Re: RE: Präsenile Demenz
Re: RE: Präsenile Demenz
Sehr geehrte Frau Brand,
eine Demenztherapie im Sinne einer Heiltherapie gibt es leider (noch) nicht, da bislang noch keine ausreichenden Kenntnisse über das sehr komplexe Entstehen dieser Krankheit vorliegen. Zunächst muss man wissen, welcher Typ von Demenz vorliegt.
Es sind vor allem für Demenzen vom Alzheimertyp einige Medikamente entwickelt worden, welche die schwere Pflegebedürftigkeit um Jahre hinausschieben können (es kann aber sein, dass diese Medikamente auch für andere Demenztypen zulässig sind). Dabei ist es wichtig, diese Medikamente sofort nach der ärztlichen Diagnose regelmäßig zu verabreichen. Es handelt sich dabei um zwei Gruppen: Zunächst wird man vermutlich sog. Acetylcholinesterasehemmer wie Reminyl, Aricept oder Exelon verschreiben. Bei Unverträglichkeit kann man diese untereinander auswechseln oder auch als Pflaster (Exelon)verabreichen. Dann gibt es noch die sog. Memantine (z.B. Axura), die meist später verabreicht werden. Alle diese Medikamente bewirken einen besseren Signalfluss zwischen den Hirnnervenzellen und helfen so, die Alltagskompetenzen möglichst lange zu erhalten. Die Krankheit in ihrem fortschreitenden Verlauf können sie aber nicht anhalten oder gar heilen. Zusätzlich können mit Vitaminen, Gingko-Extrakten, Traubenzucker und natürlich ggf. auch mit der (umstrittenen) Galactose weitere Substanzen verabreicht werden. In jedem Fall ist der Arzt zu befragen.
Wichtig ist v.a., sich eine gute Kenntnis der Krankheit zu erwerben. Grundlagen können Sie hier im Forum unter
http://forum2.onmeda.de/read.html?26,1639618,1639618#msg-1639618
http://forum2.onmeda.de/read.html?26,1640446,1640446#msg-1640446
oder
http://www.alzheimerforum.de/
http://www.deutsche-alzheimer.de/index.php?id=2
erwerben.
Hier in diesem Forum habe ich ein wenig den Krankheitsverlauf meines Vaters protokolliert:
http://forum2.onmeda.de/read.html?26,1382896,1382896#msg-1382896
Sie werden vmtl. einiges wieder erkennen.
Grundsätzlich ist es richtig, mit der Unterbringung in einem Pflegeheim so lange wie möglich zu warten. Aber man wird um einige Entscheidungen nicht herumkommen. So ist es sinnvoll, beim Vormundschaftsgericht eine Betreuung anzuregen, sofern keine Vorsorgevollmacht vorliegt. Selbstverständlich sollte auch eine Pflegestufe beantragt werden bei der Krankenkasse des Patienten. Meist reicht ein Anruf dort und man erhält einen Antrag, den man ausgefüllt zurücksendet. Ein Pflegedienst, der z.B. morgens und abends hilft, kann auch in Anspruch genommen werden und über die Pflegestufe abgerechnet werden – leider bleiben oft Eigenanteile, die man zuzahlen muss (Höhe je nach Pflegestufe).
Dann gibt es an verschiedenen Orten auch das Angebot der Tagespflege. Der Patient wird morgens abgeholt und abends zurückgebracht – das kann der Patient u.U. als „Arbeit“ empfinden, die das Selbstwertgefühl stärken kann. Später: Vor der Dauerpflege sollte man die Kurzzeitpflege wählen und immer schauen, wie gut das Heim ist (andere fragen, ggf. Selbsthilfegruppen).
Nun zu Ihrem konkreten Problem:
Grundsätzlich sind Zwangsmaßnahmen nur mit Einwilligung des Gerichts zulässig. Aber es gibt Ausnahmen in Akutsituationen, welche juristisch als „Gefahr im Verzug“ oder „rechtfertigender Notstand“ bekannt sind. Wenn z.B. nachts der Kranke im Schlafanzug im Winter weglaufen will, darf man ihn m.E. durch Abschließen der Wohnungstür daran hindern, weil sonst eine erhebliche Selbstgefährdung vorliegt (Erfrieren). Bei einer Weigerung des Kranken, sich vor dem Schlafengehen auszuziehen, liegt m.E. keine gefährdende Akutsituation vor (nach mehreren Tagen aber könnte eine Gefährdung durch Bakterien oder Hautpilzen vorliegen – besonders, wenn offene Wunden hinzukommen). Daher muss man mit Tricks arbeiten.
Zuerst sollte man versuchen, sich in die Lage des Patienten zu versetzen. Dieser erkennt oft die Angehörigen nicht mehr und glaubt, fremde Menschen würden ihn anfassen. Das wollen wir ja alle nicht haben, oder? Wenn uns jemand anfasst und uns ausziehen will, würden wir uns verständlicherweise wehren. Bei wem aber würden wir uns nicht wehren? Bei Menschen, denen wir vertrauen oder bei Ärzten. Also gilt es, eine Vertrauensbasis zu schaffen, so gut es geht. Dazu braucht man viel Geduld und man muss den Patienten vielleicht auch mal in seinen Sachen schlafen lassen. Man kann auch ersuchen, sich einen weißen Kittel überzuziehen und eine medizinische Pflegekraft mimen. Oder man zieht sich selber zuerst aus – Stück für Stück und nimmt so die Ängste. Die Unterwäsche kann ja zunächst anbehalten werden – vielleicht sollte man diese mit dem Patienten gemeinsam im Dunkeln oder Halbdunklen, z.B. unter einer Decke, ausziehen und dann den Schlafanzug anziehen. „Seelische Schäden“ können dabei m.E. nicht auftreten schon weil der Patient alles wieder vergisst.
Bei Problemfällen kann auch der sozialpsychiatrische Dienst helfen – es gibt ihn in jeder größeren Stadt oder Landkreis. Einfach anrufen, einen Termin vereinbaren und die Probleme schildern.
Soweit meine Tipps.
Mit freundlichen Grüßen
Egon-Martin