Als vollzeitberufstätige Mutter...
Als vollzeitberufstätige Mutter...
...kann ich die Bedenken im Groben und Ganzen nachvollziehen, die aus Deinen Worten sprechen, liebe Kyria. Das mal vorab.
Einige Dinge möchte ich allerdings noch in die Diskussion werfen:
1. Dass gebährfähige (geschweige gebährWILLIGE, mehr noch, wenn der Wille bereits in die Praxis umgesetzt ist) Frauen in Jobfragen beargwöhnt (ich wage zu behaupten: benachteiligt) werden, ist eine Tatsache. Wie diese zu bewerten ist und welche Rückschlüsse man für sich selbst daraus zieht, ist ein interessanter Aspekt. Dazu habe ich eine spezielle und bei Bedarf auch begründete Meinung, die an dieser Stelle zunächst nicht interessiert.
2. Es gibt in deutschen Betrieben die sogenannten Karenztage, jedenfalls in tarifgebundenen Unternehmen. Der sogenannte Manteltarifvertrag regelt entsprechende Bestimmungen, die - ich mag mich irren - in vielen Betrieben zur "betrieblichen Übung" gehören, auch wenn sie nicht tarifgebunden sind. Die Regelungen für die Unternehmen, in denen ich bislang tätig war lauteten: bist Du krank, melde Dich noch am Tag der Erkrankung (bis 10 Uhr) und Du gilst als entschuldigt. Dauert Deine Erkrankung einen weiteren Tag, ist auch da nur die mündliche Abmeldung gefordert. Dauert die Erkrankung einen dritten Tag an, dann geh zum Arzt und lass Dich krankschreiben. Das Attest ist dem Arbeitgeber vorzulegen.
3. Tarifgebundene Unternehmungen sind demnach nur unter besonderen Bedingungen in der Lage, einen Arbeitnehmer wegen Fehlzeiten aufgrund von Krankheit zum Nachweis per ärztlichem Attest aufzufordern. Ich gehe davon aus, dass die zwischen den Tarifparteien getroffene Regelung unter der Prämisse geschlossen wurde, den Arbeitnehmer als verantwortliches, pflichtbewusstes Wesen zu begreifen, dass "nicht auf krank macht" und damit den Arbeitnehmer zu betrügen trachtet und dem zwecks Erhaltung seiner körperlichen und geistigen Kräfte eine Auszeit gegönnt sei, und zwar unbürokratisch auf Treu und Glauben.
Ich kenn das nicht anders und bin bislang immer mal wieder Menschen begegnet, die meinten, den Rausch vom Wochenende noch am Montag ausschlafen zu müssen oder ins verlängerte Wochenende zu fahren statt zur Arbeit zu erscheinen. Von all diesen "schwarzen Schafen" redet nur derjenige agumentativ, der davon ausgeht, dass so ein typischer Arbeitnehmer ein arbeitsscheues, faules, stets mit Kontrolle und Strafandrohung zur Arbeit zu nötigendes Wesen sei. Solche Menschen (diejenigen, die so denken genau so wie diejenigen, die sich dem Klischee entsprechend verhalten) sind mir zuwider.
Ich kenne keinen Betrieb, der exestenzielle Probleme dadurch bekommen hat, dass der eine oder andere mal "blau gemacht" hat. Genau wie es der deutschen Volkswirtschaft keinen existenziellen Schaden verursacht, dass es Schwarzarbeit gibt. Da wird das Pferd von hinten aufgezäumt.
Von neudeutsch als Manager bezeichneten Mitmenschen habe ich in meinem Berufsleben ganz andere Eindrücke gewonnen. Wenn ich mir die als "innere Kündigung" bekannten Effekte von falscher Führung ansehe, möchte ich nicht den "innerlich Gekündigthabenden" sondern eher die "fehlleistende Führungskraft" zur Verantwortung ziehen, wenn die Arbeitsleistung (und die Verweigerung derselben) zum Thema wird.
Und jetzt nochmal am praktischen Beispiel:
Ich habe laut Tarif erst ein Attest vorzuweisen, wenn ich mehr als 2 Tage krank bin. Bin ich ernsthaft krank, geh ich zum Arzt (obwohl ich bei fiebrigen Erkältungen ehrlich gesagt lieber im Bett bleiben würde, statt mir im Wartezimmer noch mehr Bakterien/Viren einzufangen und dann in der Regel auch ohne Rezept erhältliche Mittelchen verschrieben zu bekommen - und den Beleg, dass ich tatsächlich krank bin erhalte, wie schön). Ich weiß ja, dass das Pflicht ist. Bislang hat mein Chef mir geglaubt, dass ein triftiger (krankheitsbedingter) Grund vorliegt, wenn ich mich krank gemeldet habe. Ich finde es schade, wenn nach jahrelanger Betriebszugehörigkeit unterstellt wird, ich mache mir einen Lenz auf Kosten meines Arbeitgebers. Das wird dem inzwischen aufgebauten Vertrauensverhältnis nicht gerecht. Nun gut.
Tatsache ist, dass ein 12jähriges Kind nicht allein in der elterlichen Wohnung bleiben kann, wenn es krank ist. Würde ich das tun (das Kind alleinlassen), dürfte man mir mit Recht eine Verletzung der Fürsorgepflicht unterstellen. Da stoßen dann gesetzliche Bestimmungen auf die Realität und erweisen sich als unbrauchbar. Was hat mein Arbeitgeber davon, wenn ich - fürsorgepflichtwidrig - zur Arbeit erscheine und dort vor lauter Sorge nicht konzentriert arbeiten kann? Ich bekomme ja mein Geld nicht für das Herumsitzen, sondern für die Arbeitsleistung (kein Anwesenheitsbonus). Wie oft habe ich trotz beginnender oder schon ausgebrochener Krankheit brav im Betrieb meinen Dienst versehen oder die Regelungen der Berufsgenossenschaft, die mehr als 10-stündiges Arbeiten untersagen, ignoriert, weil die Arbeit nunmal nicht liegen bleiben konnte? Wieviele Mittagspausen habe ich durchgearbeitet? Wieviele Blicke über den Tellerrand haben dem Betrieb bares Geld gespart (von wegen, ich werde nur für meine vertraglich geregelte Arbeitsleistung entlohnt)?
So ein Kind wird nicht 5mal pro Monat krank. So ein Kind ist nicht immer 12 (in meinem Beispiel). Aber ich werde, so es den Betrieb dann noch gibt, wahrscheinlich über die Erreichung der Volljährigkeit meiner Tochter hinaus in diesem Betrieb arbeiten - mit vollen Einsatz und Elan. Ich will bitte als der Mensch behandelt werden, der ich bin: pflichtbewusst, in dem mir gegebenen Rahmen unternehmerisch denkend und - ja - gern berufstätig. Und Mutter. Das alles macht meine Persönlichkeit aus. Das alles bringe ich tagtäglich als Routine und Grundlage für meine Arbeitsleistung mit. Ich schade dem Unternehmen nicht, wenn ich MAL meiner kranken Tochter beistehe. Den Gewinn, den das Unternehmen dank meiner Leistung erwirtschaftet, sollte man als Gegengewicht in die Waagschale werfen. Und da ist dieses Herumwedeln mit der Nachweispflicht kleinlicher Bürokratismus, nichts weiter.
Wenn jetzt jemand vom Gleichbehandlungsprinzip erzählt, den lache ich aus. Diesen Mythos von der großen Familie, in der alle die selben Rechte und Pflichten haben, den halte ich für gelinde gesagt lächerlich und praxisfremd. Ich werde, wenn meine Tochter in den nächsten 2 Jahren irgendwelche Erkrankungen erleiden sollte (die ich nicht provoziert oder herbeigesehnt habe, das wollen wir doch auch mal festhalten), mir erlauben, eine eigene Erkrankung als Abwesenheitsgrund angeben, um der Bürokratie genüge zu tun. Und wenn zu gleicher Zeit zufällig wieder ganz wichtige Sitzungen vorzubereiten sind, werde ich meinen Mann bitten, zu Hause zu bleiben, damit wir Job und Familie verantwortlich gemanagt bekommen.
Ich frage mich die ganze Zeit, was sich die Krankenkassen eigentlich denken, wenn sie Eltern kranker Kinder den finanziellen Ausgleich für betriebliche Fehlzeiten verweigern, sobald das betreffende Kind 12 ist. Ich halte dieses Alter für willkürlich gesetzt. Gott sei Dank habe ich vor besagtem Ereignis bislang noch nie mehr als einen einzelnen Tag wegen Krankheit des Kindes gefehlt, weil ich die Betreuung immer anderweitig geregelt bekam. Ich hätte das auch anders handhaben können (siehe Salmonellenerkrankung im Eingangsposting). Was tut Frau nicht alles, um der arbeitnehmerischen Pflicht nebst arbeitgeberischer Erwartungshaltung gerecht zu werden.
Manchmal weiß ich nicht, was mich wütender macht: mein Pflichtbewusstsein oder die Unterstellung, dass ich die Gutmütigkeit meines Arbeitgebers missbrauche (potentiell).
Grüße
Anke