RE: Alzheimer/Aggressionen
Liebe Kerstin,
wer die Konturen seiner Welt verliert, reagiert mit Traurigkeit oder mit Aggression oder mit einem Gemisch aus Beidem. Aggression sollte als ein Gefühl verstanden bleiben, was aus sich heraus gelebt werden will. (Ich beziehe mich aber nicht auf körperliche Gewalt, wenn es jetzt um Ideen geht, die wären dann sicher anders).
Würde ich nicht auch sehr wütend werden ? Und wohin dann mit meiner Wut ?
Also suche ich mir ein erreichbares Ziel. Wer besser kommt da in Frage, als die Menschen, die mir nahe sind, mir geradezu vor die Füsse fallen und deren (Verletzungs)Potential ich noch kenne. Die gewogen sind, mich anzuhören.
Nun fände ich es klasse, wenn es eine allgemeine Beschimpfungshotline für all die an Demenz erkrankten Menschen gäbe, um die sich kümmernden Angehörigen zu entlasten. Da dazu aber eine Kenntnis der Persönlichkeit des Anrufers und dessen Historie erforderlich wären, wird es die wohl so schnell nicht geben
Nun wäre es interessant zu wissen, in welche Richtung die Anschuldigungen gehen. Das Verhalten eines Menschen, der an AD erkrankt ist, ist in puncto Einsichtsfähigkeit nicht zu ändern, aber durchaus zu beeinflussen. Das Verhalten der gesunden Menschen ist änderbar.
Eine Reihe der üblichen Anschuldigungen nebst Drohungen sieht ja in der Regel so aus:
Niemand kümmert sich um mich. Niemand mag mich.
Mir wird mein Geld weggenommen. Dauernd werde ich beklaut.
Ich enterbe dich. Ich verkaufe das Haus. Ich ziehe zurück nach Hause.
Irgendwas davon bekannt ?
Der geduldige Mensch wird versuchen, das zu beschwichtigen und das Gegenteil zu erklären (in dem er um die Fakten weiss...ich war doch erst gestern da, oder, oder )
Nutzt das nichts und die Litanei geht weiter bis zur Eskalation, meine ich, man hat das gute Recht, ein Telefonat oder ein Gespräch zu beenden. Es mag der bessere Weg sein, später ein neues Gespräch zu suchen und zwar so, als hätte es das Alte nicht gegeben.
Im Zweifelsfall und bevor man selbst heult, bitte aufhören !!!
Wenn man nicht unbedingt auf Richtigstellung beharrt, gehts in der Regel auch sanfter, will beispielsweise heissen:
Jaja, die Nachbarn klauen wie die Raben. Da müssen wir wohl demnächst die Polizei rufen.
Paradoxe Intervention ist überraschend mal die Seite umzukehren: z.B. über die Beschimpfung man wäre eine giftige Schlage zu sagen...okay, und nächstes Mal vernasch ich dich

)
Solche Reaktionen kann man aber nur abrufen, wenn man sie trainiert. Da ja oft eine Wiederholung da ist, könnten Sie gemeinsam üben und überlegen, wie man zukünftig anders mit Geschimpfe umgeht.
Es geht und es gibt keinen Grund nun ausgerechnet die Beziehungen zu intensivieren. Bleiben sie und ihre Familie normal.
Lieben Gruss
Auguste D.