RE: @Zoe
RE: @Zoe
Boah, ich glaube, jetzt sprengen wir den Rahmen hier.
Das ist so schwer zu erklären, und ich weiß doch auch nicht, ob ich das alles richtig mache. Das wird die Zukunft zeigen.
Tatsache ist: Lisas Vater ist jemand, der vorgibt, sein Leben im Griff zu haben und immer das richtige zu tun. Wenn jemand anders denkt oder handelt, als er es für richtig hält, ist der entweder "beschränkt" oder sonst wie nicht ernst zu nehmen. So einfach ist das. Toleranz? Offenheit? Flexibilität im Denken? Das sind ihm völlig fremde Begriffe.
Lisa "verteidigt" ihren Vater kaum noch - ganz im Gegenteil. Es tut mir im Nachhinein leid, dass sie jemals das Gefühl hatte, sie müsste ihn überhaupt - zumal mir gegenüber - verteidigen. Irgendwas habe ich da also nicht ideal gehandhabt. Soweit so gut, bzw. so schlecht.
Schwierig wird es immer dann, wenn sie nach den Gründen fragt, warum sich ihr Vater und ich getrennt haben. Als sie noch kleiner war, hat sie da andere, oberflächlichere Antworten bekommen. Mit den Jahren sind die Antworten präziser und umfassender geworden. Natürlich weiß sie nicht, dass ihr Vater mich verprügelt hat. Vielleicht sage ich es ihr irgendwann einmal. Noch nicht. Aber sie weiß inzwischen, dass ihr Vater und ich vollkommen andere Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft haben. Ich bin mir immer im Zweifel, ob es ihr gut tut, wenn sie mehr von meinen Konflikten mit ihrem Vater erfährt. Sie ist 13. Natürlich werden auch die Fragen, die sie stellt, anders in diesem Alter...
Mittlerweile ist es so, dass sie ihren Vater in verschiedenen Sachen nicht mehr ernst nimmt, nicht mehr seinen Rat hören möchte, sich von ihm zunehmend "merkwürdig" behandelt fühlt. Klar, sie beginnt, seine Antworten auf verschiedene Fragen kritisch zu betrachten. Und dabei schneidet er oft nicht sonderlich gut ab. Sie erkennt von selbst Widersprüche in dem, was er sagt und wie er handelt. Jetzt muss sie eben ihren Weg finden, wie sie trotzdem damit zurecht kommt, diesen Mann - ihren Vater! - zu lieben. Das ist nicht einfach. Sie wird ihn immer dann verteidigen, wenn sie merkt, dass ihre Tochterrolle ihr soetwas abverlangt ("er hat doch sonst niemanden außer mir"). Aber sie beginnt auch, ihren eigenen Weg ins Leben bewusster zu gehen. Dabei ist ein Vater mit widersprüchlichem Verhalten, unklaren oder nicht nachvollziehbaren Haltungen oder Wertvorstellungen nicht der beste Begleiter.
Ich hoffe, ich kann ihr ein wenig von meiner selbst noch nicht allzu stark ausgeprägten Verzeihlichkeit mitgegen, damit sie seelisch heil bleibt. Bei allem Verständnis für das Unvermögen ihres Vaters auch auf meiner Seite, helfe ich ihr, indem ich eine klare Position einnehme, an der sie sich ausrichten kann. Ich spiele Leitplanke und hoffe, dass sie diese Baustelle gut hinter sich bringt. Schmerzliche Wahrheiten sind ganz normal und gehören dazu. Und wenn ich möchte, dass bestimmte Dinge erledigt werden oder sich an Absprachen gehalten wird, dann erkläre ich mit dem nötigen Nachdruck, dass ich keine Ausreden dulde und beim nächsten Mal "kurzen Prozess" machen werde. Konsequenz nennt man das, glaub ich. Hat weniger was mit Schuldzuweisungen zu tun als mit der Tatsache, dass Zuverlässigkeit eine Grundvoraussetzung für ein gutes Miteinander ist. Das kann man vertreten und das ist nachvollziehbar - auch für 9-Jährige. Wenn sie das nicht von Dir lernen soll, von wem dann?
Grüße
Anke