Re: Epileptische Anfälle bei vaskulärer Demen
Re: Epileptische Anfälle bei vaskulärer Demen
Hallo Flieder,
leider muß ich Sie da enttäuschen, vielleicht habe ich das in meinem Beitrag nicht deutlich genug geschrieben. Valproinsäure war vom Neurologen einmal vorgeschlagen worden, jedoch hat meine Mutter das nie genommen. Gedacht war das ja, um den Absencen, die durch Risperdal/Eunerpan zustande kamen, gegenzusteuern. Jedoch haben wir vorzeitig beschlossen, Risperdal lieber auszuschleichen anstatt noch ein weiteres Medikament obendrauf zu setzen.
Später dann, als meine Mutter nach einem Sturz in ein anderes Krankenhaus mußte, haben die Ärzte dort beschlossen, dem Epilepsieverdacht nochmals auf den Grund zu gehen (obwohl Risperdal längst abgesetzt worden war und meine Mutter keine Absencen mehr gehabt hatte). Man hat dann Frisium eingeschlichen bis auf 10 mg/Tag, jedoch nach 8 Tagen ständiger Beobachtung und diversen EEGs den Schluß gezogen, daß sie keine Neigung zu Epilepsie habe und begann mit dem Ausschleichen von Frisium (zunächst 5 mg/Tag, nach 4 Tagen haben wir die Dosis erneut halbiert, nach weiteren 4 Tagen haben wir es dann abgesetzt). So war das ein kurzes "Vergnügen", von dem ich aber sagen kann, daß meine Mutter davon sehr müde wurde mit einem deutlichen "Hangover" bis in die Vormittagsstunden hinein.
Ich habe nochmal in meinem "schlauen Buch" von Prof. Erich Grond nachgesehen ("Pflege Demenzkranker"). Dort steht zu Medikamenten gegen Verhaltensstörungen:
"Gegen Unruhe hilft Magnesium als Brausetablette. Distraneurin in niedriger Dosis beruhigt Suchtkranke, bevor Melperon oder Dipiperon eingesetzt werden. Gegen sun-downing-Unruhe in den frühen Abendstunden hat sich Lichttherapie für ein bis zwei Stunden bewährt. Hopfen, Baldrian, Melisse, Passionsblume und Johanniskraut beruhigen, Krankenkassen zahlen nicht."
"Gegen Angst helfen Buspiron oder Baldrian erst nach Tagen. Bei akuter Panik wirkt Tavor-Expidet auf der Zunge in zehn Minuten."
"Gegen Depression zunächst ein Versuch mit Johanniskraut und Baldrian und, wenn es nicht ausreicht, Citalopram oder Thromban."
"Gegen Wahn kann Melperon und bei bedrohlichen Halluzinationen Risperidon helfen, wenn Wahn überhaupt auf diese Therapie anspricht. Haldol als starkes Antipsychotikum sollte vermieden werden."
"Gegen Aggressivität ist Magnesium, bei gleichzeitiger Sucht Distraneurin in niedriger Dosis empfehlenswert, Risperidon ist das Mittel der Wahl, Valproat (z.B. Ergenyl, Orfiril) bei anfallsweiser Aggression."
"Gegen schwere Schlafstörungen pflanzliche Beruhigungsmittel, evtl. Chloraldurat oder für zwei bis drei Wochen Distraneurin oder Zopiclon. Benzodiazepin-Schlafmittel können Demenzen verschlimmern."
"Gegen Bewegungsstörungen helfen Memantine wie Axura oder Ebixa; wenn sie durch Neuroleptika ausgelöst sind, sind diese abzusetzen."
"Gegen Schreien wirkt Risperidon oder Valproat, z.B. Ergenyl."
"Gegen Drang-Inkontinenz können Trospiumchlorid (Spasmex, Spasmolyt) oder Oxybutynin-Pflaster (Kentera) eingesetzt werden, weil sie nicht zentral wirken. Dranginkontinenz wird auch durch die Antidementiva Reminyl, Exelon und Memantine und durch Toilettentraining gebessert."
"Gegen epileptische Anfälle wirken Phenytoin und Carbamazepin. Neuroleptika und Benzodiazepine dürfen tagsüber nicht sedieren, können bei Demenzkranken paradox wirken, Denkeinbußen verstärken, andere Arznei verstärken oder abschwächen; sie sollten langsam ein- und ausgeschlichen werden. Da Demenzkranke multimorbid sind, müssen andere Leiden wie Diabetes, hoher Blutdruck und vor allem Schmerzen mitbehandelt werden."
"Benzodiazepine können in niedriger Dosierung bei demenzkranken Personen stark sedieren, Sturz-, Depressions- und Inkontinenzgefahr verstärken, die kognitiven Fähigkeiten einschränken und sogar Unruhe steigern; Lorazepam und Oxazepam haben geringe Nebenwirkungen. Buspiron ist eine Alternative bei Angst und Unruhe. Anticholinergisch wirksame Medikamente dürfen demenzkranke Personen nicht einnehmen, weil nicht nur bei Alzheimer-Demenz, sondern auch bei anderen Demenzformen Acetylcholin fehlt. Anticholinergika sind trizyklische Antidepressiva wie Anafranil, Gemonil, Nortrilen, Tofranil, Amitriptylin oder Saroten, Doxepin oder Aponal oder Atangyl. Die trizyklischen Neuroleptika wie Truxal, Ciatyl, Fluanxol und die Phenothiazine wie Atosil, Neurocil, Taxilan, wirken auch anticholinergisch wie Parkinsonmittel und Spasmolytika. Anticholinergika können ein Delir, Verstopfung und Harnverhalt bei Prostata-Adenom auslösen, den Augeninnendruck bis zum Glaukom (grüner Star) und die Sturzgefahr erhöhen."
Soviel zu Prof. Erich Grond.
Ich persönlich wäre vorsichtig mit Valproat - ich habe schon mehrfach mitbekommen, daß Antikonvulsiva von manchen Ärzten recht schnell eingesetzt werden, weil viele Neuroleptika, die Demenzkranke ohnehin bekommen, eben die Krampfschwelle senken und man dann irgendwie gegensteuern muß. Für mich gilt immer noch: Wenn ein Medikament derartige Nebenwirkungen hat, sollte man zunächst das Absetzen/Ausschleichen erwägen und nicht die Nebenwirkungen mit einer weiteren Keule erschlagen, die womöglich wieder andere Nebenwirkungen auslöst, die eine weitere Keule erforderlich machen.
Leider habe ich nämlich von einigen Angehörigen vernommen, daß Memantine dazu führen kann, daß der Demenzkranke agitiert, aufgedreht und aggressiv wirkt. Dagegen geht man dann wieder mit Risperdal vor, und weil dann Epilepsie auftreten kann, kommt Valproat ins Spiel ... usw. Ich hatte damals, als meine Mutter Axura nahm, auch so das Gefühl, daß sie davon aggressiv wird. Sie bekommt übrigens nur 240 mg Tebonin (Ginkgo-Extrakt) am Tag und sonst gar nichts. Ab und an hat sie im Schlaf Zuckungen oder murmelt und knirscht vor sich hin. Oft schläft sie 12 Stunden lang. Ich lasse sie gewähren. Ohne Medikamente. Was mich allerdings beunruhigt hat, war das Schnarchen und die offensichtlichen Atemaussetzer, die sie im Schlaf hatte. Ich habe sie daraufhin mit mehreren Kissen höher gelagert und, um das Wegkippen des Kopfes zu verhindern, schläft sie mit einem U-förmigen Nackenkissen. Das hat weitgehend geholfen.
Das allerdings löst Ihr Grundproblem nicht; denn Ihr Vater bekommt die anderen Medikamente ja nicht ohne Grund. Ich vermute mal, der Hauptgrund sind Aggressivität und beängstigende Halluzinationen? Treten diese vor allem nachts auf? Es klingt jetzt vielleicht banal, aber neben den ganzen natürlichen Mitteln wie Johanniskraut, Baldrian, Melisse usw. kann zum Beispiel helfen:
Abends eine warme Milch (mit Honig), ein kleiner, leichter Imbiß. Lichttherapie und Bewegung am Tage. Spiegel abdecken, damit er nicht vor seinem eigenen Spiegelbild erschrickt. Licht im Zimmer anlassen, wenn die Dunkelheit Angst macht. Fürchtet er, aus dem Bett zu fallen? Dann würde ich zumindest den Kopfteil mit einem ausgepolsterten Bettgriff oder Bettgitter sichern.
Ich wünsche Ihnen viel Kraft und alles Gute!
Liebe Grüße,
Petra H.