Re: Demenz - Heim oder Pflege zu Hause?? Bitte um Rat.....
Hallo Ilena,
diese Frage zu beantworten ist nicht einfach. Grundsätzlich gibt es natürlich Beratungsstellen. Sie kommen aus Bonn - haben Sie schon einmal bei der hiesigen Alzheimergesellschaft ein Beratungsgespräch geführt? Auch Selbsthilfegruppen, die es mittlerweile fast überall gibt, können da weiterhelfen. Meist bieten auch die kirchlichen Träger Beratungen an.
Die Alzheimer Gesellschaft hat ihre Geschäftstelle in der Friesdorfer Straße 91, 53173 Bonn, und ist telefonisch unter der Rufnummer 386 28 53 dienstags von 10 bis 12 Uhr und mittwochs von 13.30 bis 15 Uhr zu erreichen.
Hier finden Sie weitere Adressen zu Beratungsstellen in Bonn:
http://www.alzheimerforum.de/2/9/1/plz5.html
Zunächst stelle ich fest, daß Sie die Betreuung ja schon sehr gut, auch mit fremder Hilfe, organisiert haben. Hat Ihr Mann dennoch das Gefühl, daß Sie zu stark eingespannt sind und er bzw. die Familie dabei zu kurz kommen? Die Kosten alleine können es eigentlich nicht sein; denn auch ein Pflegeheimplatz ist sehr teuer. Hat Ihre Schwiegermutter denn eine Pflegestufe? Wie aufwendig ist die Pflege? Weshalb können Sie sie nicht alleine lassen? Ist sie sturzgefährdet oder reagiert sie mit Panik, wenn sie alleine ist? Würde sie die Wohnung verlassen und umherirren?
Hier einmal ganz grob die Kosten für ein durchschnittliches Pflegeheim in Stuttgart (dort lebe ich; die Preise können durchaus noch höher sein):
Kosten Pflegeplatz Zuschuß Pflegeversicherung Verbleibender Eigenanteil
1.800 0,00 1.800 (Pflegestufe 0)
2.500 1.023 1.477 (Pflegestufe 1)
2.800 1.278 1.522 (Pflegestufe 2)
3.200 1.432 1.768 (Pflegestufe 3)
Ausgehend von dem, was ich bislang selbst erfahren habe bzw. was erfahrene Berater mir geraten haben:
Für einen Umzug ins Heim sprechen folgende Punkte:
Ihre Schwiegermutter erkennt selbst nächste Angehörige oft nicht mehr oder es kommt auch in der eigenen Wohnung immer häufiger vor, dass sie diese als fremd und unbekannt wahrnimmt. In diesem Fall hat das vertraute Umfeld nicht mehr die zentrale Bedeutung. Dann kann es sogar sein, dass ein Demenzkranker den Umzug ins Pflegeheim kaum als bedeutsamen Einschnitt oder Veränderung in seinem Leben wahrnimmt.
Ihre Schwiegermutter ist noch anpassungsfähig und kann sich gut auf eine neue Situation und Umgebung einstellen.
Sie sind mit der Pflege überfordert. Es kommt in der Familie zu Spannungen und Konflikten, auch dem Kranken gegenüber. Hilfen von außen (Pflegedienste, Helferkreise, Betreuungsgruppen, Tagespflege) können nicht erweitert werden oder können die Überforderungssituation nicht wesentlich abmildern.
Verhaltensweisen wie nächtliche Unruhe, Aggressivität, Kotschmieren stellen eine zunehmende Belastung für die Angehörigen dar und Medikamente wie auch betreuende Hilfe bringen keine wirksame Entlastung.
Ihre Schwiegermutter hat einen hohen Bewegungsdrang und fühlt sich in der Wohnung oft eingesperrt. Eine Begleitung beim Spaziergang kann nicht oft genug ermöglicht werden.
Gegen einen Umzug ins Heim spricht:
Grundsätzlich kann jede größere Veränderung der Lebensbedingungen für einen demenzkranken Menschen zu einem vorübergehenden oder auch dauerhaften Einbruch der Fähigkeiten führen. Deshalb ist es wichtig, sich klarzumachen, inwieweit ein demenzkranker Mensch solche Chancen in einem neuen Umfeld noch nutzen kann und ob eine bestimmte Pflegeeinrichtung aufgrund des dort vorhandenen Milieus, der Atmosphäre und des Betreuungskonzepts diese Chancen auch bieten kann.
Ihre Schwiegermutter ist misstrauisch und lehnt Kontakte zu neuen Personen oft ab, auch wenn diese bemüht sind, sich auf sie einzustellen. Sie war über viele Jahre gewohnt, allein und unabhängig zu leben und fühlte sich dabei auch wohl.
Sie fühlt sich in ihrem sozialen Umfeld zu Hause sehr gut betreut und versorgt. Sie hängt sehr an den Menschen, die sie betreuen. Dann würde der Umzug ins Heim einen schwerwiegenden Bruch in ihrem Leben darstellen, der u.U. einen Demenzschub und eine bleibende Verschlechterung ihres Zustandes auslösen kann.
Die Grenzen der häuslichen Betreuung sind meist erreicht, wenn trotz qualifizierter medikamentöser Unterstützung und qualifizierter Hilfen bei der Betreuung das Verhalten des Kranken bereits bei geringfügigen Anlässen oder unvorhersehbar in Zorn, Wut oder gar Tätlichkeiten umschwenkt. Auch wenn der Erkrankte die Angehörigen rund um die Uhr auf Trab hält und die Nachtruhe erheblich gestört wird oder wenn der Kranke trotz Versorgung mit Inkontinenzhilfsmitteln beispielsweise laufend in der Wohnung uriniert oder mit Kot schmiert, ist die Betreuung zu Hause meist nicht mehr möglich.
Die Angehörigen reagieren dann häufig sehr gereizt auch auf kleinere Schwierigkeiten im Umgang mit dem Demenzkranken, fühlen sich angespannt, haben erhebliche Schlafstörungen, leiden häufig unter Weinkrämpfen oder werden depressiv oder antriebslos. Aber auch, wenn der Kranke keine herausfordernden Verhaltensweisen zeigt, können Angehörige durch die Mehrfachbelastung Pflege/Beruf/Familie in Gefahr geraten, psychisch und gesundheitlich Schaden zu nehmen.
In solchen Fällen kann eine Beratung bei einer qualifizierten Beratungsstelle oder der Kontakt zu einer Angehörigengruppe helfen. Wenn auch das nicht hilft, kann das Heim ein Ausweg sein.
Achten Sie aber bei der Auswahl des Heims unbedingt darauf, daß man dort möglichst eine eigene Dementenstation hat, auf der die Kranken therapeutisch gut behandelt werden und zum Beispiel ihren Bewegungsdrang ausleben können. Die Atmosphäre sollte insgesamt „heimelich“ und familiär sein. Nicht trist und krankenhausähnlich, steril und übermäßig ordentlich. Man sollte die Bewohner tolerant behandeln und nicht willkürlich in die Heimordnung zwingen. Lässt man sie z.B. Gegenstände in der Einrichtung umherräumen und wird flexibel auf ihre gewohnten Aufsteh- und Schlafenszeiten eingegangen? Ist man bemüht, ihre Selbständigkeit zu erhalten und animiert sie, sich bei Aktivitäten zu beteiligen ohne sie zu überfordern (aktivierende Pflege!!!!)? Wird gelassen und tolerant damit umgegangen, wenn sie etwas nicht wollen wie z.B. die tägliche Körperpflege, sich ankleiden lassen oder sich rasieren oder kämmen? Gibt es feste Bezugspersonen für jeden Heimbewohner, der seine Bedürfnisse genau kennt und diese im Blick behält, auch wenn er gerade keinen Schichtdienst hat?
Ganz wichtig - ob Sie sich für häusliche oder stationäre Pflege entscheiden - ist aber, daß Sie sich mit Ihrem Mann einigen. Denn die Spannungen zwischen Ihnen können sich auf die Pflegesituation übertragen und das wird Ihrer Schwiegermutter nicht entgehen. Demenzerkrankte sind hochsensibel für Stimmungen.
Ich wünsche Ihnen Kraft und Mut für die richtige Entscheidung!
Liebe Grüße,
Petra H.