Re: Konvergenzexzess Kleinkind
Hallo, ein Schielen - und dazu gehört auch ein Konvergenzexzess als spezielle Form - ist immer ein binokulares Problem. Insofern stellt sich die Frage nach der Korrektur des einen oder anderen Auges primär nicht. Die daraus drohende funktionelle Schwachsichtigkeit (Amblyopie), die im Falle Ihres Sohnes mit der Okklusion behandelt wird, bezieht sich jedoch in erster Linie auf das vornehmlich schielende Auge. Zu Ihren Fragen:
1. das Nahteil korrigiert die Stellung beider Augen zueinander. Das Schielen wird im Falle Ihres Sohnes durch eine gewisse Anstrengung (Akkommodation = Naheinstellung) des gesunden Auges verursacht. Deshalb tritt es auch ungleich ausgeprägter in der Nähe auf, weil dort zum Scharfsehen die Akkommodation benötigt wird. Der Vorgangang der Akkommodation ist in einen neurophysiologischen Regelkreis eingebettet, zu dem auch immer eine bestimmte Bewegung beider Augen zur Nase hin (Konvergenz) gehört. Dabei besteht ein ganz bestimmtes Verhältnis zwischen der notwendigen Akkommodation und der daraus resultierenden Konvergenzbewegung der Augen. Bei der beschriebenen Schielform wird jedoch die eingesetzte Akkommodationsleistung mit einer überhöhten Konvergenzreaktion eines Auges quittiert, und es kommt zu einem Innenschielen (akkommodativer Konvergenzexzess).
Eine andere Variante besteht darin, dass die Akkommodationsleistung deutlich eingeschränkt ist. Um also in der Nähe etwas scharf zu sehen, müsste Ihr Sohn in diesem Falle erheblich mehr akkommodieren als üblicherweise notwendig, was zu einer - dem übermäßigen Aufwand angepassten - großen Konvergenzbewegung und zum Innenschielen führt (hypoakkommodativer Konvergenzexzess).
Im ersten Fall liegt das Problem also in einer normalen Naheinstellung der Augen mit pathologsich ausgeprägter Konvergenzbewegung, im zweiten Fall in einer pathologisch eingeschränkten Naheinstellungsfähigkeit mit entsprechend großer, aber normaler und dazu passender Konvergenzbewegung. Fragen Sie beim nächsten Kontrolltermin, um welche Form des Konvergenzexzesses es sich handelt. Bei einer hypoakkommodativen Form wäre die sogenannte Akkommodationsbreite signifikant eingeschränkt, im anderen Falle wäre sie normal.
2. vermutlich wird das Nahteil eine Stärke von +3,00 Sph. haben, was im Falle Ihres Sohnes eine maximale Gesamtbrechkraft (inkl. Zylinderwerte) von rechts +11,25 Sph. und links +12,75 Sph. bedeutet. Das ist allerdings erheblich und hat auch auf die Dicke und das Gewicht der Gläser Einfluß. Jedoch gibt es Materialien, die man sehr dünn schleifen kann (hochbrechendes Glas). Das wird allerdings definitiv keine Brille "von der Stange". Sie sollten also bei der Wahl Ihres Optikers seine handwerklichen Fähigkeiten berücksichtigen und die Erfahrung, die er in der Anfertigung solcher speziellen Brillen - gerade auch für Kinder - bereits gesammelt hat. Es gibt sicherlich nicht sehr viele davon. Vielleicht kann Ihnen Ihre behandelnde Orthoptistin eine entsprechende Empfehlung geben.
3. Die Tragedauer hängt ganz entscheidend von der Ursache des Konvergenzexzesses ab. Liegt ein rein "akkommodativer" oder "hypoakkommodativer" Konvergenzexzess vor, so ist das Problem innervationeller Natur, und die Notwendigkeit einer Bifokalbrille ist meist dauerhaft. Es ist jedoch hierbei in den meisten Fällen möglich, das Nahteil später zu verkleinern oder gar gegen eine entsprechend angefertigte Gleitsichtbrille zu tauschen. Häufig sind es jedoch Mischformen aus hyperkinetischen und akkommodativen Ursachen, was möglicherweise eine spätere Schiel-OP zulassen würde, die das Tragen einer Brille überflüssig machen könnte. Auch eine spätere Abschwächung der Nahteilwerte ist ggf. möglich. Wie immer hängt dies aber entscheidend von Krankheitsbild und Befunden ab.
Es gibt noch eine weitere Form des Konvergenzexzesses, nämlich den "hyperkinetischen". In diesem Falle wäre jedoch die Verordnung einer Bifokalbrille der falsche Therapieansatz.
Ganz allgemein könnte ich mir auch vorstellen, dass Ihr Sohn ab einem bestimmten Alter Kontaktlinsen trägt, und bei entsprechendem Krankheitsverlauf für die Nähe eine Nahbrille nutzt. Das ist aber bereits sehr spekulativ und hängt im Wesentlichen von der Situation und den Befunden ab.
Sie finden hier weiterführende Informationen zum Thema Konvergenzexzess:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konvergenzexzess . Alles Gute weiterhin!