Lieber Leo,
meine eigene finanzielle Situation ist ein Abenteuer. Ich bin in der Lage, recht frugal zu leben (Urlaub brauch ich zB nicht, gutes gesundes Essen, ordentliche Kleidung, Sport reichen mir, Geld für Bildung ist auch immer gut angelegt). Außerdem habe ich meine Abfindung 2015 bestens angelegt, so dass ich davon immer noch was habe. Da ich erst dieses Semester die Abschlussarbeit eingereicht habe, habe ich noch bis Frühjahr Studentenstatus, was auch einigen Kostenaufwand mildert, zB ÖPNV-Kosten. Evtl. kann ich das noch weiter ausreizen, wenn andere Pläne nicht aufgehen. Ich habe unmittelbar nach Abgabe der Masterarbeit einen Anruf mit Arbeitsauftrag bekommen und mache nun Projektassistenz für die Leiterin des Landesamts für Bildende Kunst. Daneben kommen mal kleinere Aufträge für Künstlerinnen rein. Ich bin also selbständig, der Verdienst ist ok, aber ich habe auch noch den Unterhalt von V. Auf V.s Unterstützung will ich natürlich baldmöglichst verzichten können, und sie halbiert sich auch ab diesem Monat. Ich brauche also noch mehr Aufträge, dazu brauche ich ein größeres Netzwerk, und damit konnte ich mich ja überhaupt erst letztes Jahr ansatzweise beschäftigen. Im Grunde habe ich alle diese Kontakte durch die Masterarbeit, weil ich dazu Interviews geführt habe, und der aktuell wichtigste ist eine ehemalige Vermieterin von mir (als ich von V. weggezogen bin), selbst Künstlerin.
Ich versuche, über meine Schreibtätigkeiten in die KSK aufgenommen zu werden, dann muss ich die KV nicht komplett alleine stemmen - aktuell bin ich noch bei V. familienversichert, aber irgendwann wird er ja wohl die Scheidung einreichen.
Ich habe über meine Auftragsarbeiten einen Finanzberater kennengelernt, der selbst Künstler ist und sich mit diesen Dingen bestens auskennt, mit dem unterhalte ich mich nächste Woche darüber.
Die Dissertation ist im geisteswissenschaftlichen Bereich schon ein Türöffner, auch finanziell wird sich so ein Titel auswirken.
Auch dazu habe ich schon Material von der genannten ex-Vermieterin bekommen - aber das reicht nicht, ich muss 2 Themen haben, 2 Exposées schreiben und einreichen und dann mal sehen. Und ich habe noch nicht mal meine Master-Note! Also noch viel zu tun. Und wieviel Zeit das im Detail in Anspruch nimmt, weiß ich noch nicht, aber wenn ich pro Woche 2-4 Tage darauf verwenden kann (inkl. WE), dann sollte ich schnell vorwärts kommen - wenn die Basis stimmt.
Da habe ich einen echten Berg Forschungsarbeit vor mir und auch bißchen Klinkenputzen für Förderung, weil ich die Dissertation bzw. die sehr teure Publikation nicht komplett aus meinen Reserven finanzieren möchte.
Was die Beziehung mit KF angeht: warum ich bleibe, frage ich mich selbst. Aus Loyalität? Aus Hoffnung, dass es einfacher wird? Er ist fürsorglich, aufmerksam, liebevoll... aber er ist auch das, was ich oben schrieb, immer mit 1 Fuß im Prekariat. Das triggert meine alten Ängste vor Armut, weil ich selbst in Armut aufgewachsen bin: mein Vater hat meine Mutter finanziell ruiniert, dann haben meine Eltern sich scheiden lassen und meine Mutter hat es nicht mehr geschafft, nach einem Offenbarungseid - so nannte man damals die Privatinsolvenz) - sich davon finanziell je wieder zu erholen. Klassismen haben meinen Weg mitbestimmt. Es war sehr schwer, aus der Lage herauszukommen, alleine hab ich das nicht geschafft. Ich musste mein erstes Studium abbrechen, weil meine Mutter die Hälfte von meinem BaFöG kassiert hat und ich in dem Kaff, wo ich wohnte, keinen Nebenjob finden konnte. Ich konnte mir nicht einmal eine normale Ausbildung leisten, weil ich davon keine Miete hätte zahlen können und WGs etc. gab es nicht, wo ich lebte. (Wegzuziehen hab ich mich auch nicht getraut, aber ich hatte eh kein Geld dafür.) So hab ich eine Ausbildung zur kaufmänn. Fremdsprachensekretärin gemacht, die mich nichts gekostet hat, weil vom Bundesland finanziert, die ich aber zu 100% gehasst habe. Das Gute daran war, dass der Zeitgeist auf meiner Seite war - in den 90ern konnte ich mir den Job aussuchen und wurde gut bezahlt und so blieb es dann auch - jeder Jobwechsel hat mehr gebracht finanziell. Natürlich hab ich mir der Arbeit nicht identifiziert, das war ja nichts mit Autorschaft. Egal, ist jetzt alles Geschichte. Letztlich hat dieser Weg mich aus dem prekären Milieu meiner Kindheit geführt. Und es war ein langer harter schmerzhafter Weg, und um nichts auf der Welt gehe ich dahin zurück! Aber KF... der ist da quasi schon... und das macht mir angst.
Nun denke ich, Menschen und Situationen, die einen so triggern, die sind irgendwie wichtig auf dem eigenen Entwicklungsweg. Außerdem bin ich nicht so hart, dass ich jemanden in seinem Elend sitzen lasse. Andererseits weiß ich nicht, ob und wie ich da noch helfen soll.
Ob ich überhaupt einen neuen Partner will, weiß ich nicht - klar, einen, mit dem mich mehr als Sex verbindet, also auch Freundschaft und gegenseitiges Verständnis und Verstehen - das wäre schön! Aber ich würde nicht danach suchen.
Mehrere Partnerschaften zur Erfüllung all meiner "Bedürfnisse" werden schwer zu realisieren und zu koordinieren sein. Polyamorie ist sehr viel Arbeit, ich habe keine Ahnung, wie Menschen das schaffen und noch nebenbei ihrer Berufung nachgehen können.
Mit KF Schluss machen, das wird sehr weh tun. Ihm, weil ich es mache und mir, weil ich es machen muss. Und weil ich mir Sorgen mache, wie er dann klarkommt und ob ich ihm sozusagen den Rest gebe, wenn ich mich abwende. Es haben sich schon Leute wegen weniger umgebracht. Nicht, dass er das jemals erwähnt hätte. Nicht, dass ich dann dafür verantwortlich wäre. Aber ich mag ihn ja sehr und er ist mir wichtig und ich will, dass es ihm gut geht!
Irgendwann - vermutlich bald - wird es eh zum Abschlussgespräch kommen. Tja, ich hasse Schmerzen, und emotionaler Stress sorgt bei mir regelmäßig für Krankheitsschübe. Aber das ändert nix daran, dass ich so nicht weitermachen möchte.
Liebe Tired,
ja, so schnell geht das wohl nicht mit "alles wird besser im Neuen Jahr" - aber gut, dass du nicht aufgibst und einfach immer weitermachst. Ich wünsche dir so sehr, dass du gute und für dich erfreuliche Wege findest, um dich (gesundheitlich) wieder gut zu fühlen! Oder wenigstens besser!
Was du schreibst über mich und die Männer, kann ich nachvollziehen. Dabei war es aber nie mein Ziel, die Männer so als Lebensabschnittsgefährten zu "benutzen". Manchmal denke ich, ich arbeite mich an denen ab, weil ich unbewußt Rache nehmen will - am ersten Mann meines Lebens, der mich zweimal im Leben so schmählich verlassen hat und der sogar aus grober Fahrlässigkeit beinahe meinen Tod verursacht hätte, als ich 1 Jahr alt war (hatte Drogen in seiner Jackentasche gefunden und gegessen) - an meinem Vater. Der hat sein Leben nach meiner Mutter und einigen anderen Frauen herumgerissen und ist Goldschmied geworden. Neue Heimat, neue Familie. Ich weiß nicht mal, ob der noch lebt.
Vielleicht ist es auch nicht so sehr nur Rache, sondern die verzweifelte Suche nach Versöhnung "mit den Männern", weil ich vom Vater auch nur geliebt werden wollte und ihn wohl auch als Kleinkind sehr liebte - doch dafür suche ich mir womöglich immer die Falschen aus. Aber: KF ist der erste, der mir eine Form von Respekt entgegenbringt. Ich weiß nur nicht, wie tief das geht - und hab ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen Respekt vor ihm mehr und mehr verliere, je länger er braucht, um seine Probleme anzugehen. Dazu habe ich überhaupt kein Recht. Ich glaube, er triggert einfach nur meine alten Ängste und ich will deshalb weg von ihm - gleichzeitig denke ich, dass ich die dann ja nicht überwinden kann, wenn ich davor weglaufe. Ich weiß es einfach nicht... doch die Antwort wird sich zeigen...
So, für heute reicht's -lasst es Euch gutgehen!
GLG
V