Und hier, als Geschichte verpackt, was meine Wechseljahre an Reichtum als Geschenk für mich mitgebracht haben:
Die Hundertjährige
Einst ging die Kunde durch das Land eines strengen und sehr reichen Königs, es gebe ein Wirtshaus in der eine 100-jährige die Gäste bediene. „Das kann nicht sein, das ist gelogen und muss bestraft werden, bringt mich zu ihr!“ befahl er.
Und so geschah es.
Das Wirthaus war sehr bescheiden, klein und sauber. Der König setzte sich an einen Tisch und wartete.
Es erschien eine kleine leichtfüßige zierliche Frau mit einem Block und einem Stift und nahm von jedem die Bestellungen auf. Dabei berührte sie mit ihrer sanften Art alle Herzen ihrer Gäste und es war so als würden in den Herzen der Menschen ihre schönsten Seiten erklingen. Jeder gab liebevoll seine Wünsche kund, woraufhin die alte Frau genauso leichtfüßig wieder in die Küche ging aus der sie gekommen war.
Der König war so angetan von soviel Sanftmut, Würde und liebevoller Gelassenheit, er wollte das Geheimnis dieser Frau wissen.
Das Ururenkelchen eilte herbei und gab Antwort: „Meine Ururoma hat uns allen ihr Geheimnis verraten: sie ist immer mit dem Fluss des Lebens geschwommen, nie dagegen. Sie hat gelernt das Leben so zunehmen wie es gerade ist, ohne es zu bewerten. Und falls jemand in der Familie es doch tun, also andere Menschen bewerten, dann fragt sie nur: Ist das wirklich so?
Und wenn wir doch der Meinung sind, etwas darf so eben nicht sein, lächelt sie und sagt: Mag sein, dass es so ist, gewiss können wir es aber nicht wissen.
Und wenn jemand von uns mit dem Leben gar ganz unzufrieden ist sagt sie liebevoll :Auch das geht vorüber.“
Der König staunte und wollte mehr wissen: „Ja aber, ist ihr denn nichts Schlimmes widerfahren?“
Das Enkelkind wusste auch hierüber Bescheid : „Oh ja, doch, an ihr ist sehr viel Grausamkeit vollzogen worden, einmal hat sie es uns allen erzählt .Und auch hier hat sie uns ihr Geheimnis verraten: Wenn die Erinnerungen daran in ihr auftauchen, dann nimmt sie sich mit dem Gefühl dazu liebevoll an, sie verliert sich aber nicht in dem Gefühl. Daher kann sie sich selbst liebevoll trösten und verlangt dies deswegen auch nicht von anderen.
Sie sagt: ich bin in diesem Leben, um mich genauso zu lieben, wie ich war, jetzt bin, und auch sein werde. Das ist meine wahre Kraft und diese hat mir keiner nehmen können, egal wieviel Grausamkeit an mir vollzogen wurde. Sie sagt dann:
Es war so wie es war, ich kann es ruhen lassen. Und jetzt ist es so, wie es jetzt eben gerade ist, auch das kann ich in mir ruhen lassen, den jetzigen Moment. „
„Und wenn der Tod kommt, was macht sie dann?“
Das Ururenkelchen wusste auch hier die Antwort: „Sie wird sagen: auch du bist gekommen, auf dass ich mich lieben lerne, auch im Sterben, so wie du , lieber Tod, gekommen bist, mich zu lieben und mir zu helfen, beim Sterben“
Der König würde still, war er doch sehr berührt, vielleicht sogar zum ersten Mal in seinem Leben.
„Das alles hat sie euch gelehrt?“
„Ja, das ist ihr Vermächtnis“
Der König verabschiedete sich und erzählte den Rest seines Lebens wie folgt von der Begegnung mit der 100jährigen:
„Ich habe einmal die reichste Frau der Welt getroffen, in einem kleinem Wirtshaus“