RE: Scharlach zum 3. Mal direkt nacheinander
Der Standort pathogener Streptokokken sind die oberen Luftwege, sowie die Haut von Patienten und Keimträgern (ca. 10% der Bevölkerung).
Sie werden meist durch Schmierinfektion, Nahrungsmittelinfektionen sowie Tröpfcheninfektion übertragen, wobei die Bedeutung des letzteren Infektionsweges unbekannt ist. Die Infektionen sind endemisch.
Von großer pathogenetischer Bedeutung ist die grundsätzliche Erkenntnis, dass es zwei verschiedene, voneinander unabhängige Immunsituationen gibt: eine typenspezifische sowie eine Immunität gegen das erythrogene Toxin.
Die erstere Immunität erstreckt sich nicht auf einen anderen Typ der Gruppe A. Möglicherweise können nach frühzeitiger Penizillinbehandlung Rezidive mit dem gleichen Typ zustande kommen.
Im Laufe des Menschenlebens können auf diese Weise etwa 40 bis 60 Streptokokkeninfektionen auftreten.
Die durch erythrogenes Toxin erworbene Immunität ist andauernd und wird diaplazentar auf den Säugling übertragen, der bis zu einem Jahr geschützt ist. Die Scharlachimmunität kann durch den Dick Test festgestellt werden, einer intrakutanen Applikation von 0,1 ml standardisierter Verdünnung des erythrogenen Toxins. Beim Ablesen nach 24 Stunden zeigt eine im Durchmesser mindestens 1 cm große Rötung die fehlende Immunität an.
Bei negativem Ausfall besteht Scharlachimmunität.
Während oder nach Auftreten des Scharlachexanthems tritt die Konversion ein, dadurch ist dem Dick Test ein diagnostischer Wert zuzumessen.
Da das erythrogene Toxin nicht bei bestimmten Typen bevorzugt auftreten muss, können beim Zusammenlegen von Streptokokken Infizierten verschiedener Ansteckungsquellen im Krankenhaus - da der Keimträgerstatus oft lange erhalten bleibt - schlecht übersehbare Kombinationen von Tonsillitis mit und ohne Scharlach entstehen. Diese zwei Arten der Immunität sind letztlich für die Art und Häufigkeit der so genannten Zweiterkrankungen in der Klinik verantwortlich zu machen.
Klinische Manifestation
Bis zum sechsten Lebensmonat verlaufen Streptokokkeninfektionen leicht und sind von anderen Infekten nicht zu unterscheiden. Bei älteren Säuglingen und Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr kommt es meist zu einem schleichenden Beginn der Infektion mit niedrigem Fieber, einer geringen Symptomatik und mit einer eitrigen Naso-Pharyngitis. Die zervikalen Lymphknoten sind angeschwollen; manchmal kommt es zu einer eitrigen Lymphadenitis.
Sinusitis und Otitis media sind häufige Komplikationen, und leicht erhöhte Temperaturen können über Wochen andauern.
Das klinische Bild ähnelt anderen unspezifischen Infektionen des Respirationstrakts; mit einem genauen diagnostischen Vorgehen aufgrund der therapeutischen Konsequenzen sollte im Zweifelsfall nicht gezögert werden (Naso-Pharyngealabstrich und ASL).
In der Gruppe zwischen 3 und 12 Jahren zeigt die Streptokokkeninfektion ihr typisches Bild mit einer akuten follikulären Tonsillitis, einer Pharyngitis oder als Scharlach.
Manche Autoren gehen so weit zu sagen, dass es sich bei einer Streptokokkentonsillitis um einen Scharlach ohne Exanthem handelt mit letztlich allen klinischen Konsequenzen, d. h. den Komplikationen, der Prognose und der Behandlung, eine Auffassung, die zumindest als Arbeitshypothese viel für sich hat.
In der Folge wird aus diesem Grund nur vom Scharlach als der schwersten Erkrankungsform der akuten Streptokokkeninfektion gesprochen.
Scharlach
Die Inkubationszeit liegt normalerweise zwischen zwei und vier Tagen mit den äußersten Grenzen von ein und acht Tagen. Die Erkrankung hat mit der zunehmenden Verwendung von Penicillin in der Allgemeinpraxis eine Pathomorphose zu einem im allgemeinen sehr viel leichteren Verlauf durchgemacht. Die Letalität ist extrem niedrig; in der Bundesrepublik liegt sie bei vielen Tausend Erkrankungen um 0,01%. Andererseits bedeutet dies, dass auch heute noch tödliche Verlaufsformen des toxischen oder eines septischen Scharlachs in Einzelfällen vorkommen.
Klinische Erscheinungen.
Charakteristisch ist der abrupte Beginn mit rasch ansteigendem Fieber, gelegentlich Schüttelfrost, Erbrechen und Halsschmerzen, wobei das Allgemeinbefinden in beträchtlichem Ausmaß in Mitleidenschaft gezogen wird; es stellen sich Abgeschlagenheit, starke Kopfschmerzen, Gelenk- und Gliederschmerzen ein. Bei der Racheninspektion zeigt sich eine Angina mit einer auffallend düsterroten Verfärbung. Diese intensive Rötung dehnt sich weit über die Schleimhaut der Tonsillen bis zum weichen Gaumen und der Uvula aus und geht allmählich in ein fleckiges Enanthem der Mundschleimhaut über. Gelegentlich kann es zu pseudomembranösen, hellweißen Fibrinbelägen auf den Tonsillen kommen, die auch als Scharlachdiphtheroid bezeichnet werden.
Charakteristisch ist ferner das Aussehen der Zunge, die anfangs einen weißlichen Belag aufweist, der sich bald von den Rändern her abzustoßen beginnt. Es kommt dann eine auffallend gerötete Zunge mit verdickten Papillen zum Vorschein, die als Himbeer- oder Erdbeerzunge bezeichnet wird.
Dieses typische Bild zeigt sich in der Regel erst am dritten bis vierten Tag.
Der Rachenbefund der Scharlachangina wird von regionären Drüsenschwellungen begleitet, und zwar besonders der der Kieferwinkel, sowie der oberflächlichen und tiefen zervikalen Lymphknoten, aber auch die mandibularen und okzipitalen Drüsen sind davon betroffen.
Das Fieber steigt rasch bis zu 40° an und erreicht seinen Höhepunkt am zweiten Tag; es bleibt über zwei bis sechs Tage relativ hoch, um dann in den meisten Fällen lyrisch, d. h. über mehrere Tage hin stufenweise abzufallen. Nach Einsetzen einer Penicillintherapie ist jedoch zu erwarten, dass sich die Temperaturen innerhalb von 24 Stunden normalisieren. Das Blutbild ist insofern typisch, als es eine neutrophile Leukozytose aufweist mit relativer Lymphopenie, wobei trotz des akuten Krankheitsbeginns die Eosinophilen nicht verschwinden, ja sogar eher leicht vermehrt sind. Die neutrophilen Granulozyten können Döhle-Körperchen enthalten.
Das Exanthem manifestiert sich zwischen 12 und 48 Stunden nach Einsetzen der Krankheitserscheinungen; manchmal ist es nur sehr flüchtig oder fehlt überhaupt.
Das Exanthem ist kleinfleckig, d. h. höchstens stecknadelkopfgroß, dicht stehend und zeigt intensiv gerötete und erhabene Einzeleffloreszenzen. Es erscheint von der Ferne als eine diffuse Rötung, kann jedoch auch konfluieren.
Auf seinem Höhepunkt tritt dann die im allgemeinen Sprachgebrauch als Scharlachrot bezeichnete Färbung in Erscheinung. Manchmal kommen noch kleinste Bläschen mit weißgelblichem trübem Inhalt hinzu, die als „Scharlachfriesel" (Scarlatina miliaris) bezeichnet werden. Die Rötung des Exanthems weicht unter einem leichten Druck mit dem Finger oder dem Glasspatel einem blassgelben Farbton (passagerer Subikterus).
Der Scharlachausschlag zeigt ferner ein so genanntes Auslöschphänomen, indem nach einer intrakutanen Injektion von 0,05-0,1 ml Scharlach-Rekonvaleszentenserum ein pfenniggroßer Bezirk abblasst. Diese Reaktion kann in unklaren Fällen zur Sicherung der Diagnose beitragen.
Das Exanthem breitet sich in einer typischen Weise auf dem Körper aus: das Gesicht bleibt frei, d. h. es entsteht nur eine diffuse Wangenröte, die das Gebiet um den Mund herum freilässt und mit dieser zirkumoralen Blässe (Munddreieck) zum charakteristischen Scharlachgesicht führt.
Das Exanthem beginnt in der Regel in der Subklavikulargegend, am Hals und in der Schenkelbeuge und überzieht von da aus den ganzen Körper und die Extremitäten, wobei Streckseiten und distale Partien bevorzugt werden. Das Maximum des an den genannten Lokalisationen meist konfluierenden Exanthems liegt in der Leistengegend. Auch kann es an Händen und Füßen zu kleinsten Gefäßläsionen kommen sowie zu Petechien im Gebiet des Schenkeldreiecks.
Eine Eigenart des Scharlachs liegt im Auftreten der Hautschuppung, die an Dauer und Ausmaß weitgehend der Intensität des bereits überstandenen Exanthems entspricht. Die Schuppung beginnt im Gesicht und am Körper kleieförmig, setzt sich später bis in die Extremitäten fort und kann an Händen und Füßen grob lamellös sein.
Sie ist nach einigen Wochen beendet, kann jedoch bis zu 8 Wochen anhalten. Zeitgleich tritt eine Störung des Nagelwachstums auf, wobei eine quer verlaufende Rille entsteht (Feer-Nagellinie), die noch nach vielen Wochen sichtbar ist und auf einen überstandenen Scharlach schließen lässt.
Besondere Verlaufsformen
Als ungewöhnlich schwere Manifestationen einer Infektion mit Scharlachstreptokokken unterscheidet man den toxischen und den septischen Scharlach. Beim toxischen Scharlach kommt es foudroyant zur Hyperpyrexie:
Die Kinder sind benommen, werden hochgradig unruhig und delirant, auch Krämpfe treten auf. Das Exanthem hat einen lividen Farbton und ist von petechialen Hautblutungen durchsetzt; manchmal kommt es gar nicht zur Entwicklung.
Mit Durchfällen, Erbrechen und Kreislaufkollaps tritt nach 2 bis 3 Tagen der Tod ein. Der septische Scharlach ist durch pyämische Schübe mit intermittierenden hohen Temperaturen gekennzeichnet. Neben einer nekrotisierenden Angina kommt es zu eitrigen Sinusitiden und zur nekrotisierenden Otitis media und Mastoiditis, ferner zur septischen Sinusthrombose. Beide Formen sind nicht streng voneinander zu trennen; es gibt selbstverständlich Mischbilder. Sie kommen heute nur äußerst selten vor.
Eine Sonderform stellt auch der Wundscharlach dar, der auf einer Streptokokkeninfektion von Verletzungen oder Verbrennungswunden beruht. Das Exanthem erscheint dabei zunächst in der Umgebung der Wunde und breitet sich von dort weiter aus. Eine Angina kann fehlen oder tritt erst nach zwei bis drei Tagen hervor.
Komplikationen
Charakteristische Begleiterscheinungen oder Komplikationen des Scharlachs in den ersten Krankheitstagen sind Lymphadenitis colli, früher häufig suppurierend, ferner Otitis media, Sinusitis, flüchtiges Rheumatoid und gelegentlich eine toxische Myokardschädigung.
Als zweites Kranksein bezeichnete man früher das erneute Auftreten solcher Erscheinungen nach zunächst erfolgter Entfieberung in der zweiten bis fünften Woche, dazu noch als charakteristische Folgekrankheiten des Scharlachs die hämorrhagische Glomerulonephritis, für die hauptsächlich die Streptokokkentypen 12 und 49 verantwortlich sind, und auch ein rheumatisches Fieber mit oder ohne Karditis.
Das zweite Kranksein wird, abgesehen von der Nephritis und dem rheumatischen Fieber, heute als Folge einer Neuinfektion mit einem anderen Streptokokkentyp im Krankenhaus aufgefasst.
Durch Behandlung mit Penicillin und Vermeidung eines Kontakts mit anderen Patienten fallen solche Erscheinungen fort.
Differentialdiagnose
Die membranöse Form der Scharlachangina kann mit einer Diphtherie oder einer infektiösen Mononukleose verwechselt werden, Eine Scharlachangina ohne Exanthem lässt sich manchmal nur schwer von einer Tonsillitis anderer Genese abgrenzen, es sei denn die auf den weichen Gaumen reichende düsterrote Verfärbung ist sehr ausgeprägt.
Im Zweifelsfall wird man immer mit Penicillin behandeln. Wertvoll, insbesondere zum Ausschluss einer Virustonsillitis, kann das Blutbild sein.
Dies ist auch nützlich, wenn hinsichtlich des Exanthems Beurteilungsschwierigkeiten entstehen.