Ja, das kann sein - und zeigt, wie wichtig es ist, auch bei Erwachsenen bei entsprechenden Befunden eine mit Tropfen vorbereitete Untersuchung zu durchzuführen.
Weitsichtige Personen können, je nach Ausmaß der Fehlsichtigkeit, diese selbst kompensieren. Dies macht ein unwillkürlicher Mechanismus möglich, der "Akkommodation" genannt wird, und eigentlich für die Einstellung der Augen auf unterschiedliche Entfernungen, insbesondere in der Nähe, benötigt wird. Bei der Messung der optischen Verhältnisse, kann dieser Mechanismus nun beim Fixieren eines kleinen Bildchens in einem entsprechenden Untersuchungsgerät dazu führen, dass der Probant durch besagte Akkommodation seine optischen Verhältnisse derart verändert, dass er innerhalb dieser Untersuchungsumgebung kurzsichtig erscheint.
Bei Kindern ist die Akkommodation besonders ausgeprägt, weshalb man hier auch deutlich öfter die Refraktionsmessungen mit Tropfen vorbereitet, die die Akkommodation kurzfristig lähmt und so eine Verfälschung des Untersuchungsergebnisses nicht möglich ist. Bei Erwachsenen verzichtet man aus verschiedenen Gründen in der Regel auf diese Vorbereitung, obwohl sie - wie Sie in Ihrem eigenen Fall sehen - nicht selten sinnvoll und notwendig wäre.
Sinn und Zweck Ihrer Behandlung sollte nun darin bestehen, Ihre permanent aktive Akkommodation, die zum Ausgleich Ihrer Weitsichtigkeit unwillkürlich auch in der Ferne aktiv ist, durch eine Brille zu ersetzen. Dies wird Ihnen auf Grund eines 20-jährigen Gewöhnungseffektes möglicherweise erst einmal schwer fallen und Ihnen in der Ferne eine schlechtere Sehschärfe bescheren, als dies ohne Brille der Fall ist. Sind Sie hedoch einmal in der Lage, die Akkommodation auszuschalten und die Korrektur Ihrer Weitsichtigkeit eine entsprechend korrekt angepasste Brille übernehmen zu lassen, werden Sie vermutlich genauso scharf sehen, wie ohne Brille - allerdings deutlich entspannter und ohne irgendeinen übermäßigen Akkommodationsaufwand benötigen zu müssen, der eigentlich regelmäßig zu teils massiven Beschwerden führen kann. Dazu gehören z. B. schnelle Ermüdbarkeit unter visueller Belastung, Kopfschmerzen, Verschwommensehen usw. Insbesondere in der Nähe sollte eine korrekte Korrektur Ihnen einiges an Entlastung verschaffen.
Wenn es denn dazu kommt, wäre mein Rat: nutzen Sie die "neue" Brille, die Ihre Weitsichtigkeit korrigieren soll, erstmal für Naharbeiten, Lesen, Bildschirmtätigkeiten etc. Für die Ferne setzen Sie sie bei Bedarf auf, anfangs ggf. beim Fernsehen oder Spazierengehen. Nicht wenige Personen benötigen eine Weile, um sich an diese neue Korrektur zu gewöhnen. Das liegt jedoch - wie bereits erwähnt - nicht daran, dass die Brillengläser falsch wären, sondern Ihre Augen erstmal lernen müssen, sich zu entspannen und die Arbeit der Brille zu überlassen. Nicht selten werden anfangs auch die Gläser deutlich unterkorrigiert mit dem Ziel, einen praktikablen Kompromiß zwischen Brillenkorrektur und eigener Akkommodation zu finden. Später dann wird man die Glasstärke zunehmend Ihrer tatsächlichen Fehlsichtigkeit angleichen, so dies notwendig ist. Ob dies alles innerhalb einer Woche funktioniert, wie Ihre Augenärztin prognostiziert, sollte man abwarten. Haben Sie also etwas Geduld.