RE: CUP-Syndrom
Hallo Michael,
entschuldigen Sie bitte das ich mich jetzt erst melde, aber es ist viel geschehen.
Mein Mann ist am 08.08.02 an einer Lungenentzündung verstorben, er hatte nichts mehr entgegen zu setzen.
Am 31.07.02 erhielt mein Mann die letzte Chemo ins Liquor, Donnerstag den 01.08.02 durfte ich Ihn nach 6 Wochen Krankenhaus endlich nach Hause holen.
Mit den Ärzten hatten wir vereinbart 1x in der Woche zur Chemotherapie ambulant zu kommen.
Mein Mann und ich haben uns riesig gefreut, dass er endlich wieder zu Hause war.
Freitag den 02.08.02 mußte Mann im Aachener Klinikum vorstellig werden, um eine eventuelle Strahlentherapie (Kopf und Rückenmark) zusätzlich zu erhalten.
Samstag den 03.08.02 zur Blutabnahme ins Krankenhaus, er hat alles stillschweigend über sich ergehen lassen.
Er war den ganzen Tag sehr ruhig und nachdenklich, wollte aber mit mir nicht darüber sprechen.Am Abend bekam er plötzlich Schüttelfrost, was ich gar nicht einordnen konnte.
Am Sonntag den 04.08.02 konnte mein Mann kaum vor Schwäche aufstehen, er hatte keinen Appetit und weinte still vor sich hin. Ich habe Ihn in die Arme genommen und gestreichelt, gefragt ob er mit mir darüber sprechen möchte was in seinem Kopf vorgeht, aber er sagte nur wie immer wenn ich fragte der Kopf sei so leer.
An diesem Tag waren wir gemeinsam sehr traurig, ich glaube wir wußten beide er würde nicht mehr lange bei mir sein.
Jede Stunde mußte er zur Toilette um Urin zu lassen, ich hatte Ihm einen Eimer hingestellt damit er nicht bis Bad laufen mußte,
aber so konnte er nicht machen.
Engumschlungen sind wir später am Abend eingeschlafen. Gegen 23,30h wurde ich durch einen lauten Krach erschreckt wach.
Mein Mann war auf dem Weg zur Toilette gestürzt, er weinte und fluchte (Schatz ich bin gefallen, Schatz ich bin gefallen).
Ich versuchte Ihn aufzuheben, aber er lag wie versteinert da und sprach immer nur diesen Satz.
Beruhigend sprach ich auf Ihn ein, bitte atme ganz ruhig durch, ganz ruhig durchatmen, langsam kam er wieder zu sich.
Ich versuchte mit vereinten Kräften ihn wieder auf die Beine zu stellen. Er war am ganzen Körper sehr heiß, ganz naß geschwitzt er hatte hohes Fieber. Er setzte sich auf die Toilette und ich fragte ihn, ob ich ihn ins Krankenhaus bringen soll.
Seinen ganzen Körper habe ich abgetastet ob nichts gebrochen sei, am nächsten Morgen mußten wir sowieso wieder zur Blutabnahme ins Krankenhaus. Arm in Arm sind wir wieder eingeschlafen.
Montag den 05.08.02 bekam ich meinen Mann kaum aus dem Bett, um 8,30h sollten wir zur Blutabnahme sein, um 11h waren wir dann endlich dort.(Termine arteten für meinen Mann in unerträglichen Stress aus)
Die Ärztin Frau Dr. Rupp behielt meinen Mann gleich wieder da, sie erkannte den schlechten Zustand meines Mannes sofort.
In der Radiologie erlitt mein Mann seinen ersten eptileptischen Anfall, (ich werde diese Szene nie vergessen). Ich hatte Ihn im Rollstuhl gefahren,aber als die Radiologin fragte ob er bei den Aufnahmen stehen könne, klar nur keine Schwäche zugeben wenn Fremde dabei sind, und dann passierte dieser Anfall.(auf der Liege sagte mein Mann plötzlich wie aus heiterem Himmel, nicht wahr Schatz ich werde sterben, ich weiß es, du weißt es und die anderen wissen es auch).Dann konnte mein Mann es wieder sehr gut verdrängen.
Die Radiologin erklärte mir es sei nichts gebrochen.
Dienstag den 06.08.02 mein Mann war sehr geschwächt, er hatte eine Lungenentzündung. Mein Mann wollte mich Abends gar nicht nach Hause fahren lassen, ich blieb bis 21,30h da ihm die Augen zufielen.
Mittwoch den 07.08.02 telefonierten mein Mann und ich schon sehr früh miteinander, ich hatte sehr schlecht geschlafen und mich gefragt warum ich nicht bei meinem Mann im Krankenhaus geblieben bin?
Meinem Mann ging es nicht gut und er sprach es auch aus, Schatz kommst du mir geht es nicht gut, ich bekomme nicht genug Luft.
Ich fuhr sofort zu Ihm, er schaute mich ganz traurig an und sagte ganz ruhig, nicht wahr mein Schatz diese Woche werde ich sterben, diese Woche noch. (Ich hatte keine Ahnung.) Er war so schwach, aber er wollte aufstehen und sich waschen und rasieren. Er wollte sich alleine rasieren, stehend vorm Waschbecken mit einer Hand sich an der Wand festgehalten und mit der anderen rasiert. Beim Ankleiden durfte ich dann wieder helfen, die Nachtschwester hatte meinen Mann in der Nacht dreimal umziehen müssen, da er naß geschwitzt war.
Dann hatten wir noch ein wundervolles Erlebnis. Mein Mann Robert ist ein großer Papageienfan, er hatte selber als junger Mann einen eigenen Papagei mußte ihn aber wegen zu wenig Zeit abgeben.
An diesem Mittwoch den 07.08.02, saß plötzlich ein Nymphensittich auf der Balustrade des Krankenzimmers in dem mein Mann mit seinem Bettgenossen Herr Zimmer lag.
Mein Mann sagte halte den Finger hin, der ist zahm der kommt sofort auf deine Hand. Tatsächlich, der Vogel war so zutraulich, das es schon erschreckend war. Zwei Stunden war der Nymphensittich im Zimmer, er kundschaftete alles in der Nähe meines Mannes aus (Nachtschränkchen, mich, das Bett) und als mein Mann die Augen schloss, setzte sich der Vogel auf den Kopf meines Mannes, steckte seinen Kopf in sein Gefieder und schlief mit meinem Mann. Herr Zimmer meinte nur, wenn das kein Omen ist, betrachten wir es als gutes Omen. Der Krankenpfleger setzte der Idylle ein jähes Ende, da er den Vogel einfing und wieder fliegen ließ.
Am Nachmittag kam die Ärztin und sprach mit mir. Bei meinem Mann schlug die Antibotika nicht mehr an, der Körper reagierte nicht mehr darauf. Die Ärztin erklärte das Sie sich Gedanken gemacht habe und zu dem Resultat gekommen sei, ein noch stärkeres Antibiotikum (Letzte Chance) einzusetzen. Der Körper meines Mannes aber so geschwächt sei, das er der Lungenentzündung und dem starken Medikament nichts mehr entgegen zu setzten hatte. Mit meinem Einverständnis vorrausgesetzt, wollte sie bei meinem Mann keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr ergreifen.(Patientenverfügung lag vor)
Mein Mann wurde in ein anderes Zimmer verlegt, damit ich die Nacht bei Ihm bleiben konnte. Die Kinder, sein Bruder und alle Freunde waren an diesem Tag noch bei Ihm. Beim Einschlafen sagte er plötzlich, Schatz ich bekomme zwar Luft, aber es reicht nicht für mich, es reicht nicht. (er hatte nur noch 30% Sauerstoff) Die Sauerstoffzufuhr stand auf fünf , Atemübungen habe ich mit ihm gemacht, ganz ruhig durch die Nase einatmen und den Mund ausatmen. Er verbrachte eigentlich eine ruhige Nacht, außer das meinem Mann immer sehr warm war und er sich aufdeckte, die Sauerstoffzufuhr sich von der Nase riß.
Gegen Morgen begann für meinen Mann der Todeskampf, er erhielt Morphium um keine Schmerzen erleiden zu müssen.
Alle kamen um meinem Mann in der schwersten Stunde seines Lebens Beistand zu leisten.
Die Kinder Thomas und Robby, Bruder Erwin mit Frau Edeltraud und sein bester Freund während den letzten Jahren seines Lebens, Büb.
Meinem Mann wurde die letzte Ölung erteilt, er richtete sich 2x auf, schaute alle nacheinander an als wenn er sehen wollte wer alles da war.
Robert schlief sehr ruhig und ohne Schmerzen am Donnerstag den 08.08.02 gegen 9,30h für immer ein.
Ich weiß nicht ob ich alles richtig gemacht habe, hätte ich mehr mit ihm über den Tod sprechen sollen wenn er davon anfing und
sagte ich weiß ich werde sterben.
Am Anfang seiner Erkrankung habe ich es versucht, aber er sagte rede nicht so einen Blödsinn.
Meine Traurigkeit kennt keine Grenzen.
Ich hoffe er ist mit dem Bewußtsein verstorben sehr geliebt zu werden, die Familie und ich haben es oft gesagt und ich denke auch gezeigt.
Vielen Dank für Ihre offenen Worte
Hanne Krieg