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Seit zwei Jahren schwere Depression mit immer wieder aufkommenden suizidalen Krisen

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Hallo Evi,

ich habe mir Deinen Thread mal aufmerksam durchgelesen, und es tut mir sehr leid für Dich, daß Du so tief drinsteckst.

Ich habe selbst seit zweieinhalb Jahren Depressionen und Angststörungen, und bei mir ist anfangs auch alles mögliche zwischen leichter und schwerer Depression mit Anpassungsstörung und Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden. (Die Schwere übrigens während eines dreiwöchigen Klinikaufenthaltes - aber dazu später noch zwei Sätze mehr.) Zwischenzeitlich denke ich, daß es bei mir primär arge Unsicherheit, generelle Ängste über alles Mögliche, mangelndes Selbstbewußtsein und dadurch dann die phasenweise ausgelösten Depris sind. Im Laufe der Zeit habe ich mit meinem Therapeuten, mit meiner Frau und auch für mich zahlreiche potentielle Ursachen aus meiner Vergangenheit durchforstet, und ich war irgendwann auch an dem Punkt, daß ich zwar sehr vieles aufgedeckt hatte, aber trotzdem nicht so recht wußte, wie mir das nun konkret weiterhelfen sollte. Geschweige denn, wie man mit einzelnen Themen denn nun "richtig" abschließen kann... Tired erinnert sich vielleicht an meine Frage ;)

Mittlerweile schließe ich mich Tireds damaliger Antwort immer mehr an, daß man das in dem platt und landläufig gemeinten Sinne wahrscheinlich niemals wirklich kann: Man kann mit seiner Vergangenheit nicht "abschließen", sie wird immer Teil von einem sein.
Was man aber sehr wohl lernen kann, ist zu erkennen und - mit der Zeit! - zu verinnerlichen, daß es eben die Vergangenheit(!) ist. Und nicht die Gegenwart oder die Zukunft. Wir Menschen tendieren leider dazu, ohne die entsprechende Erkenntnis, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gedanklich wild durcheinanderzuwürfeln. Zu glauben, daß das, was war, auch jetzt noch so ist und immer so sein wird. Daß das, was geschehen ist, auch heute und morgen wieder geschehen kann und wird. Das ist allerdings ein Trugschluß, und den versuche ich mir immer wieder auf's Neue bewußt zu machen:

Mein überangepaßtes und übervorsichtiges Verhalten ist zwar ein Resultat von Verletzungen und negativen Erfahrungen aus meiner Kindheit und Jugend. Doch während dieses Verhalten als - weitestgehend unmündiges und abhängiges - Kind und Jugendlicher noch nachvollziehbar und "richtig" gewesen ist, so habe ich das als Erwachsener nicht mehr nötig: Ich kann tagtäglich und in jedem Augenblick meines Lebens selbst entscheiden, ob ich etwas tue oder nicht tue, ob ich ein bestimmtes Risiko eingehe oder nicht eingehe. Und die Konsequenzen sind in den allermeisten Fällen weit weit weniger dramatisch, als es uns unser, durch Strafen und Mißachtung etc. aus Kindheit und Jugend geprägtes, Unterbewußtsein weißmachen möchte! Da gibt's keine Ohrfeigen mehr, da wird man i.d.R. nicht mehr ausgelacht, von schlimmerem gar nicht zu reden.

Auch klar:
Soweit die Theorie ;)
In der Praxis fällt mir das mal leichter und mal schwerer. Es ist eben wirklich eine Frage von Geduld und Zeit, bis man alte Verhaltens- und Denkmuster ver- und neue gelernt hat.

Worauf ich damit hinauswill:
Ich denke, daß es schon wichtig ist, die Ursachen in der Vergangenheit aufzudecken und so gesehen auch aufzuarbeiten, daß man sie besser einsortieren kann. Und je nach Schwere der Erfahrungen und Traumata sind da garantiert auch noch weitere Schritte vonnöten, wie Trost und Verständnis bspw. durch die Schuldigen von damals.

Darüber hinaus jedoch scheint es mir sehr wichtig zu sein, ganz im buddhistischen Sinne mehr im Augenblick, in der Gegenwart zu leben und sich immer wieder klarzumachen, daß das Heute nicht das Gestern ist. Selbst, wenn sich vieles ähnelt, ist es doch anders, und man kann sich anders entscheiden, anders denken und anders handeln.

Damit ich das hinkriege, übe ich mich wirklich in Achtsamkeit. Darin, in der Gegenwart zu leben. Zu atmen. Wahrzunehmen. Vor allem das Schöne, und das dann auch bewußt zu genießen, indem ich es auch ganz bewußt im Kopf so denke.
Weiterhin habe ich vor längerer Zeit mal Yoga gemacht und werde das im September auch wieder anfangen. Die anderthalb Stunden einmal die Woche haben mir damals unheimlich gut getan, abzuschalten und zu entspannen. Ich hoffe, daß das wieder so sein wird - einmal die Woche in einer ruhigen und geschützten Umgebung fernab von jedem Trubel abschalten und runterkommen.
Abends vor dem Schlafengehen höre ich mittlerweile immer wieder mal Traum- und Fantasiereisen. Auch das hilft mir enorm, den Kopf auf andere Gedanken zu bringen, und ich hänge dann negativen Gedanken und Empfindungen nicht mehr so sehr nach. Manchmal döse ich dabei sogar schon ein, damit das entspannte Einschlafen anschließend meistens kein Thema mehr.


Das alles fällt mir wie gesagt auch nicht immer leicht - mal klappt es besser, mal schlechter; immer wieder rutsche ich auch in die eingefahrenen Spuren zurück, auch mal für länger, was dann prompt auch unter Umständen ne tagelange depressiv-ängstliche Phase nach sich zieht. Ich denke aber schon, daß es mir immer besser gelingt, neue, bessere Spuren anzulegen, und mit der Zeit werden sie sich einfahren, und die alten werden versanden. Irgendwann einmal...


Ich würde Dir daher empfehlen, begleitend zu der professionellen Unterstützung Dich einmal mit dem Achtsamkeitsthema vertraut zu machen. Das geht auch sehr gut über Bücher; wenn es Dich interessiert, kann ich Dir da gern mal ein zwei Tipps geben.
Aber auch mit Hilfe von Yoga oder Tai-Chi wirst Du ruhiger und achtsamer. Sieh Dich also mal bei Gelegenheit um, ob es in Deiner Nähe Kurse gibt, bspw. bei der VHS.
Zuguterletzt schließe ich mich HelloGoodBy's Ratschlag mit dem Joggen an, bzw. eben ein bißchen leichter Sport ganz allgemein. Eventuell wäre für Deinen Aggressionsabbau sogar ein Kampfsport geeignet...? Ich könnte mir gut vorstellen, daß es Dir hilft, selbstbewußter, energischer und souveräner aufzutreten. Eine Freundin meiner Frau macht bspw. regelmäßig Kickboxen, und sie sagt, daß es so gut tut, den ganzen Frust und Ärger rauszuschlagen und vor allem auch rausschlagen zu dürfen(!), und sei es eben nur gegen den Boxsack. Besprich das vielleicht mal mit Deinem Therapeuten, was er davon hält.


Genug für den Moment :)

Wünsche Dir auf jeden Fall auch gute Besserung, und laß Dich nicht unterkriegen! Du machst das alles genau richtig, auch, daß Du Deine Familie informierst und miteinbeziehst!

LG,
Alex
 
Hallo Alex!

​Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort! Ich habe über das nachgedacht, was Du mir geschrieben hast.

Ja, Du hast recht, die Vergangenheit ist vergangen. Und es fällt mir noch schwer zu glauben oder zumindest zu hoffen, dass es jetzt plötzlich nicht mehr so sein sollte, wie es in der ersten Hälfte meines Lebens war ... und doch ist jetzt etwas fundamental anders: Denn jetzt erst erkenne ich viele Gründe und Ursachen dafür, die in mir selber liegen - in meinen Abspaltungen - und ich bin dabei, genau diese zu verändern ... und somit kann jetzt wirklich Grundsätzliches anders werden. Ich will kein Opfer mehr sein! Und aus dieser Opfersituation befreie ich mich nicht durch den Tod sondern durch einen veränderten Umgang mit den Aggressionen. Ich will lernen, mich zu wehren und für mich zu sorgen!

Was Du zum Thema Kampfsport schreibst, leuchtet mir ein. Du hast so recht ... und wenn ich davon meinem Therapeuten erzählen würde, würde er das sofort unterstützen. Nun, ich habe neben diesen psychischen Problemen auch noch einige chronische Erkrankungen, vor allem MS. (Nebenbei bemerkt: Was ja auf meinem Hintergrund kein Wunder ist. Es ist eine autoaggressive Erkrankung.) Und meine Gehfähigkeit und Kraft sind durch die MS deutlich eingeschränkt. Somit fällt das Joggen als Möglichkeit für mich schon mal weg. Aber ich will jetzt nicht diese Erkrankungen als Vorwand nehmen, um mich nicht aufraffen zu müssen. In meinem Rahmen und Möglichkeiten kann ich schon durch körperliches Training versuchen, die angestauten Aggressionsenergien ohne Eigen- und Fremdgefährdung raus zu lassen und das ist ja die eigentliche Botschaft, die Du und HelloGoodBy mir gebt. Vielleicht gilt auch hier: Nicht viel nachdenken! Nicht verhandeln! Es einfach tun! Ich will es versuchen ...

LG
Evi
 
Ps.: Das mit der Achtsamkeit ist auch ein wirklich guter Gedanke. Ich übe Meditation und es war immer wieder eine bewährte Strategie in der Therapie, durch das mich konzentrieren auf die Gegenwart, die suizidale Krise zu überwinden. Ganz im Hier und Jetzt sein und den Blick für das Schöne wiederfinden ...
 
Hallo an alle!

Ich wollte Euch nur sagen: ICH BIN ES LOS!!! Juchuuuuuuuhhhh!

Sowohl das Arbeiten in der Therapie als auch die Veränderung und Höherdosierung der Antidepressiva haben mich dahin geführt, dass ich diese ständigen Suizidgedanken und akuten Phasen endlich los bin! Jetzt wird alles besser.

Alles Liebe
Evi
 
Hey,
das freut mich sehr für dich.
Viel zu wenige lassen uns daran teilhaben wenn, es sich bei ihnen positiv weiter entwickelt hat.
Danke!!!

Gerade weil es so gut aufwärts geht, solltest du die Arbeit an den Ursachen und Strategien damit umzugehen weiter führen.
Kleine Tiefs können immer mal wieder kommen und machen nicht so viel aus wenn du weißt was zu tun ist, außerdem kannst du auf längere Sicht dadurch die Medikamente langsam ersetzen.
 
Was mich noch interessieren würde,
hast du nun in der Therapie die Dinge so intensiv und im schnellen Tempo aufgearbeitet wie du das unbedingt wolltest?
Oder war die sanftere Strategie des Therapeuten, für dich doch noch zielführend?
 
Hallo Evi,

danke für die Rückmeldung.

Ich freue mich mit Ihnen und wünsche für die Zukunft, dass Sie unbeschwert und eigenständig mit Ihrem Leben zufrieden sein können.

Alle Gute!

Dr. Riecke
 
Liebe Tired,

als "sanft" kann ich die Therapie nicht bezeichnen. Ich habe einige wirklich gute Strategien gelernt und die sind auch wirksam. Wir haben nicht gezielt und systematisch die Extrembelastungen der Vergangenheit bearbeitet, aber sie sind aus den verschiedenen Perspektiven immer wieder zur Sprache gekommen ... Ich habe auch sehr vieles aus diesen Lebensphasen vergessen und keinen Zugriff mehr darauf.

Noch vor wenigen Wochen hat mein Therapeut mich erneut eine Testung machen lassen und da war die Suizidalität noch sehr hoch, was ihn sichtlich frustrierte und mich auch. Mir ist in dem Moment klar geworden, dass es wahrscheinlich einfach immer noch die Depressionen sind, die mich wie ein starker Sog am Abgrund binden. Denn meine äußere Lebenssituation hat sich dermaßen zum Positiven gewandelt, dass ich von daher überhaupt keinen Grund mehr habe, mir was anzutun. Es lief äußerlich noch nie so gut bei mir. Aber ich konnte mich nicht darüber freuen und es auch nicht genießen. Dann habe ich mit dem Psychiater die Dosis der Antidepressiva verdoppelt und jetzt ist der permanente Suiziddrang endlich weg. Die Gedanken oder Bilder kommen schon noch mal, aber nicht mehr so, dass ich mir in dem Moment wirklich was antun könnte. Ein Suizid ist im Augenblick keine wirkliche Option mehr für mich.

Mir ist daran klar geworden, dass die Depressionen noch viel zu stark waren, um aus dem Loch herauszukommen. Die Antidepressiva haben auch in der geringeren Dosis deutlich spürbar gewirkt, aber eben noch nicht ausreichend genug. Wenn man so lange so schwere Depressionen hat, dann weiß man selber nicht mehr, was ein gesunder und "normaler" Zustand ist. Und ab einen gewissen Grad kann man beim besten Willen einfach nicht mehr heraus. Ich möchte fast sagen, der suizidale Zustand zwingt sich einem auf.

Ja, ich möchte unbedingt noch weiter machen und ich brauche die Therapie wirklich noch. Bald habe ich die 80 Sitzungen der tiefenpsychologisch-fundierten Psychotherapie "verbraucht". Ich hoffe sehr, dass mir die Krankenkasse zumindest noch die letzten 20 Sitzungen gewährt. Aber mein Therapeut meinte, dass ich da gute Chancen hätte, weil eine deutlich Verbesserung bei mir wahrzunehmen ist.

Liebe Grüße
Evi
 
Hört sich gut an.;-)

Mit den Stunden ist das immer etwas doof, für manche Probleme sind sie eben nicht ausreichend.
Falls dein Therapeut auch Qualifikationen in der Traumatherapie o.ä. hat, könnte er die Therapie umwandeln, denn dort gibt es mehr Stunden.
Das ist allerdings viel Papierkram und Garantien, das es akzeptiert wird, gibt es natürlich auch nicht.

Man kann auch nach Ablauf der Therapie pro Quartal eine Stunde machen, die kann er abrechnen und so die zwei Jahre Wartezeit überbrücken, damit bleibt der Therapeut auch auf dem Laufenden.

Ich drück dir die Daumen, das du die restlichen Stunden noch bekommst..
 
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