RE: Ist Soja uneingeschränkt gesund?
Isoflavone gehören zur Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe, die in hohen Mengen in Soja-Produkten vorkommen. Isoflavone haben östrogenähnliche Wirkungen und werden daher auch als Phytoöstrogene bezeichnet. Aufgrund eines möglichen Schutzes vor koronaren Herzerkrankungen, Osteoporose und Wechseljahrsbeschwerden (v.a. Hitzewallungen) und in Hinblick auf die Risiken von synthetischen Östrogenen werden sie von Frauen als mögliche Alternative zur konventionellen Hormon-Ersatz-Therapie angesehen. Isoflavone werden daher auch in Tablettenform angeboten. Nutzen und Risiken der Einnahme von Phytoöstrogenen bzw. Isoflavonen wurde im September 2003 auch auf dem Internationalen Symposium zur Bedeutung von Soja in der Prävention und Behandlung von chronischen Erkrankungen in Orlando diskutiert. Der Einsatz von Phytoöstrogenen bei Frauen war auch Gegenstand beim Kongress des National Instituts of Health im Januar 2002 in Bethesda. Die wichtigsten Erkenntnisse, die auf diesen Veranstaltungen präsentiert wurden, sind nachfolgend aufgeführt:
Nach aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen kann die Einnahme von Isoflavonen in Mengen bis zu 30 mg/Tag bei 10-20% aller Frauen in den Wechseljahren, die unter starken Hitzewallungen leiden, Hitzewallungen reduzieren. Eine Senkung des LDL- und Gesamt-Cholesterins, v.a. bei Frauen mit stark erhöhtem Cholesterinspiegel, ist möglich, wird aber weniger auf die Isoflavone, sondern vielmehr auf das Soja-Eiweiß zurückgeführt. Zum möglichen Schutz der Phytoöstrogene vor Osteoporose wurden erst sehr wenige Untersuchungen am Menschen durchgeführt, so dass hier noch viel Forschungsbedarf besteht. Hinweise aus Beobachtungsstudien, dass eine hohe Aufnahme von Phytoöstrogenen vor Brustkrebs schützen könnte, sind sehr schwach, weil diese Zusammenhänge nur in einigen, aber nicht allen Untersuchungen nachgewiesen werden konnten. Auch Tierstudien führten bzgl. der krebsschützenden Wirkung zu unterschiedlichen Ergebnissen, einige zeigten sogar krebsfördernde Effekte. Phytoöstrogene scheinen krebsschützend zu wirken, wenn sie bereits von Heranwachsenden in hohen Mengen eingenommen werden. Bei Erwachsenen sind die Effekte unklar. Es ist sogar zu befürchten, dass Phytoöstrogene das Wachstum von entarteten Zellen begünstigen könnten. Die wenigen Studien, die Zusammenhänge zwischen Soja- und Isoflavonaufnahme und dem Auftreten von Dickdarmkrebs untersuchen, zeigen kontroverse Ergebnisse.
Hinweise dafür, dass ein reichlich Konsum von Sojaprodukten (Sojamilch, Tofu usw.) gesundheitsfördernde Effekte (Schutz vor Brustkrebs, koronaren Herzerkrankungen und Osteoporose) haben könnte, stammen von asiatischen Ländern, bei denen Soja traditionell ein fester Bestandteil der Ernährung ist und man festgestellt hat, dass ein hoher Verzehr von Soja z.B. mit einer geringen Erkrankungsrate an Brustkrebs assoziiert ist. Beweisführende Interventionsstudien in westlichen Industrieländern wurden meistens mit Sojaextrakten oder Isoflavononen durchgeführt und nicht mit Lebensmitteln auf Sojabasis. Meistens wurden damit höhere Mengen an Sojaprotein verabreicht (20-50 g/Tag) als mit der traditionell asiatischen Kost aufgenommen werden (8-12 g/Tag) und die Isoflavone mit den Extrakten in freier Form zugeführt. In Soja-haltigen Lebensmitteln sind die Isoflavone jedoch an Zucker gebunden. Diese Unterschiede könnten erklären, warum die Hinweise auf evtl. schützenden Effekte in vielen Interventionsstudien nicht bestätigt werden konnten. Ausserdem stellt sich die Frage, inwieweit Beobachtungsstudien aus asiatischen Ländern Hinweise auf gesundheitsfördernde Effekte von Soja erlauben, denn diese Zusammenhänge könnten auch auf einen geringen Konsum von ungesunden Inhaltsstoffen wie Fett, rotem Fleisch und einem reichlichem Konsum von gesunden Lebensmitteln wie grünem Tee, Gemüse oder Fisch zurückzuführen sein. Viele Hinweise zu den gesundheitsfördernden Wirkungen der Isoflavone stammen auch aus Zellkultur-Experimenten, bei denen 10-1000fach höhere Konzentrationen an isoliertem Isoflavonen eingesetzt wurden als im Blut überhaupt erreicht werden. Abgesehen davon liegen die Isoflavone im Blut zu 95% in Form von Glucuroniden, also in verstoffwechselter Form vor, und die Wirksamkeit der glucuronidierten Isoflavone ist deutlich schwächer als der nicht-glucuronidierten Isoflavone, die in Zellkultur-Studien verwendet werden. Daher sind auch die Ergebnisse aus Untersuchungen mit isolierten Zellen nur begrenzt aussagekräftig.
Fazit: Viele Fragen zum Nutzen von Phytoöstrogenen bei Frauen sind unklar, v.a. die Frage, ob Sojaprotein dieselbe Wirkung hat wie Extrakt, die Frage nach der optimalen Dosis, nach Langzeit-Effekten auf den Knochenstoffwechsel, Wechselwirkungen zwischen Phytoöstrogenen und anderen Substanzen, Nutzen und Nebenwirkungen. In Hinblick auf das Brustkrebsrisiko lauten die Empfehlungen: Frauen, die gerne Sojaprodukte verzehren, sollten dies tun. Die Aufnahme moderater Mengen, wie bei den Asiaten, ist sicherlich ratsam. Zur Einnahme von Phytoöstrogen-Tabletten können jedoch aufgrund o.g. Unsicherheiten keine Empfehlungen ausgesprochen werden. Solange es keine sicheren Daten bzgl. des Brustkrebs-Risikos gibt, können Phytoöstrogen-Kapseln insbesondere nicht den Frauen mit einem erhöhten Brustkrebs-Risiko empfohlen werden.