RE: Geschichte
RE: Geschichte
Lieber Paul,
der Mensch und sein gesundes Körpergefühl im Hinsicht der abendländischen Kultur und Kunst oder wie vermittelt die vom Christentum geprägte Kultur das gesunde Körpergefühl des Menschen?
The cultural anthropology wäre über so ein Thema entzückt , sollten sich Amerikaner für abendländische Kultur und sozioanthropologische Grundlagen interessieren. Nein, sie interessieren sich nicht. Und so eine Wissenschaft ist hier bei uns immer noch wenig bekannt.
Ein hoffentlich kurzer philosophischer Exkurs: Was ist der Mensch eigentlich? Der Mensch sei zoon logon echon, also der, der die Sprache besitzt. Er sei aber auch animal rationale: der Mensch sei ein vernünftiges Tier. Der Mensch gehört seit der Antike zwar zur Natur, habe aber Vernunft und Sprache, wobei die letzten zu seinen differentia specifica zählen. Also der Mensch hat eine Art Doppelnatur. Die christliche Anthropologie ist mit dieser Auffassung einverstanden. Sie sagt, die Seele sei das Jenseits des Körpers, unsterblich und unstoflich und dadurch de Göttlichem fast gleich. Der Körper blüht auf, altert und vergeht, Physis genannt - das aus sich heraus Aufblühende. Der Körper unterliegt der Vergänglichkeit des Fleisches, der Geist und die Seele seien unsterblich. Das ist doch nichts anders als Platon mit seinem Geist (mens) und Körper (Corpus). Unsere Kultur und Kunst sind bis heute durch diese Dualiasmen geprägt. Wir glauben zwar nicht mehr daran, daß die Seele unsterblich ist, wir glauben aber auch nicht daran, daß das Bewußtsein immateriel ist. Trotzdem bleiben die dualistischen Denkmuster vorhanden und prägen unsere Kunst und Kultur seit Jahrhunderten, sie sind gar nicht wegzudenken auch heute noch. Wonach sucht die abendländische Kunst? Nach commercium mentis et corporis. Das ist der Zusammenhang zwischen Geist und Fleisch, der Geist als ewig, rein, unsterblich, der spiritus eben, das Fleisch als eine Hülle, vergänglich, unrein. Womit beschäftigt sich die Kultur, selbstverständlich mit dem Geist, mit dem Aufstieg des Geistes aus dem Fleisches, mit der Trennung der Seele vom Körper, das letzte selbstverständlich nach dem Tod, wobei die Seele verläßt die schmutzige, niedrige Hülle und wechselt zu Gott. Dadurch beschäftigt sich die Kunst mit den "richtigen" Themen, mit dem Himmel, mit dem Paradies oder dem Paradies auf Erden, mit dem goldenen Zeitalter, der Erlösung und der Befreiung des Geistes, alles Utopien. Auf dem Nährboden sind noch größere Utopien entstanden: die ewige Liebe, das Grandiose, das Mystische, das Unschuldige etc.
Die Natur liebt es, sich zu verbergen, sagt Heraklit. Daraus resultiert eine gewaltige Schubkraft für die Kunst. Das ist die Sehnsucht nach Hüllenlosigkeit oder das Leiden unter der Verhüllung, oder anders beschriebe die hüllenlose, nackte, glückliche, unsterbliche, reine Engel im Himmel und die arme, unglückliche, leidende, verhüllten Menschen auf Erden.
Wenn wir über Kunst im Zusammenhang mit einer Wiedergabe von Gefühlen sprechen sollten, müssen wir unumgänglich zu Adam und Eva kommen. Also Adam und Eva befinden sich im Garten Eden und Adam sagt "Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch", d.h. daß Adam Eva als seinesgleiche identifiziert. Dann aber tauft er sie und grenzt sich von ihr dadurch ab. Dann speisen sie vom Baum nach Vorschlag der Schlange. Sie stellen fest, daß sie nackt sind und schämen sich, und deswegen verhüllen sich. Die Scham und die Zerrissenheit des Geistes sind hier mit ihrer Auswirkungen auf die Kunst marginal wichtig. Die bedeuten, daß Adam und Eva erkannt haben, daß man das verhüllen soll, wovon man sich schämt, und genau damit beschäftigt sich unsere Kultur seit Jahrhunderten. Gott stellt aber Adam und Eva zur Sprache, also Gott setzt die Frage (=die Sprache) zur Erzeugung von Angst. Was machen Adam und Eva? Adam beschuldigt Eva und Eva die Schlange. Was hat das alles zu bedeuten? Daß sie verbergen nicht nur ihre nackten Körper sondern benutzen auch die Sprache, um sich zu verstecken. Noch ein Grundlegender Ausgangspunkt für die Kunst und die Kultur.
Ob das eine gesunde Grundlage sein kann um die Wiedergabe des gesunden Körpergefühls des Menschen zu ermitteln, muß man anhand konkreten Beispiele unter Beweis stellen.
Herzliche Grüße,
Detelina