1. Ich wage zu bezweifeln, dass bei der von Ihnen genannten Refraktion ein Visus von 1,0 (100%) erreicht wird, selbst mit optimaler Brillenkorrektur. In diesen Bereichen sind zudem die optischen Nebenwirkungen von Brillengläsern bereits signifikant. Welche Sehzeichen sind bei der Prüfung verwendet worden? Entsprechen die Gläser einer Vollkorrektur oder wurde die Brille deutlich abgeschwächt?
2. Der Navisus sollte bei Kindern immer dem Fernvisus entsprechen, wenn eine optimale Korrektur vorhanden ist und keine Akkommodationsstörung vorliegt. Ein Nahvisus von 0,5 (50%) ist bei einem 5 jährigen Kind ganz und gar nicht normal - schon gar nicht ein Unterschied von 50% zum Fernvisus!! Es sollte also dringends einmal die Akkommodationsbreite gemessen werden. Ausserdem kann man einmal einen Nahzusatz von 2,0 Dioptrien vor die Gläser halten und den Nahvisus erneut prüfen. Wenn er deutlich besser ausfällt, liegt eine Akkommodationsstörung oder eine zu hohe Unterkorrektur vor.
3. Zudem muß Ihre Tochter aufgrund der hohen Weitsichtigkeit einen deutliche größeren Akkommodationsaufwand leisten, als eine Person ohne solch eine Fehlsichtigkeit. Der Unterschied beträgt bei einer Lesedistanz von 30 cm immerhin 1,5 bis 2,0 Dioptrien - selbst bei einer Vollkorrektur - , was auf Dauer ganz erheblich ist und auch zu einem Nachlassen des Nahvisus führen kann. Dieser sollte zu unterschiedlichen Tageszeiten und nach unterschiedlichen Belastungen (Lesen, Schreiben, Malen etc.) möglichst mit ganzen Worten oder Text geprüft werden.
Alles in allem liegt das Problem Ihrer Tochter aber wohl weniger in dem niedriegen Nahvisus (der vermutlich mit Prüfmethoden, verwendeten Sehzeichen, Compliance etc. zu erklären wäre), als vielmehr in der Differenz zwischen Fern- und Nahvisus.
Das sollten Sie einmal mit der Orthoptistin durchgehen. Und machen Sie sie darauf aufmerksam, dass kein Visusunterschied in Ferne und Nähe von 50% in welchem Alter auch immer "normal" ist, abgesehen von einer altersbedingten Presbyopie (Altersweitsichtigkeit).