RE: Tips gegen Weglaufen (Demenz)?
Es hilft nicht wirklich weiter was ich jetzt von mir gebe...aber ich glaube nicht, dass die Demenzkranken weg - laufen...sie wollen zu einem ganz bestimmten Ort laufen...mit ganz bestimmten Menschen zusammen sein, die oft schon verstorben sind...Mein Vater (physisch schwer krank und in letzter Zeit sehr...wie soll ich sagen...verletztlich und hauptsächlich Nachts verwirrt, furchtbar desorientiert und dabei sehr unruhig und nervös- eine genaue Diagnose steht noch nicht fest ) wurde nur einen Tag nach einem längeren Klinikaufenthalt in einer Lungenklinik von seinem Neurologen in eine Notfall-Psychatrische Klinik verlegt -.weil er eben schon im Krankenhaus immer wieder "nach Hause" wollte...sich Katheter, Zugänge, Magensonde, etc gezogen hat...ich bin kein Fachmann...aber ich weiß, wo er hin will...nach Hause, in eine Zeit wo er noch gesund war, wo er als erwachsener Mann seinen geliebten alten Eltern tatkräftig helfen konnte, wo er mit seinem älteren Bruder und dessen Frau zum Tanzen ging, wo seine eigenen Kinder mit der Schultüte durch´s Wohnzimmer toben etc...das ist kein weg-laufen im eigentlichen Sinne...das ist ein "guter, sicherer Ort"...und ich verstehe auch, wenn er ganz furchtbar traurig oder ärgerlich wird, wenn man versucht ihn aufzuhalten...er will doch nichts böses...er will doch nur "nach Hause"...und versteht nicht, warum man ihn versucht daran zu hindern...er macht sich furchtbare Sorgen, dass seine Familie auf ihn wartet und gar nicht weiß wo er ist...es bricht mir das Herz...am schlimmsten ist es für mich, wenn er "klar" im Kopf ist...dann möchte er unbedingt in sein jetzigeszu Hause, wo er mit meiner Mutter wohnt und einen kleinen Garten hinterm Haus hat., nur raus aus dem Krankenhaus..wie jeder normale Mensch..wo er nicht rund um die Uhr beobachtet wird, seine Intimssphäre hat - er weiß doch gar nicht, was er Nachts so alles macht...wie erklärt man einem erwachsenen Mann, der schwer krank ist, dass man ihn nicht nach Hause holen kann?
Sie versuchen nun ein Medikament zu finden, dass ihn wenigstens Nachts zur Ruhe kommen lässt...um so weniger er schläft und sich ausruhen kann, um so heftiger wird sein Drang zu diesem "vergangenen zu Hause" zu kommen - und dann riskiert er Kopf und Kragen...aber auch akute Schmerzen und die Realisierung, dass er tot krank ist, läßt ihn "abdriften"...genauso wie "strenge Ansprachen" und/oder Schimpfen oder gar Erklärungsversuche...vielleicht ist das bescheuert, vielleicht rede ich mir das selbst nur ein um das irgendwie zu akzeptieren...aber oft glaube ich, als wäre die Art von Demenz unter der mein Vater leidet, mit diesem extremen Drang in die Vergangenheit und die damit verbundene "hin-lauferei"...so eine Art...Übergang...sein Körper, sein Herz, seine Lunge hätte ohne all die Medikamente, ohne die Magensonde, ohne all die Zusammenflickerei schon längst versagt...und wenn Du mich fragst, dann schwindet während einer Demenz der Geist keineswegs...er macht nur der Außenwelt klar, dass er jetzt endlich "nach Hause" will, dass er nicht mehr mit dem hier und jetzt verbunden sein möchte...
Ich weiß, dass hilft Dir auch nicht weiter, mir auch nicht, das macht es nur schlimmer..es ist nur so, dass sämtliche Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Ärzte, Wissenschaftler und auch die Angehörigen verdammt noch mal alles tun um den Körper unter allen Umständen am Leben zu halten....ich weiß nicht ob das richtig oder falsch ist, oder ob ich Recht oder Unrecht habe...ich bin mir nur sehr sicher, dass kein Mensch einem Anderen "schuldet" am Leben oder "normal" zu bleiben, oder sich ohne Ende weiter zu quälen um Irgendjemanden einen Gefallen zu tun...das müssen wir uns alle abschminken...auch dass unsere alten und kranken schon "gehen" werden, wenn ihre Zeit gekommen ist...das ist quatsch...bei all den Medikamenten und Möglichkeiten der Medizin kann man doch gar nicht mehr sagen, wann Jemandes Zeit gekommen ist...
Ich habe in den letzten 4 Jahren sehr sehr viel Zeit...Monate, von morgens bis abends mit meinem Vater in den verschiedensten Krankenhäusern verbracht und dabei sehr viele, sehr kranke Menschen getroffen...vielen von denen hätte ich eine Demenz gewünscht, viele von denen wollten "gehen" aber wurden von Anderen zum "Kämpfen" genötigt...und wieder andere erwarteten Wunder von den Ärzten...
Das hört und fühlt sich für mich nach unendlichem Stress an...Stress, der eigentlich nicht mal Sinn ergibt...wie der Stress, dem man einem Demenzkranken zufügt, wenn man von ihm Einsicht und Vernunft und Rücksichtnahme verlangt...das stresst alle Beteiligten und frustriert so unendlich....erwarte von der Medizin nicht, dass sie Deiner Oma den Drang zum "nach Hause" gehen austreibt...vielleicht können sie ihn dämpfen aber mehr geht nicht...