RE: mein Mann
Dein Bericht war traurig, sehr menschlich, umfassend und glasklar. Er beschrieb auch einen geradezu typischen Verlauf.
Ich moechte allerdings einwerfen, dass es sicher kein Leben gibt, bei dem die Gewinn- und Verlustrechnung nicht auch ganz erhebliche Minuspunkte aufweist. Ein Problem dabei ist, dass wir dazu neigen, den Wert dessen gering einzustufen, was wir haben und zu ueberschaetzen, was wir vermissen.
Man muss sich im uebrigen wohl immer wieder mit den Begriffen Freiheit, Verantwortung, Schuld, Loyalitaet, Individualitaet u.ae. auseinandersetzen. Jeder dieser Begriffe hat seinen Wert. Aber jeder laesst sich auch missbrauchen. Jede Konfliktsituation erfordert eine neue Antwort. Was dabei zu kurz zu kommen scheint, ist die Erkenntnis, dass wir nicht automatisch 'schuldig' sind, wenn wir anders sind. Wenn wir Schuld und Verantwortung aus dem schieren 'Anderssein' heraushalten koennen, sind wir eher in der Lage, mit dem eigenen Anderssein und dem des Partners unbefangener umzugehen. Dann kann eine grosse Toleranz wachsen.
Ihr werdet schon richtig verstehen, dass ich damit nicht totaler Verantwortungslosigkeit das Wort rede. Aber fuer Verantwortung und Schuld gibt es Grenzen. Ist z.B. ein Schwuler fuer seine Orientierung verantwortlich? Nein, sagt selbst die katholische Kirche, versucht aber, diese Verantwortung durch die Hintertuer wieder hereinzubringen, indem sie es dem Betrefffenden als Schuld anrechnet, wenn er seine Sexualitaet ausuebt.
Chrislicher Mythologie und Ethik (im Schweisse deines Angesichts dein Brot essen, Erbsuende, Vertreibung aus dem Paradies, unter Schmerzen gebaeren, Opfertod am Kreuz, Geben ist seeliger denn Nehmen) haben wir in der Hinsicht viel zu verdanken. Wir sollten es aber nicht laenger 'demuetig' als unser 'Kreuz' hinnehmen, wenn unser Leben in die falsche Richtung laeuft. Koennt ihr mir einen der Grossen in der Welt nennen, der demuetig waere, der sich abfindet? Nein. Aber sie benutzen solche Vokabeln gern, um anderen den Heldentod abzuverlangen, die miese Entlohnung, die Arbeitslosigkeit, den Hunger, die Rechtlosigkeit.
Carolas und A.W.'s Dinge haben mit all dem etwas zu tun.