alex_77
New member
Ja, diesen Gedanken kenne ich leider auch...Meine Schwiegermutter erzählte mir von einem Patienten von sich, der nicht mehr leben will ... sie sprach von "des Lebens müde" und das er alles gesehen hat.

"Des Lebens müde" war ich das erste Mal irgendwann Mitte 20 mal für ein paar Tage, das hat sich danach aber wieder komplett gelegt.
Im Zuge der akuten Depri-Angst seit dreieinhalb Jahren habe ich diesen Gedanken allerdings auch wieder, und zwar u.a. auch wirklich exakt so, daß ich manchmal glaube, eigentlich schon alles gesehen und erlebt zu haben und das allermeiste ab sofort nur noch dröge, langweilige Wiederholung sei.
Auch hier weiß ich natürlich, daß dieser Gedanke irgendwo Quatsch ist. Trotzdem kommt er phasenweise immer mal wieder hoch. Ich sage mir dann auch immer ganz bewußt, daß ich noch lange nicht alles gesehen und erlebt habe, was ich gerne sehen und erleben möchte. Und unter anderem das Größer- und Erwachsenwerden unseres Sohnes steht da natürlich ganz vorn auf der Liste.
Ich vermute, daß solche Gedanken unter anderem vielleicht Ausdruck von Midlife-Crisis sind: Ich hab eben in der Tat in meinem Leben schon sehr vieles erreicht, insbesondere quasi alles von dem, was ich mir als große Meilensteine vorgenommen hatte: Studium, Berufseinstieg, heiraten, Kind, Familie...
Diese Meilensteine bedeuteten gleichzeitig immer auch eine gewisse Form von Wachstum und Weiterentwicklung, sind / waren also positiv besetzt.
Nun ja... was ist mein nächster großer persönlicher Meilenstein: Der Ruhestand... Und nicht nur, daß der Ruhestand für viele und wohl auch für mich nicht mehr ganz so positiv besetzt ist - es sind noch dazu noch locker 25 Jahre bis dahin. Das ist ein Zeithorizont, der um ein Vielfaches größer und unkalkulierbarer ist als die Zeitabstände zwischen den bisherigen Meilensteinen, wo immer nur ein paar wenige Jahre dazwischen lagen. Tja, und was kommt nach dem Ruhestand...
Das sind im Prinzip absolut hanebüchene und überflüssige, weil viel zu negativ besetzte Gedankengänge. Ich sollte eigentlich viel mehr im Hier und Jetzt leben, und ich bemühe mich auch darum. Ich denke auch, daß ich in der Hinsicht schon etwas Fortschritt erreicht habe.
Aber noch kriege ich sie eben nicht komplett abgeschaltet.
So ist das aber eben vielleicht auch an der Stelle beim Älter-Werden, nur mit dem Unterschied, daß es jeden unterschiedlich stark "mitnimmt". Die einen stecken es irgendwie weg, andere haben ordentlich daran zu knabbern.
Ich für meinen Teil habe mir aber genau wie Du fest vorgenommen, mich von solchen Gedanken nicht mehr so sehr beeinflussen und runterziehen zu lassen. Mein Entschluß ist ganz klar, halbwegs glücklich und zufrieden wenigstens 70 Jahre alt zu werden, vielleicht sogar 80, wenn's mit der Gesundheit paßt. Das sind immerhin noch 30-40 Jahre, als ziemlich genau meine zweite Lebenshälfte, und in der gibt es noch so viel zu sehen und zu erleben... Ganz zu schweigen davon, daß ich Familie, Freunde und Hobbies habe, die ich alle miteinander liebe und mag und für die ich mich interessiere. Auch jetzt noch, wenn nicht grad mal so ne Depri-Angst-Phase etwas ärger kommt.Und mein Gedanke war sofort, dass ich das nicht bin, ich will noch so viel sehen in meinem Leben und will meine Kinder genießen auf groß werden sehen und das ich damit älter werde, gehört zum Lauf des Lebens dazu ...
Es gibt also in der Tat immer Grund zur Freude über irgend etwas. Die Kunst besteht wohl darin, dies auch dann noch zu erkennen, wenn die Stimmung grad mal mies ist.
Ich hab neulich noch irgendwo den Tipp gelesen, daß man sich auf einen Kinderspielplatz begeben soll, wenn man Depri-Stimmung schiebt. Einfach, weil das ungezwungene und fröhliche Spielen und Lärmen von Kindern schön ist und man früher oder später nicht anders kann, als nach und nach ebenfalls die schönen Kleinigkeiten zu erkennen.Heute Nachmittag war ich draußen mit den Kindern, es war richtig schön
Kann ich, sobald ich etwas mit unserem Sohn zusammen unternehme, nur bestätigen. Diese Ungezwungenheit, die Neugier, die Wißbegier, der Spaß am täglichen Entdecken, Spielen und Lernen - ich wünschte, ich hätte nur einen Bruchteil davon zurück


Wir sind auf dem richtigen Weg, Katha

Es dauert nur eben noch eine Weile.
Aber wir kriegen das schon hin, da bin ich zuversichtlich
