Hallo Marena,
Ich weiß nur nicht, was ich gegen die vielen neg. Gedanken in meinem Kopf machen soll!
Der Umgang mit negativen Gedanken ist eine ziemliche Gratwanderung.
Am Anfang erging es mir wie Dir, und ich hatte auch einiges gelesen, und überall hieß es, man solle möglichst positiv denken, sich ablenken, den negativen Gedanken möglichst wenig Raum lassen.
Was soll ich sagen: Es hat bei mir nicht vernünftig funktioniert. Klar gab es Tage, da war ich abgelenkt, hatte kaum negative Gedanken, alles schien wieder auf dem Weg der Besserung. Aber dann gab es auch wieder die anderen Momente und Tage, und ich bekam die negativen Gedanken kaum in den Griff, was mich ziemlich runterzog.
Es hat eine Weile und eine weitere Zahl an Texten, Forumsbeiträgen und Büchern gebraucht, bis ich erkannt habe, daß dieses Runterziehen quasi in doppelter Hinsicht passierte: Zum einen waren es die negativen Gedanken selbst. Zum anderen aber auch meine Enttäuschung und Verzweiflung darüber, daß ich es nicht schaffte, sie immer und jederzeit beiseite zu schieben. Und ich war enttäuscht, wütend, verzweifelt und schließlich deprimiert darüber, daß es mir nicht gelang, mein Leben weiter zu genießen und zu leben.
Im Zuge weiterer Gespräche und eines Coachings jetzt bin ich schließlich soweit, wenigstens schonmal verstanden zu haben, daß negative Gedanken allein erstmal nicht das Problem sind:
Erst einmal sind Gedanken nichts anderes als Gedanken und damit elektrische Impulse bzw. Licht im Gehirn zwischen den Nervenzellen und Synapsen. Auch negative Gedanken sind erst einmal nur solche Impulse - Worte und Bilder in elektrischer Form. Mehr nicht.
Zum Problem wird es dann, wenn wir uns zu sehr mit ihnen beschäftigen, uns zu sehr mit ihnen identifizieren und auch gegen sie massiv ankämpfen.
Seitdem versuche ich, meine (negativen) Gedanken möglichst einfach kommen und gehen zu lassen. Ich kann im ersten Schritt nicht immer verhindern, daß ein bestimmter Gedanke auftaucht - aber ich kann entscheiden, wie ich ihn bewerte und wie ich mit ihm umgehe. Also lasse ich ihn möglichst als das stehen, kommen und gehen, was er ist: Einfach nur ein Gedanke, der kommt und geht wie die Wolken am Himmel. Manchmal sind es trübe Tage - da sind es viele solcher Gedanken, und einer folgt dem nächsten. Dann gibt es auch stürmische, regnerische Tage - da komme ich kaum hinterher, und am Ende fließen womöglich sogar minuten- oder ne Stunde lang die Tränen.
Und dann wieder gibt es aber auch lichtere und schönere Tage - gerade mal ein paar Wölkchen am Himmel und ansonsten Sonnenschein.
=> Ein Satz bzw. eine Sichtweise, auf die ich im Zuge meiner eigenen Depression und Angststörung immer wieder gestoßen bin, ist die, daß es im Leben und im ganzen Universum immer eine Aufwärts- und eine Abwärtsbewegung gibt, und wieder Auf und wieder Ab und wieder Auf usw.
=> Kein negativer Gedanke auf der Welt ist in der Lage, uns den ganzen Tag geschweige denn den Rest des Lebens zu vermiesen, wenn wir ihn nicht dadurch festhalten, daß wir ihm zuviel Beachtung schenken und bekämpfen wollen. Wenn wir ihn einfach nur wahrnehmen, akzeptieren, daß er kommt und auch wieder geht, dann wird er auch nur kommen und anschließend wieder gehen. Und sollte er noch ein- oder zwei- oder dreimal wiederkommen, ist das auch in Ordnung - er wird nicht ewig bleiben.
Also: Bekämpfe Deine (negativen) Gedanken nicht zu sehr, laß Dich aber auch nicht von ihnen überwältigen. Ignoriere sie nicht gänzlich, aber schenke ihnen auch nicht zuviel Beachtung.
Laß sie kommen, laß sie bleiben, solange sie wollen, und laß sie ziehen, wenn sie wieder gehen wollen.
Es gibt dazu auch sehr schöne Metaphern, bspw. vom persischen Mystiker
Rumi, "Das Gasthaus". Oder auch
in diesem Link hier:
Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus.
Jeden Morgen ein neuer Gast.
Freude, Kummer und Niedertracht -
auch ein kurzer Moment der Achtsamkeit
kommt als unverhoffter Besucher.
Begrüße und bewirte sie alle!
Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist,
die gewaltsam alle Möbel
aus deinem Haus fegt,
erweise dennoch jedem Gast die Ehre.
Vielleicht bereitet er dich vor
auf ganz neue Freuden.
Dem dunklen Gedanken,
der Scham, der Bosheit -
begegne ihnen lachend an der Tür
und lade sie zu dir ein.
Sei dankbar für jeden, der kommt,
denn alle sind dir zur Führung geschickt worden
aus einer anderen Welt.
Dieses Konzept ist für uns moderne, westliche Menschen anfangs teils schwer nachzuvollziehen - ich habe mich da am Anfang auch schwer mit getan. Wir werden jeden Tag von den Medien, der Werbung und wohlmeinenden Kommentaren mit Bildern und Geschichten von fröhlichen, zufriedenen und glücklichen Menschen überschwemmt, die scheinbar keine Sorgen mehr haben. Uns wird vorgegaukelt, wir bräuchten nur immer noch mehr materiellen Reichtum und Ablenkung, dann wären wir endlich glücklich und zufrieden.
Dem ist aber nicht so!
Wie eingangs gesagt: Es ist kein einfacher Weg, manchmal echt eine Gratwanderung - man will sich ja auch nicht komplett "hängenlassen" und im Selbstmitleid "versumpfen".
Negative Gedanken, Trauer und Wut aber mit Stumpf und Stil ausrotten zu wollen, wird auch nicht funktionieren - sie sind Teil unserer Gedanken- und Gefühlswelt, und sie werden eines Tages in unser Gasthaus kommen, ob wir es wollen oder nicht. Wir können nur versuchen, ihnen so wohlmeinend und freundlich wie möglich zu begegnen und warten bis sie weiterziehen.
Und das werden sie.
Geh also nicht zu hart gegen Dich vor. Lenke Dich ab - wenn es funktioniert, ist es gut

Wenn es nicht funktioniert, ist es auch gut

Wenn Du weinen mußt, dann weine, und wenn es in einem bestimmten Moment schlecht "paßt", dann erlaube Dir, später zu weinen - aber verbiete es Dir nicht!

Trauer und Weinen sind nie schön (meine Frau und ich haben im August letztes Jahr unser zweites Kind verloren; Fehlgeburt; so Rotz und Wasser geheult hab ich noch nie in meinem Leben) - aber es sind normale menschliche Reaktionen auf Verluste, ebenso wie eventuell Wut, um damit zurechtzukommen zu lernen.
Erlaube Dir also, so zu denken und so zu fühlen, wie es gerade ist. Akzeptiere es, nimm es an, kämpfe nicht dagegen an - aber verlier Dich natürlich auch nicht darin.
Letzten Endes weißt Du, wofür Du das alles durchstehst, und deshalb wird es auch auf alle Fälle wieder aufwärts gehen.
Das tut es immer!
LG,
Alex