@interessierte
@interessierte
hallo interessierte,
nein ich bin nicht böse, wenn du das fragst, das ist eine frage, die man sich stellen darf und auch soll.
das ist natürlich eine schwierige entscheidung, da beide alternativen unbekannte haben. letztlich wird man erst in vielen jahren wissen, ob der eigene weg funktioniert hat - und auch dann wird man nicht wissen, ob der andere weg vielleicht besser oder schlechter gewesen wäre.
ich stand vor vier jahren vor der wahl und habe mich damals nach abwägung von chancen und risiken der alternativen (wobei glivec damals noch sehr experimentell war und man noch keine mehrjährige erfahrung hatte) für den weg einer kombination von glivec mit niedrig dosiertem interferon entschieden. heute nur glivec.
delbrücks buch "Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation nach Krebs" war für mich damals eine entscheidungshilfe, da es mir klarmachte, dass heilung nicht das einzige therapieziel sein muss, und da es die möglichen komplikationen und deren intervention recht verständlich darstellt.
es könnte ja auch gut sein, dass man mit medikamenten wie glivec oder auch AMN107 und Dasatinib (oder Kombinationen davon) die krankheit bis ins hohe alter auf minimalem niveau halten kann - ähnlich vielen anderen chronischen erkrankungen. dies war und ist meine persönliche hoffnung. aus dieser perspektive heraus sehen viele ärzte die kriterien für das durchführen einer stammzelltransplantation ja auch immer strenger, und "jung = transplantation" gilt heute nicht mehr zwangsläufig.
ich war nach der diagnose bei einem chefarzt hat mich dort mit sehr deutlichen worten gedrängt, eine KMT zu machen. Ich war in stuttgart und dort war man der meinung, ich sei doch noch jung und würde die KMT schon überstehen. Ich war in einer anthroposophischen klinik in schwaben, die mir von alternativtherapien bei leukämie abgeraten haben. Ich habe einen bekannten US-Arzt angemailt und er fragte mich, ob ich denn wirklich noch ernsthaft über die KMT nachdenke. Und ich habe Prof. Hochhaus in mannheim gesprochen, der mir die verschiedensten optionen ausführlich und ehrlich erklärt hat. aufgrund dessen beratung und viel vertrauen entschied ich mich, in einer studie Glivec+IFN zu versuchen, aber dabei auch festzulegen, bei nicht ausreichendem ansprechen nach 12 monaten nicht mehr hoffnungsvoll bis zum fortschreiten herumzulaborieren, sondern dann eine KMT zu machen. meine werte waren schon nach 6 onaten super und insofern kam es zum glück nicht soweit. ob die KMT mir in zukunft erspart bleibt, kann niemand ahnen, aber ich habe nach überwindung der diagnosekrise schon schöne vier jahre hinter mir - ob die ohne die CML auch so intensiv gewesen wären, weiss ich natürlich nicht.
aber das ist mein weg und war meine entscheidung, und diese ist natürlich nicht allgemeingültig. ich kann jeden verstehen, der die KMT macht, weil er mit der unsicherheit des medikamentenwegs nicht umgehen möchte und nach 12 monaten klar wissen möchte, woran er ist - oder weil der medikamentenweg eben nicht möglich ist. für mich war unsicherheit nie ein problem, aber eigentlich immer ein "gutes leben", weil einen schon morgen vor der tür der LKW überfahren kann. die CML hat mich auch insofern im kopf verändert und ich habe über die CML viele unheimlich nette leute kennengelernt, denen im und am leben vieles wichtig ist.
ich habe viele KMT-patienten und Glivec-patienten kennengelernt, und in beiden gruppen gibt es gute und schlechte beispiele, wie es laufen kann. es ist natürlich nicht fair, im leben, bei mir mit 23 ,vor einer solchen wahl in unsicherheit zu stehen - aber andererseits, wie gesagt: eine prüfung wie die führt mich vielleicht auch im eben weiter.
ein wenig nachdenkliche grüße,
jannina