Früh unterwegs...
Früh unterwegs...
...gewesen, ihr beiden. Ich war da nicht so früh hellwach, darum erst jetzt noch eine Antwort:
Kein Mensch sagt, dass es einfach ist, selbstbewusst und überzeugend seinen Weg zu gehen. Es ist allerdings die einzige Wahl, die Du hast, um glücklich zu sein. Ich plaudere zur Untermauerung dieser Behauptung immer ein wenig aus dem Nähkästchen, denn bevor ich mich selbst geliebt und wertgeschätzt habe, habe ich meine Wertschätzung und Liebenwürdigkeit vom Urteil anderer abhängig gemacht.
Als ich mit 18 (noch Jungfrau) meine späteren Ehemann kennenlernte, war ich meiner Meinung nach ein hässliches Entlein, das niemand haben wollte. Ich litt sehr darunter, auf jeder Fete nur ein Notstopfen zu sein, nie einen festen Freund gehabt zu haben und sehnte mich nach einem Mann, der mich glücklich macht. Ich fühlte mich schon geehrt, dass dieser Mann (11 Jahre älter als ich, für meine Begriffe attraktiv und ein Charmeur, der Süßholz raspelte bis zum Umfallen) ausgerechnet mich zu seiner Freundin "erkoren" hat. Für ihn speckte ich ab von damals 65 Kilo auf ein Kampfgewicht von 55 - es hat fast ein ganzes Jahr gedauert, denn von den vergeblichen Diäten in den Jahren davor hatte ich meinen Stoffwechsel völlig aus dem Ruder gebracht.
Ich ließ mir eine Dauerwelle und blonde Strähnen ins Haar machen, kaufte mir sexy Klamotten (wozu mir mit mehr Gewicht der Mut gefehlt hatte) und gab die Schöne an der Seite meines "Entdeckers". Nach einigen Wochen hielt ich neben der Schule seine Bude in Schuss und zog schließlich mit dort ein. Ein bisschen komisch war mir schon dabei, denn es stand weder mein Name auf der Klingel noch durfte ich ans Telefon gehen, wenn es klingelte, geschweige denn, mich dort mit Namen melden. Naiv und unschuldig wie ich war, tat ich alles genau so, wie er es von mir erwartete. Dass er trotzdem ständig unzufrieden mit mir war, weil es zum Beispiel im Bett nicht so recht klappte oder ich erst mit der Zeit kochen lernen musste, machte mich noch viel unsicherer als ich eh schon war. Ich wollte um jeden Preis geliebt werden.
Dass ich im Bekanntenkreis meines Partners immer nur die Freundin von G. war, fiel mir erst sehr viel später auf. Dass ich trotz flottem Outfit und perfektem Make-Up weiter unzufrieden mit mir blieb war auch klar, denn der Mann an meiner Seite fand ja immer wieder Punkte, die nicht perfekt waren. Er hatte also jeden Grund, mich zu kritisieren und ich hatte allen Grund, mich unwürdig und wenig liebenswert zu finden. Es hat insgesamt über 10 Jahre gedauert, bis ich es leid war, wegen jeder Gefühlsregung oder dem Ausbleiben derselben gemaßregelt und beschimpft zu werden. Langsam ging mir auf, dass mein Männe lediglich jemanden brauchte, den er "klein machen" konnte, um selbst weiter auf dem ihm zustehenden Sockel zu bleiben. Seine Meinung und sein Weg, Dinge zu betrachten oder zu tun durfte nicht angezweifelt werden, dann gab es Krach hoch neun. Mit 29 war ich für ihn nur noch frech und aufsässig, weil ich immer mehr oponierte und mir nicht gefallen ließ, für seine Befindlichkeitsstörungen als Fußmatte zu dienen. Ich bekam unserer Tochter als letzten Liebesbeweis und um mir selbst zu beweisen, dass ich eine ganz normale Frau bin. Immer, wenn er besonders wütend war, warf er mir nämlich vor, ich sei gar keine richtige Frau und er hätte nie etwas mit mir anfangen sollen, das sei nicht gut für ihn gewesen.
Als unsere Tochter knapp 1,5 Jahre als war, trennte ich mich von diesem Ausbund an negativem Weltbild. Ich hatte alles versucht, um ihn und damit mich glücklich zu machen und konnte doch nicht erreichen. Nicht einmal das gemeinsame Kind konnte ihn versöhnlicher mit sich und der Welt (oder auch nur mit mir) stimmen. Da zog ich einen Schlussstrich und versuchte, endlich auf eigene Verantwortung mein Glück zu finden.
Es war nicht einfach. Ich habe viel geheult und geflucht, weil eine alleinerziehende Mutter, die für ihren eigenen Unterhalt aufkommen muss, kein Zuckerschlecken ist, dem eigenen Anspruch an Perfektion in Beruf und im Job als Mutter gerecht zu werden. Aber ich habe es geschafft. Plötzlich war ich stolz auf mich, war zufrieden mit meinem Schicksal - ich war glücklich. Auf einmal lernte ich lauter Menschen kennen, die - genau wie ich - positiv ins Leben schauten. Ich hätte Bäume ausreißen können, so froh und energiegeladen fühlte ich mich. In dieser Zeit lernte ich meinen heutigen Ehemann kennen. Da war ich dann schon Anfang 30. Es war von Anfang an eine Beziehung unter ganz anderen Voraussetzungen. Jeder von uns hatte sein Leben bisher allein auf die Kette gekriegt und musste dem anderen nicht abverlangen, dass er einen glücklich macht. Aber wir fanden auch gemeinsame Wunden, die wir gegenseitig pflegen konnten.
Ich habe aus diesen langen Jahren der Selbstaufgabe gelernt, dass sie einen nicht glücklich macht. Sicher wäre ich heute nicht die Frau, die ich bin, wenn ich nicht diese Zeit erlebt hätte, in der ich nur für einen anderen und nicht für mich selbst gelebt habe. Es war mein Weg, den ich eine zeitlang gegangen bin und dann verlassen habe, um letztlich mein Glück zu finden - in mir selbst! Ich hatte es immer bei mir. Es lag nicht irgendwo auf der Straße oder im Herzen eines anderen Menschen. Es war immer da und ich habe es irgendwo außerhalb gesucht. Wie dumm ich doch war.
Natürlich ist es für Jugendliche schwer, sich mit allen seinen Fehlern und Mängeln zu akzeptieren. Ihr könnt euch sogar ziemlich sicher sein, dass es anderen Menschen ganz genau so geht. Manche lernen mit der Zeit, dass sie gar nicht anders oder perfekter werden müssen, um liebenswert zu sein und ein Recht auf Glück zu erarbeiten. Dieses Recht ist ein Naturgesetz. Jedes Individuum ist liebenswert und gut und nur man selbst ist für sein eigenes Leben verantwortlich, nicht für das eines anderen. Es gibt auch Erwachsene, die das nicht glauben wollen, und das ist nicht gut, weder für sie selbst noch für die Menschen, die sie lieben. Darum rate ich euch: meidet Beziehungen zu Menschen, die "Gott und die Welt" für ihr eigenes Elend verantwortlich machen und im Kopf so beschränkt sind, dass sie nicht glücklich werden können. Sie werden euch unglücklich machen. Haltet euren Geist offen und nehmt euer Leben in die Hand. Ihr seid gut und richtig, so wie ihr seid. Liebt euch!
Viele Grüße
Anke
(41 Jahre alt, 161 cm groß, 75 - 80 Kilo schwer - und glücklich)