Hi,
gegen die Angst hilft meiner Meinung und Erfahrung nach immer nur gedankliches Gegenargumentieren und sich immer und immer wieder sagen, daß es da absolut nichts gibt, was einen zu ängstigen braucht.
In Deinem Fall ist es Deine Angst vor Krebs; in meinem Fall diverse Sorgen und Befürchtungen.
Zum Beispiel bin ich heute mit Sohnemann Zuhause. Ich hab noch Urlaub, und ich hatte ihm versprochen, daß wir uns da auch einen gemeinsamen schönen Tag machen, mit Kekse backen, Milchreis kochen, spielen u.a.
Tja, der Tag verläuft irgendwie etwas anders als gedacht: Kaum, daß ich mit ihm heute Vormittag aus dem Haus wollte, Butter und Eier zum Backen einzukaufen, fing er an etwas knatschig zu werden. Als wir dann unterwegs waren, war ihm nach zehn Minuten kalt. Wieder Geknatsche. In der Stadt nen Kakao getrunken, da wurd ihm wieder wärmer. Auf dem Rückweg dann in einen Modelleisenbahnladen rein, und als wir wieder raus sind und es für ihn nix gab, wieder tiefe Enttäuschung und Geknatsche. Dann im Supermarkt alles eingekauft, ab nach Hause - und wieder Geknatsche, weil wir nicht den Weg gegangen sind, den er gehen wollte.
Und mit jedem neuen Geknatsche kamen bei mir so Gedanken hoch, ich könnte was falsch machen; ich wäre zu streng zu ihm; er könnte irgendwie krank sein und ich würde es nicht mitbekommen; er könnte eventuell auch depressive Züge entwickeln (er hat ja mich als "Vorbild"... :/). Besonders letzteres geht mir in den letzten Wochen und Monaten immer wieder durch den Kopf, wenn er mal über längere Zeit nicht so gut drauf ist und weint oder rumknatscht.
Und das macht mir durchaus Angst und ein schlechtes Gewissen, ich wäre deshalb kein guter Vater für ihn, mal mehr, mal weniger.
Jetzt ist es 13h45, die Laune bei ihm ist wieder besser - aber Gebacken haben wir noch nix... Und mir geht's ganz passabel, aber so ne leichte Unruhe und Sorge kann ich körperlich nach wie vor richtig spüren.
Das einzige, was ich dagegen immer und immer tue, ist mir ganz bewußt zu sagen, daß alles in Ordnung ist; daß mein Sohn nicht krank ist, sondern einfach nur auch auf einiges mehr und auf anderes weniger Lust hat; daß er bestimmt nicht depressiv ist; usw.
Aber die tiefe Überzeugung und dann Abhaken will sich da nicht so ordentlich einstellen - da geht es mir wie Dir mit der Angst um den Krebs und den ganzen Tests bei den Ärzten. Deshalb erwähne ich das hier.
Ich habe eben niemanden in der Nähe, der diesen Vormittag mit mir miterlebt hat und mir aus Erfahrung heraus sagen kann, daß das bei einem Viereinhalb-jährigen normal ist, zum Großwerden dazugehört, und daß auch ein Vormittag Rumgeknatsche noch kein Zeichen für eine frühkindliche Depression ist. Auch nicht, wenn das alle paar Tage mal auftritt. Und überhaupt wäre es gar nicht so häufig, das wäre nur meine subjektive Wahrnehmung.
Ich weiß das alles - genau, wie Du das alles mit Deinen Tests und Diagnose-Ausschlüssen weißt. Aber die tiefe Überzeugung fehlt eben - noch. Genau wie bei Dir.
Ich denke, da hilft nur Sich-stetiges-und-immer-wieder-Bewußtmachen, daß das alles in Ordnung ist, man keine Angst zu haben braucht, die Erfahrung eines jeden gelebten Tages einem doch vermittelt, daß nichts schlimmes passiert ist, sondern eigentlich fast nur gutes. Immer und immer wieder.
Nur ist das eben gedankliche Arbeit. Mal fällt es leichter, mal schwerer. Mal kann ich über meine Sorgen fast lachen, wenigstens lächeln und grinsen, mal drückt es so sehr - eben auch in Form echter körperlicher Symptome wie bei Dir -, daß mehr als eine gequälte Grimasse kaum drin ist.
Das heißt aber nicht, daß wir in unseren Bemühungen keinen Erfolg hätten. Vielleicht sind all die Ängste, die man im Laufe seines Lebens entwickelt, auch normal und gehen teils nie wieder richtig weg. Und es ist mehr unsere Lernaufgabe, sie als Bestandteil unseres Lebens zu akzeptieren, ihnen aber auch die Macht über uns zu nehmen und trotzdem schöne Dinge zu unternehmen. "Jo, Angst, Sorge, Du bist da. Find ich nicht toll, aber ok... nur laß mich ansonsten zufrieden, ich will mein Leben leben und lasse mich deshalb nicht von Dir beherrschen!"
So in der Art mache ich es. Es ist eben wirklich ein Widerstreit, der da manchmal in mir stattfindet. Aber wie heißt es schön? "Erstens gewöhnt man sich an alles, und zweitens geht auch das irgendwann vorüber."
In diesem Sinne mache auch Du so weiter - ich denke, Du hast da auch schon sehr viel gelernt durch Deine Therapie und wendest das auch gut an. Einfach weitermachen, es klappt - und irgendwann ist die Angst dann soo klein mit Hut, daß sie nur noch unter der kleinsten Türritze durchpaßt. Laß Dich nicht entmutigen
