Moin joini,
Mein HA hat Urlaub und ein Psychiater ist so flott sicher nicht zu bekommen!
Umso wichtiger meiner Meinung nach, daß Du am besten noch heute rumtelefonierst und Dir Termine geben läßt.
Ich hatte 2013 meinen akuten Zusammenbruch im November und mußte in der Tat bis Anfang Februar 2014 warten auf den ersten Termin. Dachte anfangs auch "Mann ist das ne lange Zeit, das stehste nicht durch...". Am Ende hab ich's aber doch (recht gut) durchgestanden, und ich war heilfroh, als ich dann endlich vor dem Psychiater saß.
Das war in meinem Fall sogar besonders wichtig und richtig, weil mein Hausarzt im November zwar super reagiert und mir Citalopram verschrieben hat, dieses aber prompt Auswirkungen auf meinen Herzrhythmus hatte, was der Psychiater festgestellt hat und mir daraufhin eben Fluoxetin verordnet hat.
Ich kann Dr. Riecke also nur zustimmen:
Als kurzfristige Soforthilfe mag das
Amitriptylin gut und besser sein als gar nichts. Aber auf lange Sicht brauchst Du Expertenhilfe von nem Psychiater. Mit Rückenschmerzen oder Herzproblemen gehst Du ja auch zum Spezialisten
Aber jetzt will ich was tun und kann nicht!
Vorsicht, daß Du Dir nicht versehentlich selbst ein Bein stellst
=> Du
glaubst nicht zu können!
Das ist ein Unterschied!
Sei vorsichtig, solche Sätze über das, was Du angeblich nicht zu können glaubst, nicht zu oft und zu affirmativ zu postulieren. Wenn Du das
mal so denkst, sagst oder schreibst, ist das in Ordnung.
Aber das menschliche Gehirn lernt über stetige Wiederholung. Je häufiger Du Dir - und sei es noch so unbewußt und versehentlich - einen solchen Satz "vorbetest", umso mehr festigt er sich irgendwann zur Überzeugung. Und umso schwierigier wird es, ihn wieder aus dem Kopf zu bekommen und zu korrigieren.
Ich spreche das aus eigener, bitterer Erfahrung, weil ich mein Leben in den Monaten und Jahren bis zu meinem Zusammenbruch 2013 als zunehmend "sch****" und "mein Leben ist zu Ende" gedacht und empfunden habe. Tja... rückblickend kein Wunder, daß meine Psyche dann irgendwann der gleichen Ansicht war: "Wenn der das so häufig denkt und sagt, wird das schon stimmen..."
Pustekuchen...
... wir formen unsere Wirklichkeit bis zu einem gewissen Grad wirklich selbst, im Schlechten wie auch im Guten (Denken).
Versuche Dich also, ganz langsam von diesem Denken zu lösen. Immer, wenn Du Dich dabei ertappst, daß Du denkst "ich kann das nicht; ich schaffe das nicht; ich werde immer schwächer; ich packe das körperlich nicht" - dann sag Dir kurz "Stop!" und kontere den Gedanken sofort: "Red keinen Quatsch - natürlich schaffe ich das! Ja, mir geht es gerade nicht allzu gut, und ich
fühle mich ein
bißchen schwach. Aber das geht vorüber! Ich bin stärker, als ich das im Augenblick glaube, und wenn ich gaaanz langsam mache, dann kriege ich das auch hin. Ich
sollte (nicht "darf"!) es eben im Moment nur nicht übertreiben. Aber wenn ich mir das grundsätzlich zutraue und es in Ruhe angehe, dann wird es mit der Zeit immer besser klappen."
So oder ähnlich.
Dein Handeln und Denken müssen mehr im Einklang sein. Meine Erfahrung ist, daß es in der Tat nicht klappt, die Geschirrspülmaschine umzuräumen, wenn ich mich innerlich-gedanklich dagegen auflehne - das raubt mir zusätzlich und unnötig Kraft. "Stop!" => "Die Maschine umzuräumen, ist nun wirklich kein Akt! Natürlich kriege ich das hin. Ich schalte mir dazu das Radio ein, gucke zwischendurch immer mal wieder kurz aus dem Fenster, und in zehn Minuten ist es erledigt. Und wenn die Küche dann aufgeräumt ist, kann ich zurecht stolz auf mich sein!"
Ich weiß natürlich nicht, inwieweit Du Dich mit kognitiver Verhaltenstherapie und positivem Denken in der Vergangenheit schon auseinandergesetzt hast.
Aber ich bin zwischenzeitlich wirklich davon überzeugt, daß wir Menschen uns vieles selbst unabsichtlich, unbewußt und ohne Kenntnis der langfristigen Konsequenzen unnötig schwer machen - oder eben auch leicht machen können
BTW: Und auch, wenn ich die Theorie kenne und davon überzeugt bin, heißt das noch lange nicht, daß ich es immer und perfekt beherrsche

- Auch hier, jetzt gerade beim Tippen: Zuerst wollte ich schreiben "Und auch, wenn ich die Theorie kenne und davon
einigermaßen überzeugt bin,..." - gelesen, nachgedacht - mir selbst gesagt: "Nein, das ist zu schwach, warum nur 'einigermaßen'?!? Bin ich jetzt überzeugt oder nicht...?" => "... wenn ich die Theorie kenne und davon
ziemlich überzeugt bin,..." - nachgedacht - mir selbst gesagt: "Nein, Quatsch - ich
BIN davon überzeugt. Sonst brauche ich es gar nicht erst zu schreiben. Und abgesehen davon bin ich ja auch wirklich davon überzeugt; ich erlebe ja mittlerweile regelmäßig, daß es so funktioniert, wenn auch nicht immer, aber doch sehr sehr häufig"
=> Also: Sowohl "einigermaßen" als auch "ziemlich" weggelassen => Ich BIN überzeugt - und zwar davon, daß wir uns das Leben auch leicht machen können.
Es ist allerdings eine Übungssache, erst recht in einer Welt und Gesellschaft, in der das Negative gern in den Vordergrund gestellt wird.
Ich denke, daß es wirklich ein entscheidender Kniff hin zur Genesung ist, sein Denken umzutrainieren. Immer und immer wieder - die zuvor schon erwähnte stetige Wiederholung
Genug für den Moment.
Und wie gesagt: Laß Dir schonmal nen Termin beim Psychiater geben, selbst, wenn es ein paar Monate dauern sollte. Es wird nicht früher werden, wenn Du länger wartest
LG, halt die Ohren steif, und mach langsam - mit der Betonung auf "machen" und "langsam"
Alex