alex_77
New member
Du beschreibst da 1:1 meine schlechteren Tage und Phasen, kann ich 100% genau so unterschreiben.Dieses Gefühlszustände sind schwer zu beschreiben aber ich versuche es einmal.
Trotz Schlaf fehlt am Morgen die Energie aber eher psychisch als physisch.
Irgendwie habe ich innerlich eine Unruhe/ Getriebenheit oder Stress.
Die Konzentration ist noch sehr im Keller.
Gespräche strengen mich an egal mit wem.
Es fehlt irgendwie einfach die Power, der Elan zu vielen.
Arbeiten im Haus oder handwerkliche Dinge strengen mich total an obwohl sie nicht kompliziert sind.
Durch diese Zustände fühle ich mich zum Teil so abgespalten und getrennt von der normalen Welt.
Ich benötige im Moment sehr viel Ruhe. Am Nachmittag wird es sukzessive besser und am Abend fühle ich mich großteils sehr wohl.
Wenn Du mich fragst, ist es genau das, was Du selbst auch schon vermutest: Eine Erschöpfungsdepression infolge von Überlastung, in deren Fahrwasser dann auch eine gesteigerte Sensibilität und Ängstlichkeit mit hochkommt.
Und gerade Deine Beschreibung Deiner Situation, die meine eigene in vielen (akuten) Momenten wie gesagt ziemlich exakt beschreibt, beruhigt mich gleichzeitig: Es geht nicht nur mir so!


Jepp, dito!Das komische ist, das ich es weiß wie es anders sein kann, aber ich schaffe es noch nicht wieder ans andere Ufer zu gelangen.
Phasenweise spüre ich von innen heraus wieder dieses alte Gefühl das alles wieder passt, aber noch nicht durchschlagend.
Das ist auf jeden Fall der richtige Weg, so handhabe ich es auch.Ich verstecke mich nicht und versuche einen geregelten Tagesablauf zu haben, raus zu gehen und Sport zu betreiben. Auch wenn vieles sich noch nicht so wie früher anfühlt mache ich alles.
Ein klares und eindeutiges "Jein"Heilt wirklich die Zeit alles + Medikamente?

Eine Erschöpfungsdepression / Burnout und vergleichbares entsteht "schlicht und einfach" durch Dauerüberlastung, durch Dauerstreß. Das ist wie der Rhein heute Morgen, der infolge des Tauwassers und Regens der letzten Tage und Wochen über die Ufer getreten ist: Die Situation kann sich im wesentlichen nur durch drei Dinge entspannen: Man errichtet höhere Deiche, es fließt hintendran schneller ab, oder es hört auf zu Tauen und zu regnen.
Auf unsere Situation übertragen bedeutet das für mich:
Höhere Deiche (= höhere Resiliation gegen Streß) errichtet man nicht über Nacht, das dauert einige Jahre, erst Recht über eine so große Gefährdungsstrecke hinweg. Das dauert in der Tat einfach seine Zeit.
Ein schnelleres Abfließen (= konstant schnellerer Streßabbau) dürfte kurzfristig schwer möglich sein, dafür müßte man den Rhein über Hunderte von Kilometern hinweg verbreitern o.ä. Auch das dauert Jahre bzw. Jahrzehnte. Auch das ist "einfach" eine Frage der Zeit, bis das Flußbett wieder auf Normalniveau ist.
Worauf wir allerdings einen gewissen Einfluß haben, ist, wieviel es taut oder regnet (= weniger neuer Streß). Ich weiß: Hier hinkt das Bild ein bißchen

- Was muß ich wirklich unbedingt tun, wo geht es wirklich nicht ohne mich (gerade jetzt, in einer Phase der Erschöpfung)?
- Was muß zwar eigentlich gemacht werden, kann aber auch langsamer erledigt werden?
- Was kann ich vielleicht auf morgen, übermorgen oder nächste Woche verschieben?
- Was kann ich delegieren?
- Was kann ich liegenlassen; ist nicht so dramatisch, wenn es nicht erledigt wird?
=> Mehr Ruhe, mehr Entschleunigung, mehr Effizienz. Du schreibst es ja selbst:
=> Dann höre auf diese innere Stimme, dieses Bedürfnis, und kämpfe nicht dagegen an. Es ist im Augenblick so. Punkt.Ich benötige im Moment sehr viel Ruhe.
Davon bist Du kein anderer Mensch als vorher, kein schlechterer Mensch, kein faulerer Mensch.
Du bist schlichtweg überlastet, erschöpft und brauchst Zeit und Ruhe. Viel Zeit und viel Ruhe!
Ich würde es Dir wünschenUnd wenn dann im Frühling alles auf einen Schlag weg ist war's dann doch nur eine Winterdepressionen???

Aber im Ernst: Aufgrund Deiner Leidensgeschichte seit 2002 habe ich da so meine Zweifel dran, daß es nur eine Winterdepression bei Dir und auch mir ist. Es kommt ja immer wieder, und zwar nicht nur, wenn ab Oktober die Tage kürzer und trister werden.
Sicherlich ist es so, daß die dunkle Jahreszeit als Katalysator in der Hinsicht fungiert: Wenn man eh schon erschöpft und latent niedergedrückt ist, dann sind Lichtmangel und trübe Wolken-Regen-Nebel-Tage eher in der Lage, einen noch zusätzlich zu deprimieren. Nicht ohne Grund gibt es ja nun auch zahlreiche Studien, die belegen, daß Sonnen- und Tageslicht unbedingt notwendig sind für eine ausgeglichene Stimmung und die Gesundheit als Ganzes.
Aber wie gesagt: In unseren Fällen ist eine Winterdepression (leider) nicht der ausschlaggebende Hauptfaktor

Trotzdem kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken und zu verzagen:
Wie schonmal beschrieben, ist die Welt einfach zu schnell und hektisch für den Menschen geworden. Der Trend zur Entschleunigung, Meditation und Achtsamkeit hat nicht ohne Grund eingesetzt! Wichtig ist nur, daraus nicht die falschen Schlußfolgerungen zu ziehen: Mein Meditationslehrer sagte einmal, die meisten Menschen gingen recht entspannt und energetisiert aus der Meditation raus - und stürzten sich dann sofort wieder mit vollem Elan in die nächste hektische Aufgabe, die "dringend" zu erledigen sei. Nachdem ich etwas darüber nachgedacht habe, stimme ich ihm zu: Das ist wie ein Smartphone, daß Du vom Ladekabel trennst, kaum, daß der Akku 11% anzeigt und die rote Leuchte ausgegangen ist: Es reicht zwar für ein Telefonat und nen kurzen Chat via WhatsApp - aber nach ner Stunde spätestens in normalem Gebrauch ist der Akku dann doch wieder leer, und das Smartphone schaltet sich aus.
=> Genauso gehen wir heutzutage mit uns um.
Und falls Du Dich noch daran erinnerst, gab es vor zehn Jahren noch Akkus, die den sogenannten "Memory-Effekt" entwickeln konnten: Regelmäßig den Ladeprozeß zu früh unterbrochen, konnte es dazu führen, daß der Akku sehr bald nicht mehr in der Lage war, sich noch voll aufzuladen - er speicherte quasi den 10/20/30%-Zustand irgendwann als scheinbar "voll" ab, und als Nutzer ärgerte man sich dann, wenn das Handy nach drei Stunden Betrieb schon wieder leer war.
=> Auch wir haben über Jahre und Jahrzehnte gelernt, daß es "normal" ist, sich hier und da mal ein bißchen auszuruhen und dann wieder voll durchzustarten. Echtes Nichtstun, faulenzen, "Akku aufladen" bis 100%, haben wir komplett verlernt. Noch nichtmal mit "SingleTasking" geben wir uns zufrieden - es muß immer "MultiTasking" von wenigstens 3-4 Aufgaben gleichzeitig sein. Was unseren Akku ebenfalls schneller wieder entleert, genau wie das Smartphone, wenn gleichzeitig Kalender, Smartphone, ein Spiel, WhatsApp, der Browser und ein YouTube-Video gestartet sind...
Deswegen:
Ja, Zeit (und Medikamente) können alles heilen - wenn Du selbst Dir vor allem die Zeit auch wirklich als solche zugestehst! Gestehe Dir die Überlastung und die Erschöpfung wirklich bis in die letzte Zelle ein und handle entsprechend. Nimm den Druck aus dem System, nimm Aufgaben raus, mach langsamer, bewußter, achtsamer und ruhiger - und dann wird es mit der Zeit auch wirklich besser.Heilt wirklich die Zeit alles + Medikamente?
Der "Alte" im Sinne von 150/200%-Tatendrang mit Multitasking, tonnenweise Verpflichtungen und Überforderung wirst Du aber wahrscheinlich nicht mehr werden. Die Frage ist nur: Würdest Du das überhaupt so wollen, wenn Du weißt und Dir eingestehst, daß Dich das überhaupt erst in diese Situation gebracht hat...?

LG,
Alex