Hallo liebe Traumfänger,
ich wollte Dir eigentlich schon gestern auch kurz geantwortet haben - aber ich hab mir die Grippe eingefangen und liege so richtig flach...
Womit wir beim Thema wären:
Ich bin bis diese Woche Freitag inkl. krankgeschrieben. Und wahrscheinlich wird das nicht reichen, wenn ich mir ansehe, daß zwei Freunde und etliche Kollegen allesamt 2-3 Wochen krank Zuhause bleiben mußten.
Klar - es bleibt Arbeit im Büro liegen. Klar - da pressieren auch ein paar Dinge. Und auch klar - manches müßte eigentlich auch wirklich von mir selbst bearbeitet werden.
... und?
Mit 39,x Fieber, Schüttelfrost und Gliederschmerzen machste nix!
Klar stehe ich zwischendurch auch mal für ne Stunde auf, so wie jetzt. Aber auch da macht es einen erheblichen Unterschied, ob ich mich via HomeOffice dem Streß aus dem Büro aussetzen würde oder etwas angenehmeres mache.
Ganz zu schweigen davon, daß ich meine Kollegen im Büro anstecken würde, wenn ich es mit Gewalt versuchen würde.
Und soll ich Dir noch was sagen:
Job-wechseltechnisch stehe ich vor ähnlichen Schwierigkeiten wie Du: Ich bin mit meinem Job seit Jahren unzufrieden, möchte wechseln, hätte gern wieder neue Abwechslung. Die Krux: Ich arbeite in einer Branche, die SEHR SEHR gut zahlt. Und ich bin der Hauptverdiener in der Familie, wie meine Frau auch nicht müde wird mir zu versichern...
Interne Umbewerbungen sind bisher gescheitert, drei externe Bewerbungen in den letzten fünf Jahren waren auch erfolglos.
Mittlerweile bin ich im 5. Jahr depressiv-ängstlich (klingt fast ein bißchen lustig, wenn ich es so formuliere *g*), und mein Bammel vor einem neuen Job in einer neuen Firma sind eher größer denn kleiner. Ich werde auf jeden Fall finanzielle Abstriche hinnehmen müssen (wir), und zwar erhebliche, was uns beiden durchaus Bauchschmerzen macht. Und ich muß trotz meiner psychischen Labilität mal mindestens ein halbes Jahr durchhalten und nen ordentlichen Job hinlegen, damit ich übernommen werde. Hinzu kommt, daß ich in der unteren Leitungsebene tätig bin - da wird etwas mehr erwartet als Dienst nach Vorschrift von 8-16 Uhr. Ist also ein ganz ordentlicher Druck, der da auf mir lastet.
Allerdings weiß ich auch, daß ich in meiner jetzigen Firma nicht glücklich bin und es ab in einem halben Jahr eher noch beschwerlicher werden wird: Dann geht ein altgedienter Kollege in seinen wohlverdienten Ruhestand, und ich darf ihn beerben. Wäre nicht das Problem - wenn nicht viele der Systeme und Methodiken in der Firma so uralt, kompliziert und vergewaltigt wären, daß ich da mitunter echt nicht durchblicke. Ändern geht aber nicht so einfach, weil in den 30-40 Jahre alten Systemen so viel miteinander verknüpft ist - da hat NIEMAND mehr den vollen Überblick darüber, was passiert, wenn man an einer Stelle etwas ändert...
Besagter Rentner hat einen Kollegen in meinem Alter (Anfang 40), der mich dann eigentlich auch weiter unterstützen - sollte. Denn der war so schlau und hat sich letzte Woche in den Betriebsrat wählen lassen. Tschüssikowski.
Wir haben zwar auch nen ganz neuen Kollegen in die Abteilung bekommen, letzte Woche Dienstag. Aber der ist noch unerfahrener als ich und wird innerhalb des verbliebenen halben Jahres kaum eine bessere Unterstützung für mich sein als ich für ihn...
Und, ach ja, Januar 2019 geht unser neues, mit der heißen Nadel (sprich viel zu wenig Geld und Know-how) selbst programmiertes Materialbewegungssystem an den Start, an dem ich aus Auftragssteuerungssicht maßgeblich mitbeteiligt bin. Was ich mich da schon in den A**** gebissen habe, weil sich Dinge aus welchen 30 Jahre alten Gründen nicht umsetzen lassen... *aaargh*
Lange Rede, kurzer Sinn:
Ich halte mich grundsätzlich für einen sehr loyalen Mitarbeiter meines Unternehmens.
Trotzdem habe ich den Eindruck, daß die Luft dünner wird - und das nicht nur, weil auch die ganze deutsche und europäische Branche am Bröckeln ist.
=> Nächste Woche habe ich einen Vorstellungstermin bei einer Firma hier am Ort. Der wäre eigentlich schon heute gewesen, aber da hat mir die Grippe dazwischen gefunkt.
Und wenn wir uns handelseinig werden, kündige ich noch diesen Monat bei meinem jetzigen Arbeitgeber und bin in spätestens einem halben Jahr weg - zeitgleich mit dem Kollegen, der in Rente geht, ein Vierteljahr, bevor der Ärger rund um die Inbetriebnahme des neuen Systems losgeht.
Das mag nicht ganz fair und loyal klingen, von außen betrachtet.
Aber wie gesagt: Obwohl ich mich durchaus für einen loyalen und engagierten Mitarbeiter halte, hat alles seine Grenzen. Und die sind spätestens dann erreicht, wenn ich mich permanent ausgebremst fühle und mir die Sache an die Substanz geht.
Das finanzielle wird sich regeln - irgendwas läßt sich immer finden und kürzen. Allein schon der kürzere Fahrtweg wird mir mehrere Hundert Euro im Monat einsparen!
Dafür habe ich schonmal morgens auf dem Weg zur Arbeit und abends auf dem Heimweg weniger Streß (kein Stau, kurze Fahrtzeit) und insgesamt hoffentlich wieder ein Stück Lebensqualität mehr.
Liebe Traumfänger,
ich schreibe Dir das alles, weil ich Dir sehr gut nachfühlen kann, daß das alles keine einfachen Entscheidungen sind.
Aber
das allerwichtigste im Leben bist zuallererst Du selbst! Ohne daß es Dir gut geht, kannst Du auch nicht für Deine Familie, Deine Kinder, Deinen Mann dasein.
Ich weiß, daß es eine ziemliche Umstellung im Denken und unserem Bewußtsein erfordert, weil wir von Kleinauf anders erzogen werden - "denk an Deine Schwester, denk an Deinen kranken Vater, denk an Deine Mitschüler, denk an 'die anderen' "... In den jungen und wichtigen Jahren bekommen wir nur selten zu hören "denk an dich selbst" - klar, wahrscheinlich deshalb,
weil Kinder eben von Natur aus noch sehr selbst-bezogen sind und im Gegenzug erst einmal lernen müssen, daß es noch andere Menschen gibt. Dummerweise übertreiben wir es damit aber in unserer Gesellschaft, auch, weil sie komplex geworden ist: Man muß ja quasi pausenlos aufpassen, nicht irgendjemand anders auf die Füße zu treten. Zumindest ist das die Botschaft dahinter.
Wenn dann jemand wie wir im Forum hier daherkommen und sagen "Denk zuerst an Dich selbst", gerät man in einen Konflikt mit den über Jahre und Jahrzehnten hinweg gelernten Glaubenssätzen.
Kurz, liebe Traumfänger,
es ist alles okay mit Dir

Gönn Dir die Ruhe und die Auszeit.
Vielleicht zum Schluß noch ein Satz aus der Bibel zum Nachdenken, den ich vorgestern im Hörbuch eines buddhistischen Mönchs - Ajahn Brahm - gehört habe:
"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!"
Mache ganz in Ruhe, und triff irgendwann, wenn Du Dich bereit fühlst, Deine Entscheidungen. Es muß nicht heute und nicht diese oder nächste Woche sein. Lediglich: Wenn Du selbst schon spürst, daß es so nicht weitergehen kann, mußt Du früher oder später Entscheidungen treffen
LG,
Alex