RE: OP ja oder nein
Hallo Skorpion,
vorweg: Ich hoffe mit Ihnen, dass die Maulfaulheit in den Arztpraxen bald aussterben wird. Ich find´s unmöglich, dass jemand nach dem Arztbesuch noch so viele Fragen hat. Alle Ihre Fragen sind typisch, wenn es um die Frag OP oder nicht geht und gehören meines Erachtens geklärt, selbst wenn der Patient gar nicht selber daran denkt, sie zu stellen.
Ich versuche mal, eins nach dem anderen zu beantworten, eben auch die Fragen, die Ihnen noch gar nicht klar sind.
Ich denke, die wichtigste Frage ist: Was wird mir die OP bringen? Werden meine Schmerzen nach der OP verschwinden?
Wenn es sich um tyische Venenbeschwerden handelt, kann man diese Frage - unter dem Vorbehalt, dass es Ausnahmen gibt - bejahen und dem Patienten Besserung in Aussicht stellen. Ich bin mir nach Ihrer Schilderung nicht uneingeschränkt sicher, dass das für Sie so eintreffen wird. Es gibt aber eine Möglichkeit, das vorab "auszutesten". Sie brauchen nach einer Venenoperation sowieso Oberschenkel-Kompressionsstrümpfe der Klasse II. Lassen Sie sich diese Strümpfe jetzt schon verschreiben und tragen Sie sie mindestens zwei Wochen lang, vor allem bei den Tätigkeiten, die Ihnen üblicherweise die Beschwerden machen. Wenn die Probleme mit Strümpfen nicht mehr auftreten, werden Sie aller Wahrscheinlichkeit von der OP profitieren. Wenn nicht, dann sollten Sie erst mal nach einer anderen Ursache Ihrer Beschwerden suchen, denn ich gehe davon aus, dass es Ihnen in allererster Linie darum geht, die Schmerzen los zu werden.
Die nächste Frage würde ich gern so formulieren: Warum sollte man Krampfadern überhaupt operieren lassen? Und: Soll man sie selbst dann operieren lassen, wenn sie nicht weh tun?
Die Antwort: Eine Krampfader ist ein Venenabschnitt, in dem die Venenklappen ihre Funktion als Ventile aufgegeben haben. In diesem Venenabschnitt staut sich das Blut und das hat zur Folge, dass erstens immmer mehr Venen ihre Transportfunktion verlieren und zweitens das tiefe Venensystem mehr arbeiten muss als sonst. Das kann es nur eine bestimmt Zeit leisten, bevor es dann auch Schaden nimmt.
Zusammenfassung: Es macht immer Sinn, krankhaft veränderte Venenabschnitte (= Krampfadern) zu behandeln, damit das Blut anschließend nur noch über gesunde Venen fließt. Der Zeitpunkt hängt aber von den Bedürfnissen des Patienten ab, wenn keine akute Gefahr besteht.
Nächste Frage: ambulant oder stationär?
Ich bevorzuge die ambulante OP, wenn keine schwerwiegenden Grunderkrankungen vorliegen. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, eine Stripping-OP stationär durchzuführen. Je eher der Patient wieder in seiner gewohnten Umgebung ist, um so eher wird er seine Alltagsaktivitäten wieder aufnehmen und das ist die beste Maßnahme, um rasch wieder gesund zu werden und Komplikationen zu vermeiden. Ein Erwachsener, der Bettruhe einhält, läuft Gefahr eine Thrombose zu bekommen, selbst wenn er nicht operiert worden ist.
Zur Frage Narkose oder örtliche Betäubung:
In der Venenchirurgie werden alle Narkoseverfahren angewandt: Vollnarkose, Teilnarkose und örtliche Betäubung. Am besten ist es, man lässt sich vom Operateur eine Methode empfehlen und fragt den Hausarzt, ob er damit einverstanden ist, wegen eventueller Grunderkrankungen. Alle Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile, nur eins sollten Sie vorab wissen: Die ambulante Vollnarkose ist etwas ganz anderes als eine Vollnarkose wie Sie sie von früher oder von stationären OPs möglicherweise kennen. Unmittelbar nach Ende des Eingriffs sind Sie wieder wach, dürfen schon kurze Zeit später etwas essen und sind nach etwa 2 bis 4 Stunden so fit, dass Sie ohne Probleme nach Hause gehen können. Aus meiner Sicht braucht man vor einer solchen Narkose keine Angst zu haben. Aber tun Sie sich keinen Zwnag an: Vereinbaren Sie vor der OP einen Termin mit dem Narkosearzt. Nennen Sie ihm Ihre Bedenken und lassen Sie sich von dem beraten, der dann auch tatsächlich die Narkose durchführt.
Letzte Frage: Warum wird in Deutschland nur das Venenstripping durchgeführt?
In Deutschland wird sehr viel mehr gemacht. Kleinkalibrige Varizen der oberen Hautschichten lassen sich nicht strippen (herausziehen) und werden deshalb verödet oder galvanisiert, siehe Beiträge Besenreiser. Kleine Krampfadern, sogenannte Seitenäste können verödet oder mittels Ministripping entfernt werden. Die große Rosenvene (Vena saphena magna) schließlich wird tatsächlich meist getrippt, es gibt aber auch andere Verfahren. So verfechten manche Leute die ausschließliche Behandlung "strategisch wichtiger Punkte" in der Annahme, dass sich der Rest dann von allein richtet. Meine Erfahrungen mit Patienten, die so operiert wurden, sind nicht gut. Das soll nicht heißen, dass das Verfahren nicht gut ist, aber zu mir kommen nur Leute, die damit nicht zufrieden ist. Außerdem hat sich die Methode irgendwie nicht durchgesetzt, obwohl sie eigentlich zahlreiche Vorteile aufweist.
Noch relativ neu sind Laserverfahren.
Ebenfalls innovativ ist die Schrumpfung der Vene mit Radiowellen (hat nichts mit Radioaktivität zu tun). Dieses so genannte VNUS Closure Verfahren zeichnt sich dadurch aus, dass auf den Schnitt in der Leiste verzichtet wird und auch kein Bluterguss am Oberschenkel entsteht. Dadurch sind die Betroffenen sehr viel schneller wieder voll fit als beim normalen Stripping. Langzeitergebnisse liegen bis jetzt noch nicht vor. Die Kontrollen nach einem Jahr sind aber so gut, dass man davon ausgeht, dass die Dauerprognose genauso gut ist wie nach einem klassischen Stripping ist. Nach beiden Verfahren können sich natürlich wieder neue Krampfadern bilden, da der Mensch die Veranlagung behält, aus gesunden Venen kranke zu machen.
Weitere Fragen? Nicht alles ausreichend beantwortet? Mir dürfen Sie´s sagen. Ich stehe Ihnen so lange zur Verfügung bis alle Klarheiten beseitigt sind.
Herzliche Grüße
Dr. Ive Schaaf