RE: Zuviel Betacarotin
Es ist richtig, dass ß-Carotin die Vorstufe von Vitamin A ist und vom tierischen Organismus, also auch vom Menschen, in Vitamin A umgewandelt werden kann. ß-Carotin wird daher auch Provitamin A genannt. In Pflanzen gibt es kein Vitamin A, also auch nicht im Karottensaft. Da die Umwandlung vom Bedarf abhängt, ist selbst bei sehr hoher Aufnahme von ß-Carotin keine Vitamin A-Hypervitaminose zu befürchten. Daraus darf man jedoch nicht schließen, dass ß-Carotin in hohen Mengen absolut ungefährlich ist. Hierzu sind die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien kontrovers.
Bei der ß-Carotene and Retinol Efficiacy Trial (CARET), der Alpha-Tocopherol, ß-Carotene Cancer Prevention Study (ATBC; Finnland-Studie), der Physician`s Health Study (PHS) und der Linxian-Study wurde der Einfluss einer Gabe von ß-Carotin, Alpha-Tocopherol (Vit. E) und Retinol (Vit. A) bei Bevölkerungsgruppen mit einem hohen Lungenkrebs-Risiko (Raucher, auch ehemalige, Arbeiter mit Asbest-Belastung) untersucht.
Bei der ATBC-Study wurden 50 mg Alpha-Tocopherol, 20 mg ß-Carotin einzeln oder in Kombination 29.133 Rauchern 5-8 Jahre lang verabreicht. Eine weitere Gruppe bekam ein Placebo (Scheinpräparat). Die Anzahl der Lungenkrebserkrankungen war nach Einnahme von ß-Carotin, einzeln oder in Kombination mit Alpha-Tocopherol, im Vergleich zur Einnahme von Alpha- Tocopherol oder Placebo erhöht - allerdings nur bei Konsum von mind. einer Packung Zigaretten /Tag und nicht bei geringeren Mengen.
Bei der CARET-Study mit 18.314 Teilnehmern (62% Asbest exponiert, die meisten Raucher bzw. frühere Raucher) wurden 30 mg ß-Carotin + 25.000 IU Retinol oder ein Placebo verabreicht. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil die Zahl der Neuerkrankungen an Lungenkrebs um 28%, und die Sterblichkeit um 17% höher war bei der Gruppe, die ß-Carotin + Retinol bekommen hatte im Vergleich zur Placebogruppe. Wenn man nur die Noch-Raucher berücksichtigt, dann war das Lungenkrebsrisiko sogar um 42% erhöht. Bei der Gruppe, die 2 Jahre vor Studienbeginn das Rauchen aufgegeben hatte, brachte die Einnahme von ß-Carotin + Retinol keinen statistisch nachweisbaren Effekt im Vergleich zur Placebogruppe.
Bei der PHS-Study mit 22.071 Teilnehmer (11% Raucher, 39% frühere Raucher), die 12 Jahre lang jeden zweiten Tag 50 mg ß-Carotin oder ein Placebo erhielten, konnte nach ß-Carotin-Gabe weder Vor- noch Nachteile bzgl. Krebs, Herzinfarkt oder Sterblichkeit festgestellt werden.
Bei der Linxian-Studie bekamen 29.584 Personen (30% davon Raucher) verschiedene Kombinationen von Vit. A, C, E, B2, Niacin, ß-Carotin, Zink, Molybdän und Selen. Die Einnahme von 15 mg ß-Carotin, 30 mg Alpha-Tocopherol und 50 mg Selen/Tag über 5 Jahre reduzierte das Krebsrisiko (v.a Magenkrebsrisiko) um 13% im Vergleich zu allen anderen Kombinationen.
Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen Unterschiede in der ß-Carotin-Dosis und im Risikoprofil der Studienteilnehmer berücksichtigt werden. Bei der Linxian-Studie war die ß-Carotin-Dosis (15 mg) und der Anteil der Raucher am geringsten. Ob ß-Carotin in hohen Dosen bei Risikopersonen evtl. als Co-Karzinogen wirken könnte (s. CARET-, ATBC-Study), wird kontrovers diskutiert, weil die meisten Raucher bereits seit Jahren und in hohen Mengen geraucht hatten und der frühe Zeitpunkt der Krebsentstehung, bis zu dem Antioxidantien wie ß-Carotin Schutzeffekte ausüben können, längst verstrichen war. Man weiß, dass ß-Carotin in hohen Dosen prooxidativ und damit zellschädigend wirken kann; aber andererseits durch prooxidative Effekte Mechanismen angekurbelt werden können, die die Zerstörung von Krebszellen begünstigen.
Fazit: Mit 1/2 L Karottensaft nehmen Sie 13,1 mg ß-Carotin auf. Die wünschenswerte Zufuhr von 2-4 mg/Tag wird damit in jedem Fall erreicht. Eine Zufuhr bis zu 10 mg / Tag über die Nahrung gilt als unbedenklich, während die Unbedenklichkeit höhere Dosen (20 bzw. 30 mg) bei starken Rauchern in Frage gestellt werden muss.
Die Gelb-Orangefärbung der Haut (Carotenodermie) tritt auf bei exzessiver Zufuhr von ß-Carotin-haltigen Lebensmitteln auf, ist jedoch harmlos und bildet sich nach einiger Zeit (3 Wochen bis einige Monate) nach Absetzen der sehr hohen Zufuhr zurück.