Re: Ist es jetzt Diabetes?
Moin Spatz,
ich lebe jetzt 20 Jahre diagnostiziert mit meinem Diabetes zusammen, inzwischen gut die Hälfte davon praktisch gesund, also so, dass mein Blutzucker die meisten Stunden von jeden 24 im völlig gesunden Rahmen verläuft. Das kann nur mit Auskennen funktionieren
Vor 20 Jahren hatte ich auch Deinen Cutter-Horror. Denn die ersten Tage nach meiner Diagnose musste ich jeden Morgen beim Dok in der Praxis antreten und mir von einer dieser eigentlich ganz netten jungen Damen mit einer feststehenden Lanzette in den Finger hacken lassen. Als mir da dann in die zweite Woche rein im Schaufenster eines Sanitätshauses so eine Selbstmess-Ausrüstung mit individuell einstellbarem Piekser zur schmerzarmen Selbstmessung auffiel, war das auf der Stelle meine. Und das war die erstwichtigste Entscheidung für unser - mein Diabetes und ich - gesundes Zusammenleben.
Denn wenn unsere Blutzucker-Automatik in ihrer Funktion nachlässt, können wir dieses Nachlassen nicht wirklich mit einem festen Verhaltens-Fahrplan ausgleichen, wie das Wort Einstellung missverständlich nahe legt. Sondern dann müssen wir die Situationen austesten, in denen das Nachlassen messbar wird, und ebenso austesten, wie wir das Nachlassen dann am besten ausgleichen können.
Allerdings können wir dieses Ausgleichen nur in dem Rahmen schaffen, den wir uns dafür setzen lassen bzw. setzen. Zunächst hab ich mir den Langzeitzuckerwert HBA1c von 7und als Rahmen setzen lassen. Der galt damals als einstellungsmäßiger Goldstandard. Mitte der 90ger Jahre wurde der Goldstandard dann unter 7 abgesenkt, und seit der Jahrtausend-Wende finden wir immer häufiger unter 6,5 als Goldstandard.
Seit etwa der Zeit ist unter 5,5 mein persönlicher Goldstandard, und das war die zweitwichtigste Entscheidung für unser - mein Diabetes und ich - gesundes Zuammenleben. Denn zusätzlich zu einer großen Portion Glück verdanke ich der Entscheidung, dass ich noch keinerlei diabetes-bedingte Folgen zu beklagen und zu behandeln habe und als einziges Medikament das Insulin nehmen muss, das mir fehlt. Und wegen dieser gesunden Erfahrung (und wegen der vielen miesen Folgen, die ich in kürzerer Zeit mit höherem Blutzucker gesehen habe) empfehle ich halt allen Menschen mit ner defekten Blutzucker-Automatik, ihren Blutzucker an die gesund kurze Leine zu nehmen.
Gyns richten sich gern nach HOMA, wenn sie Zyklus-Unregelmäßigkeiten untersuchen. Dabei geht es ihnen nicht um Diabetes, denn den begreifen sie häufig nur im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft (und auch dann häufig eher halbherzig) als ihr Bier, gehen viele stur nach Liste und erklären ihren Patientinnen nicht, dass schon über den gesunden Rahmen hinaus höher schwankender Blutzucker Regel- und Empfängnisschwierigkeiten bereiten kann. Und nicht nur sie, auch die meisten anderen Ärzte und Diabetologen erklären bei der gesunden Ernährung auch nicht, dass etwa ein ordentlicher Bio-Apfel keineswegs an sich gesund ist. Sondern er ist gesund, wenn wir ihn bei z.B. 80mg/dl essen und wenn er dann unseren Blutzucker für kurze Zeit bis auf 140 maximal erhöht. Wenn wir den gleichen Apfel bei 140 essen und der den BZ dann auf 200 treibt, ist/war er nicht gesund. Denn die ersten Blutzucker-bedingten Schäden entstehen durch so hohe Schwankungen nach den Mahlzeiten, und zwar lange bevor der Nüchtern-BZ die 125mg/dl oder der 2-Stunden-Wert beim OGTT die 200 übersteigt.
Bisdann, Jürgen