RE: Antibiotika bei Grippe??
Tamiflu (Oseltamivir) ist ein Pro-Drug des aktiven Metaboliten (Oseltamivircarboxylat). Der aktive
Metabolit ist ein selektiver Inhibitor der
Neuraminidasen von Influenzaviren.
Neuraminidasensind Glykoproteine, die auf der
Oberfläche des Virions lokalisiert sind. Die
enzymatische Aktivität der viralen Neuraminidasen
ist entscheidend für die Freisetzung
von neu gebildeten Viruspartikeln aus
infizierten Zellen und für die weitere Verbreitung
infektiöser Viren im Körper.
Oseltamivircarboxylat hemmt Influenza A und
B-Neuraminidasen in vitro.
Oral gegebenes Oseltamivir hemmt die Influenza A und
B-Virusreplikation und Pathogenität in vivo in Tiermodellen der Influenzainfektion bei antiviralen Expositionen vergleichbar denen, die beim Menschen mit 75 mg zweimal
täglich erreicht werden.
Die antivirale Aktivität von Oseltamivir gegenüber
Influenza A und B wurde in experimentellen
Provokationsstudien an gesunden Freiwilligen bestätigt.
Die IC50-Werte von Oseltamivir für die Neuraminidase
von klinisch isolierter Influenza A lagen zwischen 0,1 nM und 1,3 nM, und von Influenza B bei 2,6 nM. Höhere IC50-Werte
für Influenza B, bis zu einem Medianwert von 8,5 nM, wurden in publizierten Studien beobachtet.
Reduzierte Sensitivität der viralen Neuraminidase
In klinischen Studien bei natürlich erworbener
Infektion fand man bei 0,34 % (4/1177) der Erwachsenen und Jugendlichen und bei 4,5 % (17/374) der Kinder zwischen
einem und 12 Jahren vorübergehend Influenza- A-Viren mit einer verringerten Neuraminidase-Empfindlichkeit gegenüber Oseltamivircarboxylat. Influenza-B-Neuraminidase mit reduzierter Empfindlichkeit ist
weder in Zellkulturen noch in klinischen Studien nachgewiesen worden.
Kreuzresistenz zwischen Zanamivir-resistenten
Influenzamutanten und Oseltamivirresistenten
Influenzamutanten wurde in vitro beobachtet. Es liegen noch keine hinreichenden Informationen vor, um das Risiko der Entstehung einer Oseltamivir-Resistenz und Kreuzresistenz in der klinischen Praxis zu beurteilen.
Therapie der Influenzainfektion
Oseltamivir wirkt nur bei durch Influenzaviren
hervorgerufenen Krankheiten. Statistische Analysen werden deshalb nur für influenzainfizierte Patienten dargestellt. In der
Gesamtanalyse der Patienten in Therapiestudien, welche sowohl Influenza-positive wie -negative Patienten umfasst (ITT), reduzierte sich die primäre Wirksamkeit proportional
zur Anzahl der Influenza-negativen Patienten. In der gesamten Behandlungspopulation wurde eine Influenzainfektion bei 67 % (Spanne 46 % bis 74 %) der eingeschlossenen Patienten festgestellt. Von den
älteren Patienten waren 64 % Influenzapositiv, und von den Patienten mit chronischen kardialen und/oder respiratorischen Erkrankungen waren 62 % Influenza-positiv.
In allen Phase-III-Therapiestudien wurden die Patienten nur in dem Zeitraum eingeschlossen, währenddem Influenza in der lokalen Bevölkerung auftrat.
Erwachsene und Jugendliche ab 13 Jahren:
Die Patienten wurden aufgenommen,
wenn sie sich innerhalb von 36 Stunden nach Auftreten der Symptome meldeten, Fieber >=37,8°C, begleitet von wenigstens einem respiratorischen Symptom (Husten,
verstopfte oder laufende Nase oder Halsschmerzen),
und wenigstens ein systemisches Symptom (Myalgie, Schüttelfrost/ Schweißausbrüche, Unwohlsein, Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzen) hatten.
In einer Gesamtanalyse aller Influenza-positiven
Erwachsenen und Jugendlichen (n=2413), die in die Therapiestudien einbezogen waren, verkürzte Oseltamivir 75 mg zweimal täglich über einen Zeitraum von 5 Tagen die mediane Erkrankungsdauer der Influenza um ungefähr einen Tag von 5,2 Tagen (95 % Konfidenzintervall 4,9 – 5,5 Tage)
in der Placebo-Gruppe auf 4,2 Tage (95 % Konfidenzintervall 4,0 – 4,4 Tage) (p<=0,0001).
Der Anteil der Personen, bei denen bestimmte
Komplikationen der unteren Atemwege (hauptsächlich Bronchitis) diagnostiziert und mit Antibiotika behandelt wurden, wurde von 12,7 % (135/1063) in der Placebo-
Gruppe auf 8,6 % (116/1350) in der mit Oseltamivir behandelten Population reduziert (p=0,0012).
Therapie der Influenza bei Hoch-Risiko- Populationen:
Die mediane Erkrankungsdauer der Influenza
wurde bei älteren Patienten (W65 Jahre) und bei Patienten mit chronischen kardialen und/oder respiratorischen Erkrankungen, die Oseltamivir 75 mg zweimal täglich während 5 Tagen erhielten, nicht signifikant verkürzt.
Die Gesamtdauer des Fiebers wurde in den mit Oseltamivir behandelten Gruppen um einen Tag verkürzt. Bei älteren Influenzapositiven Patienten reduzierte Oseltamivir
signifikant die Inzidenz bestimmter Komplikationen
der unteren Atemwege (hauptsächlich Bronchitis), die mit Antibiotika behandelt wurden, und zwar von 19 % (52/268) in der Placebo-Gruppe auf 12 % (29/250) in der mit Oseltamivir behandelten Patientengruppe (p=0,0156). Bei Influenza-positiven Patienten mit chronischer kardialer und/oder respiratorischer Erkrankung betrug die kombinierte Inzidenz von Komplikationen der unteren Atemwege (hauptsächlich Bronchitis), die mit Antibiotika behandelt wurden, 17 % (22/133) in der Placebo-Gruppe und 14 % (16/118) in der mit Oseltamivir behandelten Gruppe (p=0,5976).
Therapie der Influenza bei Kindern:
In einer Studie mit ansonsten gesunden Kindern
(65 % Influenza-positiv), im Alter zwischen
1 und 12 Jahren (mittleres Alter 5,3 Jahre), die Fieber (W37,8 tC) und entweder Husten oder Schnupfen hatten, waren 67 %
der Influenza-positiven Patienten mit Influenza A und 33 % mit Influenza B infiziert. Die Therapie mit Oseltamivir, innerhalb von 48 Stunden nach Auftreten der Symptome begonnen, verkürzte die Zeitspanne bis zur Beschwerdefreiheit (definiert als die gleichzeitige Rückkehr zu normaler Gesundheit
und Aktivität und das Abklingen von Fieber, Husten und Schnupfen) um 1,5 Tage (95 % Konfidenzintervall 0,6 – 2,2 Tage; p<0,0001) verglichen mit Placebo. Oseltamivir reduzierte die Inzidenz akuter Mittelohrentzündung
von 26,5 % (53/200) in der Placebo- Gruppe auf 16 % (29/183) bei den mit Oseltamivir behandelten Kindern (p=0,013). Eine zweite Studie wurde mit 334 asthmatischen
Kindern im Alter zwischen 6 und 12 Jahren, von denen 53,6 % Influenzapositiv waren, durchgeführt. In der mit Oseltamivir
behandelten Gruppe wurde die mediane Dauer der Erkrankung nicht signifikant verkürzt. Am Tag 6 (letzter Behandlungstag) hatte sich in dieser Population der FEV1-
Wert um 10,8 % in der mit Oseltamivir behandelten Gruppe erhöht, verglichen mit 4,7 % unter Placebo (p=0,0148).
Therapie der Influenza B-Infektion:
Insgesamt 15 % der mit Influenza infizierten Population war mit Influenza B infiziert, der Anteil lag zwischen 1 und 33 % in den einzelnen Studien. Die mediane Erkrankungsdauer
bei mit Influenza B infizierten Patienten zeigte zwischen den Therapiegruppen in den einzelnen Studien keinen signifikanten Unterschied. Daten von 504 mit Influenza B
infizierten Patienten wurden über alle Studien
gepoolt analysiert. Oseltamivir reduzierte die Zeit bis zum Abklingen aller Symptome um 0,7 Tage (95 % Konfidenzintervall 0,1 – 1,6 Tage; p=0,022) und die Dauer des Fiebers (>=37,8°C), Hustens und Schnupfens um einen Tag (95 % Konfidenzintervall 0,4 – 1,7 Tage; p<0,001) im Vergleich zu Placebo.
Prophylaxe der Influenza
Die Wirksamkeit von Oseltamivir zur Prophylaxe
der natürlich auftretenden Influenzaerkrankung
wurde in einer Postexpositions- Prophylaxestudie in Haushalten und zwei saisonalen Prophylaxestudien gezeigt. Der primäre Wirksamkeitsparameter für alle diese
Studien war die Inzidenz laborbestätigter Influenza.
Die Virulenz von Influenzaepidemien ist nicht
vorhersagbar und variiert innerhalb einer Region und von Saison zu Saison, deshalb variiert auch die erforderliche Patientenzahl, die prophylaktisch behandelt werden muss,
um einen Fall von Influenza zu verhindern (,,number needed to treat‘‘, NNT). Postexpositions-Prophylaxe: In einer
Studie wurde Oseltamivir 75 mg einmal täglich an Personen (davon 12,6 % gegen Influenza geimpft), die in Kontakt mit einem Influenzafall (Indexfall) standen, beginnend innerhalb von 2 Tagen nach Auftreten der Symptome beim Indexfall und über einen Zeitraum von 7 Tagen angewendet. Die Influenza- Diagnose konnte bei 163 von 377 Erstfällen bestätigt werden. Oseltamivir senkte signifikant die Inzidenz der klinischen Influenza-Erkrankung bei den Kontaktpersonen der bestätigten Influenzaindexfälle von
24/200 (12 %) in der Placebo-Gruppe auf 2/205 (1 %) in der Oseltamivir-Gruppe (92 % Reduktion, (95 % Konfidenzintervall (6 – 16), p<=0,0001). Die NNT bei Kontaktpersonen echter Influenzafälle betrug 10 (95 %
Konfidenzintervall 9 – 12) und 16 (95 % Konfidenzintervall
15 – 19) innerhalb der gesamten Population (ITT), unabhängig vom Infektionsstatus des Indexfalles.
Prophylaxe während einer Influenzaepidemie
in der Bevölkerung: In einer gepoolten Analyse von zwei weiteren Studien, welche mit ungeimpften, ansonsten gesunden Erwachsenen durchgeführt wurden, reduzierte
Oseltamivir 75 mg einmal täglich, angewendet während 6 Wochen, signifikant die Inzidenz klinischer Influenza-Erkrankung von 25/519 (4,8 %) in der Placebo-Gruppe auf 6/520 (1,2 %) in der Oseltamivir-Gruppe
(76 % Reduktion, (95 % Konfidenzintervall 1,6 – 5,7); p=0,0006) während eines Influenzaausbruchs
in der Bevölkerung. Die NNT in dieser Studie betrug 28 (95 % Konfidenzintervall 24 – 50).
In einer Studie mit älteren Bewohnern von Pflegeheimen, von denen 80 % in der betreffenden Saison geimpft worden waren, senkte Oseltamivir 75 mg einmal täglich
während 6 Wochen angewendet signifikant die Inzidenz der klinischen Influenza-Erkrankung von 12/272 (4,4 %) in der Placebo- Gruppe auf 1/276 (0,4 %) in der Oseltamivir-
Gruppe (92 % Reduktion, (95 % Konfidenzintervall 1,5 – 6,6); p=0,0015). Die NNT in dieser Studie betrug 25 (95 % Konfidenzintervall 23 – 62).
Spezielle Studien zur Beurteilung der Verringerung
des Risikos von Komplikationen wurden nicht durchgeführt.
Stand: Dezember 2004