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lies das mal
lies das mal
Die scheinheilige Tabaksteuer Lüge a la ich wasche meine Hände in Unschuld:
AUF DER ZIGARETTENSCHACHTEL
Die neuen Warnhinweise gegen das Rauchen schaden Ihrem gesunden Menschenverstand!
SCHON IMMER HABEN MENSCHEN DINGE GETAN, mit denen sie sich schaden. Früher sagte man »Selber schuld!« und widmete sich dann wieder den eigenen Problemen. Doch in unserem modernen Sozialstaat brütet eine florierende Bürokratie ständig darüber, wie man arme Sünder vor sich selbst schützen kann. Allerdings haben die beamteten Menschenfreunde wohlweislich nur solche Gesundheitsgefahren auf dem Kieker, welche die aktuell vorherrschende Political Correctness zum Abschuss freigibt.
Dass diese Diagnose zutrifft, belegen beispielsweise die obligatorischen Warnhinweise, die neuerdings schwarz eingerahmt auf den Zigarettenschachteln prangen. Durch den Schockeffekt von insgesamt 14 grandiosen Offenbarungen - darunter »Raucher sterben früher« und »Rauchen verursacht tödlichen Lungenkrebs« - soll den Nikotinliebhabern die Lust auf blauen Dunst vergehen. Da sieht man förmlich vor sich, wie dem notorischen Qualmer durch das Aha-Erlebnis bei der Lektüre vor Schreck die Packung aus den Händen fällt.
Doch Scherz beiseite. Die Wahnvorstellung, auch nur ein einziger Mensch ließe sich mit Sprüchen dieses Kalibers von seinen Lastern abbringen, wird durch handfeste Forschungsergebnisse vom Tisch gefegt. Schon vor Jahren resümierten die Freiburger Psychologen Jürgen Barth und Jürgen Bengel akribisch das gesamte Wissen über die Wirksamkeit solcher Warnhinweise. Fazit ihrer 1997 in der »Zeitschrift für Medizinische Psychologie« erschienenen Studie: Die Belehrungen gehen den Rezipienten am Allerwertesten vorbei. So schätzten amerikanische Jugendliche ein Jahr nach In-Kraft-Treten eines Gesetzes, das derartige Warnungen bei Alkoholika vorschreibt, das Gesöff nicht die Spur gefährlicher ein. Auch eine Veränderung des Trinkverhaltens war nicht zu verzeichnen. Die Gesamtheit der Befunde zeige, »dass durch Warnhinweise kurzfristig keine substanziellen Verhaltensänderungen in der Bevölkerung erreicht werden können«.
IN DEN NIEDERLANDEN, die seit Mai vergangenen Jahres auf mahnende Aufdrucke pochen, erhöhte sich der Tabakumsatz sogar leicht. Ähnliches passierte in Kanada, wo seit 2001 grässliche Fotos von Raucherschäden die Zigarettenschachteln zieren. Zwar nahm die Zahl der Raucher marginal ab, aber die Zahl der durchschnittlich gerauchten Zigaretten stieg im Jahr 2002 von 16,2 auf 16,4. Laut eines Berichts der »Montre zette« fuhren ausgerechnet die Jugendlichen, als deren Beschützer die Bürokraten sich stets aufspielen, sofort begeistert auf die Horrorbildchen ab sammelten sie wie Pokemonkarten. Hätten die Macher auch nur einen Schimmer einer Ahnung von Psychologie, dann wüssten sie, welche Anziehung Verwegenheit, Todesverachtung auf einen Teenager ausüben. Der entscheidende Punkt ist der, dass das Gros der Raucher innerlich zu seiner entzündlichen Leidenschaft steht und längst alle gellenden Warnungen im Hinterkopf erfolgreich abgewürgt hat. Nach dem Ergebnis von Umfragen messen nur Nichtraucher den Hinweisen halbwegs Bedeutung bei: Sie fühlen sich in ihrer Lebensführung bestätigt.
DAS ABSTOSSENDE AN DEM THEATER ist aber die Arroganz eines Behördenapparats, der glaubt, er habe zu entscheiden was der Einzelne sich antun darf. Dabei knöpfen sich die staatlichen Gesundheitsapostel nicht einmal systematisch und unparteiisch alle Alltagsrisiken vor. Wenn ihnen wirklich an unserem Wohlergehen läge, müssten auch Alkoholika, Sahne, Bratwürste und Hamburger entsprechend beschriftet werden. Allerdings dürfte wohl auch das noch kommen sobald es dem Zeitgeist genehm ist.
Das Ganze ist im Kern nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Gesundheitsbürokraten und Schreiberlinge. Wie ich meine Kollegen kenne, haben sie munter gepafft, während sie sich die Slogans aus den Fingern saugten. Das mich übrigens auf eine zündend Idee - hiermit biete ich der Bürokratie meine Dienste als Warnhinweißsprücheklopfer an. Denn wenn sich die eigene Prosa in jedem Zigarettenautomaten türmt, schlägt man als Bestsellerautor sogar einen Dieter Bohlen!
von Rolf Degen, Wissenschaftsjournalist und Psychologe, Bonn
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