenenden hinein entspannt. Genauso wie
Sauna übrigens - in den Wintermonaten ca. 1x im Monat mit besagtem Trauzeugen und einem meiner Brüder zusammen.
- Ich
habe sogar ein
neues Hobby ausprobiert und für mich entdeckt, im August 2014: Geocaching. Das macht mir einen so riesigen Spaß, weil es mich beschäftigt, mich an die frische Luft führt, mir dort ein Ziel für Spaziergänge und Entdeckungen gibt, Erfolgserlebnisse beschert und einfach abwechslungsreich ist.
- Ich
baue wieder viel mehr Lego

Klar ist da unser Sohn mit Anlaß für, er ist eben seit 1-2 Jahren im entsprechenden Alter, wo es damit losging. Aber schon als er noch zwei war, habe ich mir einen großen Lego-Technik-Unimog gekauft und den mit meiner alten Freude als Kind bzw. Jugendlichem zusammengebaut. Das ist jedesmal Balsam für meine Seele.
Christin,
das alles geschieht nicht über Nacht. Keine Frage.
Und im Hintergrund lief und läuft natürlich die ganze Zeit die
medikamentöse Behandlung und die
Psychotherapie mit, denen ich ebenfalls einen sehr sehr großen Anteil an meinem bisherigen Genesungserfolg zuspreche. Ebenfalls außer Frage.
Trotzdem:
Würde ich mich ausschließlich nur gedanklich im Kreis gedreht haben, ohne auch mal etwas auszuprobieren und zu handeln, wäre ich garantiert nicht da, wo ich jetzt bin!
Nur genauso, wie uns - Dir - das negative Denken und ggfs. Handeln über Jahre und Jahrzehnte hinweg geprägt hat, nur genauso bekommst Du es auch wieder raus: Mit tage-, wochen-, monate- und jahrelangem Üben von positiven Denken und vor allem Handeln!
Denn nur mit dem Handeln stellt sich auch früher oder später der Erfolg ein!
Nicht (nur) mit dem Denken - und schonmal erst recht nicht mit dem unabänderlichen negativen Denken.
Ich habe lange gebraucht, das wirklich zu begreifen und zu verinnerlichen.
Aber es stimmt. Es geht. Und es funktioniert!
Aber fang an!!!
Mit irgendetwas:
- Lies Dich in das Thema tiefer ein; oder
- Kauf Dir Laufschuhe; oder
- Schnapp Dir Dein Fahrrad; oder
- Geh allein oder mit einer guten Freundin ein Eis essen; oder
- Melde Dich zum Tai-Chi an; oder
- Geh mal auf die Sonnebank für 10 Minuten; oder
oder oder oder oder...
(Medikamente und Therapie bitte nicht zu vergessen!)
Aber fang an!!! Wenn Du feststellst, daß es Dir guttut, bleib dabei. Und wenn Du feststellst, daß es Dir nicht guttut, probier etwas anderes aus. Aber bleib beim Ausprobieren!
Fang an!!
Du hast alle Legosteine vor Dir liegen. Was Du aus ihnen machst, liegt ganz bei Dir - das, was Du daraus bauen kannst, ist so individuell wie Du selbst - das kann Dir (leider und zum Glück

) niemand sagen.
Fang an!!!
Und gib nicht auf!
Dann wird es auch bald besser!
Mein Wort drauf.
