also...
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Das klingt alles sehr interessant was du schreibst, und damit kann mehr anfangen als mit dem Begriff Magersucht. Wenn du auch noch Schnitterin bist, steckt einiges dahinter.
Ich weiss dass es nicht leicht ist, jemanden zu ertragen dem es scheinbar gut geht und der vor Selbstbewusstsein nur so strotzt. Ich wirkte dann oft auf andere die Sorgen haben, wie ein rotes Tuch. Die Unterschiede kommen dann krass zur Geltung.
Aber es täuscht, wenn du glaubst ich würde nicht zuhören. Ich habe genug schwere Zeiten hinter mir, dass es mir nur gut ginge und nie schlecht, wäre total daneben getippt.
Warum schreibe ich dann so? Weil mir manchmal die Geduld und das Verständnis fehlt. Es ist doch so, dass die Magersucht auch ein Hilferuf ist, manchmal auch eine Verblendung, oder? Aber alles hat seine Grenzen. Wenn man es mal soweit treibt, dass sie Magersucht einen umbringt oder Spätfolgen hat, dann ist das einfach zuviel des bösen Spiels.
Irgendwo muss doch irgendwann mal der Selbsterhaltungstrieb einsetzen. z.B. eben das letzte Mal mit der Unterzuckerung von der einen mit der Darmuntersuchung: Die Natur hat es durchaus sinnvoll eingerichtet, dass man Fettreserven hat, eben auch um nicht ständig zu unterzuckern und an Entkräftung zu sterben. Wenn mal das Hirn keinen Zucker mehr hat zum denken und das Herz keinen mehr um zu schlagen, dann ist es aus.
Warum funktioniert da nicht mehr das Mitleid mit dem eigenen Körper?
Irgendwann müsst auch ihr mal merken, dass es direkte Folgen für euch selbst, und zwar nur für euch, hat.
Warum fehlt euch dieser natürliche Instinkt?
Als ich diesjahr die schwere Kolik hatte, habe ich mir auch nicht so fest in die Hand gebissen, dass ich dann danach noch ein Stück Fleisch annähen hätte lassen müssen. Ich wusste dass ich die Kolik wohl überleben würde, und ich wollte danach nicht auch noch eine kaputte Hand haben.
Warum hast du nicht diesen natürliche Schutz?
Und wer zwingt dich, Schuldgefühle zu haben? Für wen oder was? Du fühlst dich nichts wert, aber du tust Taten die dich nicht wertvoll machen. Durch deine Selbstverletzung und Magersucht wirst du nicht wertvoll für jemanden. Du bekommst höchtens Mitleid, du schaffst Leiden für andere die dich mögen oder lieben. Aber für andere die weniger mit dir zu tun haben, wirst du nur zu einer Last. Und das ist garantiert nicht das was du willst.
Wenn du möchtest dass du positive Aufmerksamkeit bekommst, dann gehe auf Menschen zu und sprich mit ihnen. Du hast es jetzt zum Beispiel mit mir getan. Statt dich zurückzuziehen hast du vernünftig geredet. Das löst noch nicht deine Probleme, aber du bekommst eher positive Rückmeldung.
Wenn du mal dich selbst fühlen willst, was es bedeutet für dich alleine verantwortlich zu sein, dann solltest du z.B. mal in die Berge gehen, aber nicht dort wo tausend andere Leute sind, sondern auf einsamen Routen, im Winter oder bei Wind und Sauwetter. Da hast du genug Zeit und Möglichkeiten, deine Fähigkeiten und Instinkte zu trainieren. Machst du da einen Fehler oder verzagst du, dann hat es direkte Folgen für dich und es könnte ganz fatal enden.
Natürlich ist das zuviel, aber wenn du in einer Gruppe gehst, spürst du was es heisst, aufeinander angewiesen zu sein, wichtig für andere zu sein, nicht schwach werden zu dürfen, durchhalten zu müssen. Das könnte dich psychisch gut aufbauen.
Schlimmer noch wäre es bei einer Klettertour, wo du am Seil eines Kletterers hängst. Wenn mal 200m freier Fall und nur steile, kalte und abweisende Felswand unter dir sind und noch 100m über dir, dann spürst du wie wichtig dein Zutun für das Gelingen der Tour ist, wie wichtig es ist dass du nicht versagst, sondern mithilfst. Du musst da durch und deine Angst vor dem Absturz in die gähnende Tiefe überwinden. Alle deine anderen Ängste werden da vollkommen unwichtig, weil es nur darum geht, irgendwann wieder heil vom Berg runterzukommen.
Wenn du versagst, dann hat dein Seilpartner ein Problem, aber kein kleines mehr.
Oder eine Segeltörn könnte dir helfen. Keine solche die pauschal mit Skipper und Personal ist, sondern eine Ausbildungstörn. Da wo du in eine kleine Mannschaft von z.B. 6 Leuten eingebunden bist. Bei starkem Windwetter ist es nicht möglich, auf die aktive Mithilfe von dir zu verzichten, du musst da die ganze Zeit auf See funtkionieren. Das Gelingen einer Törn hängt dann auch von dir ab. Deine Arbeit und Mithilfe wird gebraucht. Alleine kann kein Skipper bei starkem Seitenwind in eine Bucht einparken, da müssen alle an Deck sein und mit anpacken. Ebenso bei allen Arbeiten, ob Küche, Bordwache, Ruder, oder Navigation (würg) und Bootsreinigung.
Und wenn dann mal ein Sturm von 8 bis 10 Windstärken kommt und keiner mehr ausser euch auf See ist und die Wellen hoch wie Einfamilienhäuser, dann bist du froh wenn nichts passiert ist und du mit zu beigetragen hast, dass alle wieder festen Boden unter den Füssen haben und keiner verloren gegangen ist.
Wenn du alles drei hinter dir hast, weisst du dass du nicht wertlos bist, dann kennst du deine Fähigkeiten, dann hast du andere Ängste kennengelernt, die dich froh sein lassen, abends wieder im warmen am Tisch zu sitzen und etwas essen zu können. Und vor allem hast du ein sehr psoitives Gefühl, alleine schon deshalb, weil du es geschafft hast.
Ich war aber auch schon mit psychisch labilen Menschen dort. Ich erinnere mich noch gut an die Momente wo sie durchdrehten, wo wirklich unser Überleben (oder das derer) davon abhing, dass sie sich nochmal zusammenrissen, egal wie schlimm es ihnen schien. Gut, meine Nerven waren danach ziemlich strapaziert, aber den anderen ging es äusserst gut, weil sie sich selbst überwunden haben und es geschafft haben.
Vielleicht könnte sowas dir helfen, um dir bewusst zu werden dass du einen Wert besitzt und positive Gefühle erlaubt sind.
Es ist nicht so, dass ich über euch lache oder euch verachte, aber manchmal denke ich, ihr nehmt nicht nur euch selbst nicht ernst genug. Manchmal fühle ich mich einfach verarscht, wenn ich lese dass magersüchtige darüber klagen, dass sie unterzuckern. Woher kommt denn das Unterzuckern? Vom zuvielen Essen?
Genauso komisch käme es mir vor, würdest du dich schneiden und mir dann klagen, wie weh das täte und du das Blut nicht sehen könntest. Da würdest du kein Mitleid und kein Verständnis von mir bekommen.
" Mir würde noch viel mehr dazu einfallen, aber ich will auch niemanden überfordern. "
Na und? Dann überfordere doch andere damit, das ist dann deren Problem.