Re: Depression nach Vollnarkose
Salut,
heute abend las ich im wochenmagazin DER SPIEGEL 47/2009, leitartikel (
http://www.spiegel.de ,
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-47 ,
http://wissen.spiegel.de/wissen/titel/SP/2009/47/312/titel.jpg ) über den siuzid des nationaltorwarts Robert Enke, und wurde an meine eigene dépression im jahre 1995 erinnert. Vorausgegangen war im spätherbst 1994 eine opération der konchen (conchotomie) wegen mangelndem atemluftdurchfluss aufgrund verbogener nasenscheidewand sowie des rachens wegen scharchen, beides unter vollnarkose.
Ich habe mich seitdem immer wieder gefragt wie es gerade bei mir zu einer dépression kommen konnte, denn ich bin beileibe kein kind vor traurigkeit. Ob es in meiner familie erbliche bedingte depression gab kann ich nicht abschliessend beurteilen, ich erfuhr erst nach dem tode meines vaters im juli 1995 von meiner mutter, dass mein vater einen suizidversuch nach der rückkehr aus der kriegsgefangenschaft hatte, das müsste zwischen 1945 und 1948 gewesen sein.
Bei den Google-stichwörtern "anästhesie depression" wurde ich nicht sofort fündig, deswegen wechselte ich auf "betäubung depression" und landete hier.
Nach lektüre meiner vorredner möchte ich meinen, dass es da einen zusammenhang gibt, immerhin kamen ja hier zwei ärzte zu wort (Dr. Völkert als Facharzt für Anästhesiologie), mit dem zweiten arzt meine ich den anästhesist von dem Finkendorf oben sprach. Nun, hat sich das also endlich mal herumgesprochen.
Jedenfalls wurde mir damals keine entsprechende frage gestellt (Finkendorf: "der Anästhesist fragte im Vorgespräch nach bestehenden Depressionen"). Der anesthésiste in der op-abteilung hat mich nur gewogen um die richtige betäubungsdosis zu bestimmen (wenn ich mich richtig erinnere hat er mich auch nur gefragt wieviel ich denn wiege), und auf meine entsprechende frage sagte mir der (mich operierende) hno-arzt einige wochen oder monate bei der nachsorgebehandlung "Hm, dafür gibt es keine hinweise."
Ich habe dann im sommer 1995 den mich behandelnden neurologen gezielt auf Fluctin (bei uns in Frankreich Fluoxétine bzw. Prozac,
http://de.wikipedia.org/wiki/Fluoxetin ,
http://fr.wikipedia.org/wiki/Fluoxétine ) angesprochen, ein sérotonine-wiederaufnahmehemmer, dieses mittel half nach etwa 10 tagen. Ich glaube, es waren zwanzig tabletten in der packung, ich habe nicht verlängert weil mir medikamente grundsätzlich suspekt sind und ich gewöhnung oder gar sucht befürchtete.
Aber die wirkung dieses medikaments war durchschlagend: ich fühlte mich befreit und wesentlich besser. Ich erlebte nur eine nebenwirkung: die bisweilen auftretende empfindung mir würde jemand ganz sachte meine haare auf dem kopf berühren. Seitdem hatte ich keine dépression mehr - und übrigens vorher auch nie eine gehabt.
Osaka schreibt ja weiter oben, der arzt "meinte dass es nach einer Narkose zu einer sog. Wechselstörung im gehirn kommen kann, d.h. dass evtl. Botenstoffe fehlen, die dann als Ergebnis eine Depression ausweisen können". Der fehlende botenstoff wird wohl das sérotonine sein.
Den obengenannten 13seitigen SPIEGEL-artikel möchte ich allseits empfehlen, er erklärte mir als medizinischem laien sehr gut die zusammenhänge einer dépression.
Dort las ich (seite 149) zum ersten mal von Florian Holsboer, einem "Depressionsforscher von Weltrang, ... Er leitet das Max-Planck-Institut für Psychatrie in München und hat ein Buch über die Biologie der Seele geschrieben. Richtig bekannt wurde er in Deutschland aber, weil er Sebastian Deisler behandelte, Robert Enkes Leidensgenossen."
Was ich zuvor nicht wusste: "Die schlechte Nachricht ist, sagt Florian Holsboer, dass die gängigen Medikamente, sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, alle nach dem gleichen Giesskannenprinzip wirken. Aber nur in 50 bis 70 Prozent aller Patienten-Gehirne schlägt der Mechanismus an." (seite 155). "Bei Trägern einer bestimmten Genvariante arbeiten die Wächtermoleküle an der Blut-Hirn-Schranke so gut, dass sie Medikamente nicht durchlassen." Da hatte ich wohl glück: bei mir ging der stoff durch.
Auf die leserbriefe darf man [als betroffener] gespannt sein.
Es mag zwar unwissenschaftlich klingen: aber allein die tatsache dass ein fachmann sagt "nicht auszuschliessender zusammenhang" reicht mir schon. Den verdacht habe ich seit meiner opération. Ich werde weiter nach zusammenhängen und fundstellen suchen, das will ich genau(er) wissen.
Mit besten wünschen,
Yves