Hallo Cookie,
ja, es kann bei vielen so sein, daß sich eine Depression rückblickend langsam aufgebaut hat, bevor dann irgendwann nix mehr geht. Mich hat mein akuter Zusammenbruch damals einerseits ziemlich überrascht, und mir ging's auch so dreckig wie noch nie zuvor in meinem Leben - aber ich hab auch ziemlich schnell erkannt, daß sich das über Monate und Jahre hinweg aufgebaut hat.
Ich hab damals von meinem Hausarzt auch Citalopram verschrieben bekommen, allerdings gleich mit ner 20er Dosis am Tag. 10mg sind im Prinzip kaum mehr als ne Einstiegsdosis, um den Körper zu gewöhnen, nach allem, was ich weiß.
Mit 20 hab ich mich nach rund einer Woche langsam etwas besser gefühlt, ich war allerdings auch zusätzlich zwei Wochen krankgeschrieben.
Darüber hinaus kann ich mich Elektraa insofern nur anschließen, als ich nach nunmehr insgesamt sechs Jahren von der Wirksamkeit dieser Antidepressiva immer weniger überzeugt bin. Beziehungsweise: Zumindest für mich ist mein Medikament (ich mußte nach einem halben Jahr auf Fluoxetin umsteigen) kein Allheilmittel, leider.
Ich denke zwar schon, daß es mir die ganz ängstlich-depressiven Spitzen etwas nimmt und mir dadurch hilft, den Rest dessen, was ich spüre, gelassener auszuhalten, zu akzeptieren und durchzustehen. Denn mittlerweile drei Absetzversuche über immer längere Ausschleichphasen sind allesamt schiefgelaufen.
Allerdings weiß ich nicht, ob ich nicht auch ohne je ein Medikament genommen zu haben, nicht mittlerweile die Fähigkeit hätte, auch ganz ohne Medikament genauso gut/schlecht zurecht zu kommen, wenn Du verstehst, was ich meine
Gerade in diesem Jahr bin ich auch auf ein zwei Studien und Berichte aufmerksam geworden, wonach die Wirksamkeit der SSRI (das ist die Antidepressiva-Gruppe, die Du und ich nehmen) nicht wirklich bewiesen ist, umgekehrt aber durchaus gewisse Gewöhnungseffekte entstehen können, die sich vor allem beim Absetzen dann bemerkbar machen.
Ich will Dich damit nicht verunsichern, und auch ich bin nach wie vor froh, daß mein Hausarzt damals so schnell reagiert und mir das Medikament verschrieben hat
Ich habe allerdings in den letzten Jahren auch die Erfahrung gemacht, daß ich diese ganze Depression und Angst trotz dessen, daß sie manchmal richtig richtig kacke ist, durchaus aushalten und so gut wie möglich akzeptieren kann. Wenn's mir scheiße geht, geht's mir eben scheiße - das ist auch nichts anderes, als wenn ein anderer Mensch immer wieder erkältet ist oder wiederkehrende Rheumaschübe hat und deswegen ausfällt - es ist eben leider so. Andere haben richtig scheiße übel "Rücken" oder Diabetes oder Krebs - und werden womöglich auch noch depressiv dazu - ich hab immerhin "nur" ne Depression - könnte also schlimmer sein
=> Versuche, Dir im Laufe der Zeit Sichtweisen zu erarbeiten, mit denen Du Dein "Schicksal" für Dich relativieren kannst! Klar gibt's sprichwörtlich gesehen kein "relatives Elend" - das eigene ist gefühlt immer das schlimmste - trotzdem ist meine Erfahrung, daß das nur bedingt stimmt: Man kann sein "Elend" und sein "Leid" durchaus gehörig erträglicher machen, wenn es einem gelingt, es zu relativieren. Mein persönliches Paradebeispiel dafür ist Winston Churchill, der damalige britische Premierminister, der seit der Jugend bis zu seinem Tod mit 91 Jahren !!! immer wieder schwer depressive Phasen hatte - und trotzdem hat der Mann ein Weltreich regiert und zwei Weltkriege er- und überlebt!
Schön ist auch folgender Beitrag von Benno Blues, einem ebenfalls Betroffenen, der schon seit ein paar Jahren seinen eigenen Blog zum Thema Depression hat:
Ohnmacht – Das eigentliche Monster der Depression
Zitat: "In aller Regel können wir etwas tun. Einmal gefallen zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig, nie wieder aufrecht gehen zu können. Wir sind nicht ohnmächtig. Ich bin nicht ohnmächtig. Du bist nicht ohnmächtig. Dieser Satz ist ein gutes Mantra. Diesen Satz können wir uns gar nicht oft genug sagen."
Seitdem ist dieser Satz
"Ich bin niemals ohnmächtig!"
in der Tat so etwas wie ein Mantra für mich geworden.
Was nicht heißen soll, daß ich keine Momente hätte, in denen nichts mehr ginge.
Aber ich erkenne diese Momente mittlerweile sofort, noch ehe sie da sind, und kann dann frei(er) entscheiden, ob ich mich dieser Ohnmacht aktiv hingebe - mich also wirklich mal für ne Stunde oder zwei, drei fallenlasse und mich dem ergebe -, oder ob bzw. ab wann ich mich dann mit diesem Mantra doch wieder langsam und mit kleinen Schritten aus dem Sumpf ziehe
Es ist ein gutes Stück Weg, bis man den (schwer) depressiven Stimmungen mit der erforderlichen Gelassenheit und Ruhe gegenübertreten kann, und es gelingt mir beileibe noch lange nicht immer. Oft genug nicht. Aber oft genug dann doch, mittlerweile
Du brauchst Geduld. Sehr, sehr viel Geduld. Liebe. Selbstliebe für Dich und für Deine Situation. Was nicht verwechseln ist mit Selbstmitleid

, wobei es auch davon hier und da ne kleine Dosis sein darf.
Mach langsam, mach in Ruhe. Dein Körper und Deine Psyche haben Dir ein Stop-Zeichen gesetzt - respektiere es. Wenn es Dir wie mir geht, daß Du es nicht vollständig verstehst, respektiere zumindest die Ruhe und das Gang-Runterschalten, was es Dir abverlangt
Das wird auch nicht den Rest Deines Lebens so bleiben; Du wirst auch Phasen und Momente haben, in denen Du wieder Vollgas geben kannst; evtl. kommst Du aus der Misere auch wieder ganz raus, was ich Dir von Herzen wünsche

Was Du in jedem Fall über Dich und für Dein Leben dadurch lernen wirst, ist, Deine Grenzen besser zu erkennen und sie nicht mehr so oft zu überschreiten. Und das finde ich eigentlich eine gute Sache, auch, wenn das Lehrmittel - die Depression - sicherlich nicht optimal ist
Aber so ist es aktuell leider...
Bau Dir einen ruhigen, langsamen Tagesablauf auf.
Schlafe aus, schlafe viel, wenn Dir wirklich danach ist.
Steh aber zwischendurch auf, und sei es nur, um ein Glas Wasser zu trinken oder nen Kaffee zu kochen. Geh zum Mittagessen vielleicht vor die Tür, irgendwo gibt's sicher nen kleinen gemütlichen Imbiß oder auch ne Dönerbude. Selbst, wenn Du danach wieder nach Hause gehst und Dich platt fühlst, hast Du Dir, Deinem Körper und Deiner Seele an diesem Tag was gutes getan

Räum die Geschirrspülmaschine um. Wirf ne Ladung Wäsche an. Immer mal wieder nen kleinen Handgriff hier und da. Geh tagsüber ne halbe Stunde spazieren, wenn es am Hellsten ist. Wenn Du Dich dazwischen immer mal wieder für ne halbe Stunde oder Stunde im Bett verkriechst, ist das absolut okay - Hauptsache, Du versuchst es bewußt und als eigene Entscheidung zu machen, damit Du Dich keiner Ohnmacht ausgeliefert fühlst
Hoffe, das ist jetzt nicht zuviel Input
Ich drücke Dir ganz fest die Daumen, daß es Dir bald besser geht *toitoitoi*
LG,
Alex